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  BFH-Urteil vom 12.7.1990 (IV R 137-138/89) BStBl. 1991 II S. 13

Ausgaben eines Zahnarztes mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Beschaffung von Zahngold bilden auch dann Betriebsausgaben, wenn der angeschaffte Goldvorrat den Verbrauch für einige Jahre deckt. Dies setzt jedoch voraus, daß der Goldvorrat während einer übersehbaren Zeit verbraucht werden kann und später auch tatsächlich verbraucht wird.

EStG § 4 Abs. 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betreibt eine Zahnarztpraxis mit Dentallabor und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit; seinen Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahre 1981 hat der Kläger 8,7 kg und im Jahre 1982 12 kg Dentalgold erworben und die Aufwendungen als Betriebsausgaben verbucht. Nach einer Außenprüfung kürzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diesen Abzug, weil der Kläger jährlich nur 2,5 kg Dentalgold verwende. Der Kläger könne sich einen Goldvorrat für etwa ein Jahr anschaffen; weitergehende Anschaffungen seien jedoch der privaten Lebensführung zuzurechnen. Deshalb könnten im Jahre 1981 Aufwendungen von 52.390 DM für 1,7 kg Dentalgold und von 312.550 DM für 9,5 kg Dentalgold im Jahre 1982 nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden. Entsprechend änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1981 und 1982. Außerdem änderte es die Umsatzsteuerbescheide 1981 und 1982 und ließ die Vorsteuer auf die bezeichneten Anschaffungen nicht mehr zum Abzug zu.

Die hiergegen gerichteten Klagen waren erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß das Zahngold zur Verwendung im Betrieb des Klägers angeschafft worden sei und die Aufwendungen damit Betriebsausgaben darstellten. Dies gelte auch für Vorratsanschaffungen; für Steuerpflichtige mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG könne insoweit nichts anderes gelten als für buchführende Steuerpflichtige. Über den Umfang des erforderlichen Vorratsvermögens habe der Steuerpflichtige zu entscheiden; anders sei dies nur, wenn die Vorräte nach ihrem Umfang ersichtlich im Betrieb nicht mehr verwertet werden könnten. Unbestritten habe der Kläger die Vorräte aber in seinem Betrieb späterhin verbraucht.

Hiergegen richten sich die vom FG zugelassenen Revisionen des FA, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat die Revisionen betreffend die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer 1981 und 1982 gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verbunden. Diese Revisionen erweisen sich als unbegründet.

1. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Dies bedeutet, daß Erträge und Aufwendungen des Unternehmens bereits oder erst mit Zufluß oder Abfluß der zugehörigen Geldmittel realisiert werden. Demgemäß werden Ausgaben für zum Verbrauch bestimmte Wirtschaftsgüter mit ihrem Abfluß gewinnwirksam; sie werden anders als im Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht als Anschaffungskosten aktiviert und somit nicht erst im Zeitpunkt des Verbrauchs als Aufwand berücksichtigt. Es kann daher der Auffassung des FA nicht gefolgt werden, auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seien die Ausgaben erst im Zeitpunkt des Verbrauchs zu berücksichtigen, weil es bei dieser Art der Gewinnermittlung kein Betriebsvermögen gebe, die beschafften Wirtschaftsgüter vielmehr zunächst Privatvermögen seien und anläßlich ihres Verbrauchs eingelegt würden.

