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BFH-Urteil vom 7.8.1990
(VIII R 67/86) BStBl. 1991 II S. 14 Wird ein mit Darlehensmitteln angeschafftes Mietwohngrundstück veräußert und der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des Darlehens eingesetzt, sondern festverzinslich angelegt, können die für das fortgeführte Darlehen aufgewendeten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig sein, sofern das überlassene Kapital im Einvernehmen mit dem Darlehensgeber dem neuen Zweck dienen soll. Sachverhalt Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1982 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Am 1. Februar 1981 veräußerte die Klägerin ein ihr gehöriges in A gelegenes Hausgrundstück, aus dem sie bisher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte. Den Kaufpreis in Höhe von 474.000 DM verwendete sie nicht zur Ablösung der noch nicht vollständig getilgten Darlehen, die sie zur Anschaffung des Hausgrundstücks aufgenommen hatte, sondern legte den Kaufpreis auf verschiedenen Festgeldkonten an. Für die sich noch auf rd. 280.000 DM belaufenden Darlehen entrichtete die Klägerin Zinsen in Höhe von 18.222 DM an die Bank U, X, Y und die Bausparkasse Z. Die Darlehen wurden nach dem Verkauf anderweitig abgesichert. Die aus dem angelegten Kaufpreis erzielten Einnahmen aus Kapitalvermögen schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Streitjahr mit 20.000 DM. Das gegen den Einkommensteuerbescheid für 1982 vom 17. April 1984 gerichtete Einspruchsverfahren führte zu einer Verböserung. Die Klägerin hatte aus den angelegten 474.000 DM Zinsen in Höhe von 22.957 DM bezogen. Unter Berücksichtigung dieser und weiterer Zinsen ergaben sich im Streitjahr Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 34.318 DM, die das FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 21. März 1985 der Besteuerung zugrunde legte. Die von der Klägerin für die nach der Grundstücksveräußerung verbliebenen Darlehen aufgewendeten Schuldzinsen ließ das FA hingegen weder bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten zum Abzug zu. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die für die verbliebenen Darlehen angefallenen Schuldzinsen seien zwar nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Sie seien jedoch von den Einnahmen aus Kapitalvermögen als Werbungskosten abzuziehen. Dadurch, daß die Klägerin den Verkaufserlös nicht zur Tilgung des Darlehens, sondern zur Erzielung von Einnahmen aus Kapitalvermögen eingesetzt hätte, hätte sie einen neuen Entschluß zur Verwendung des Darlehens gefaßt. Diesen Entschluß hätte sie durch die anderweitige Absicherung des Darlehens auch nach außen zu erkennen gegeben. Mit dem