Tatsächlich ist auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG von Bedeutung, ob Wirtschaftsgüter die Eigenschaft von Betriebsvermögen haben. Vom Vorhandensein von Betriebsvermögen geht bereits das Gesetz aus, indem es in § 4 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 4 EStG Regelungen über die Entnahme derartigen Vermögens trifft und in § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG sowie in § 6c EStG Vorschriften für betriebliches Anlagevermögen von Steuerpflichtigen aufgenommen hat, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Auch die Rechtsprechung geht von der rechtlichen Existenz derartigen Vermögens aus und hat hieraus in unterschiedlichem Zusammenhang Folgerungen gezogen, so beim Verlust von Betriebsvermögen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. September 1971 IV 342/65, BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334; vom 6. Mai 1976 IV R 79/73, BFHE 119, 156, BStBl II 1976, 560; vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109; vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345), bei Entstehung und Veränderung betrieblicher Verpflichtungen (BFH-Urteile vom 31. August 1972 IV R 93/67, BFHE 107, 205, BStBl II 1973, 51; vom 23. Februar 1984 IV R 128/81, BFHE 140, 548, BStBl II 1984, 516), beim Tausch von Wirtschaftsgütern (Urteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607) und beim Wechsel zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG (BFH-Urteile vom 21. November 1973 I R 252/71, BFHE 111, 83, BStBl II 1974, 314; vom 12. Februar 1976 IV R 188/74, BFHE 118, 212, BStBl II 1976, 663; vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448).

Dementsprechend handelt es sich bei der Beschaffung von Vorratsvermögen auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG um einen betrieblichen Vorgang und nicht um ein der Privatsphäre zuzurechnendes Ereignis; die Entrichtung des Kaufpreises führt zu einer in die Überschußrechnung aufzunehmenden Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 EStG).

2. Gelten demnach für den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und die Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG unterschiedliche Grundsätze hinsichtlich des Zeitpunkts der Realisierung von Erträgen und Aufwendungen, so ergeben sich hieraus auch Unterschiede hinsichtlich der Höhe des in einem Veranlagungszeitraum zu erfassenden Gewinns. Anders als im Falle des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige im Fall der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG auf die Höhe des Gewinns u.a. dadurch Einfluß nehmen, daß er die Beschaffung von Vorratsvermögen zeitlich vorverlagert oder die Einziehung von Forderungen aufschiebt. Wie die Kläger zu Recht hervorheben, ist dies vom Gesetzgeber jedoch bewußt in Kauf genommen worden. Während vordem ins Gewicht fallende Schwankungen im Betriebsvermögen im Rahmen der Überschußrechnung durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen waren, ist hierauf in der auf das Gesetz zur Neuordnung von Steuern (StNOG) vom 16. Dezember 1954 (BStBl I, 575) zurückgehenden Neufassung des § 4 Abs. 3 EStG aus Vereinfachungsgründen verzichtet worden (Amtliche Begründung, BT-Drucks II/481, S. 76). Damit ließe sich nicht vereinbaren, daß Ausgaben der Steuerpflichtigen für Vorratskäufe nur in begrenztem Umfang anerkannt und dadurch im Ergebnis wiederum Zu- und Abschläge auf das Rechnungsergebnis eingeführt werden.

Zu Recht hat das FG auch angenommen, daß es grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, über Zeitpunkt und Umfang der Vorratsbeschaffung zu bestimmen. Das gilt auch für Angehörige von freien Berufen i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, zu denen der Kläger als Zahnarzt gehört; die Unterhaltung des Dentallabors ist Bestandteil seiner freiberuflichen Tätigkeit (BFH-Urteil vom 13. August 1953 IV 50/53 U, BFHE 58, 1, BStBl III 1953, 292). Angehörige von freien Berufen können Betriebsvermögen allerdings nur entsprechend den Erfordernissen ihres Berufes bilden (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517, vom 24. August 1989 IV R 80/88, BFHE 158, 254, BStBl II 1990, 17). In diesem Zusammenhang ist wiederholt entschieden worden, daß die Eingehung von Geldgeschäften zur dauerhaften oder spekulativen Vermögensanlage der Ausübung des freien Berufes wesensfremd ist und nicht zur Begründung von Betriebsvermögen führt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607; BFHE 158, 254, BStBl II 1990, 17, m. w. N.). Derartiges Vermögen geht nicht in den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ein; damit verbundene Ausgaben bilden keine Ausgaben i. S. von § 4 Abs. 3 EStG. Hieraus läßt sich aber nicht folgern, daß die Vorratsbeschaffung von Zahngold nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze als betrieblich veranlaßt, im übrigen aber als Spekulationsgeschäft angesehen werden müsse. Der Wert eines jeden Zahngoldvorrates hängt von der Entwicklung des Goldpreises und des Preises der dem Gold beigegebenen Seltenmetalle ab; die Wertveränderungen werden vom Zahnarzt dadurch realisiert, daß er die verbrauchte Zahngoldmenge dem Patienten zum jeweiligen Marktpreis in Rechnung stellt. Insoweit enthält jede Bevoratung mit Zahngold ein spekulatives Element, das jedoch mit der zahnärztlichen Berufsausübung verbunden ist und auf die Höhe der freiberuflichen Einkünfte durchweg keinen wesentlichen Einfluß hat. Darum kann es einem Zahnarzt auch nicht verwehrt werden, eine vermeintlich günstige Marksituation auszunutzen und im Wege der unterstützenden Praxisvorsorge auch umfangreiche Vorratskäufe zu tätigen; dem werden bei wirtschaftlicher Denkungsweise schon deswegen Grenzen gezogen sein, weil die Anlegung eines derartigen Vorrats erhebliche Finanzierungskosten oder im Falle der Eigenfinanzierung Ertragsausfälle bei einer anderen Art der Vermögensanlage zur Folge hat.

Dieser Betrachtung sind allerdings Grenzen gesetzt. Ergibt sich, daß der Zahnarzt während eines überschaubaren Zeitraums den angeschafften Goldvorrat mengenmäßig nicht verbrauchen konnte oder tatsächlich nicht verbraucht hat, sondern zur Realisierung von Wertsteigerungen oder zur Begrenzung von Wertverlusten Teile des Zahngoldvorrats an den Lieferanten zurückverkauft hat, oder auch der beschaffte Vorrat während der voraussichtlich begrenzten Dauer der freiberuflichen Tätigkeit nicht mehr verbraucht werden kann, sondern anläßlich ihrer Beendigung veräußert werden muß, kann daraus geschlossen werden, daß für die Beschaffung zumindest eines Teils des Goldvorrates allein spekulative Überlegungen, nicht aber Praxisbedürfnisse ursächlich waren. Die Beschaffungsausgaben stellen dann insoweit keine Betriebsausgaben dar. Da die Dauer der Praxisausübung ungewiß ist, wird man hierfür grundsätzlich nur von einem überschaubaren Zeitraum ausgehen können; erfahrungsgemäß werden deshalb auch Mietverträge über Praxisräume und Darlehensverträge im Zusammenhang mit der Beschaffung von Praxisinventar nur über begrenzte Zeiträume abgeschlossen.

Im Streitfall hatte der Kläger bei Berücksichtigung seines laufenden Verbrauchs Ende 1982 einen Goldvorrat für sechs bis sieben Jahre angelegt. Nach den Feststellungen des FG hat er den Vorrat in der Folge aber für die Zwecke seiner Praxis verbraucht, also auch keine Rückverkäufe an den Lieferanten vorgenommen. Das FG konnte danach annehmen, daß der Kläger den Vorrat allein aus betrieblichen Gründen beschafft habe. Hierfür konnte auch sprechen, daß der Goldpreis in den Jahren 1980 bis 1983 starken Schwankungen unterlegen hat und daß sich der Kläger deshalb im betrieblichen Interesse zur Ausnutzung einer vermeintlich günstigen Preissituation veranlaßt sehen konnte. Das FA wird im Einzelfall allerdings auch im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Aufschluß über den Verbleib des Goldvorrats verlangen und bei unzureichender Aufklärung von einer gewinnerhöhenden Entnahme des als zuvor als Betriebsvermögen anerkannten Goldvorrats ausgehen können. Im Streitfall bestehen insoweit jedoch keine Zweifel, weil der Goldvorrat tatsächlich für betriebliche Zwecke verwendet worden ist.

3. Aufgrund dieser Beurteilung hat das FG zu Recht auch bei Ermittlung der Umsatzsteuer 1981 und 1982 die auf die Goldkäufe entfallende Vorsteuer zum Abzug zugelassen.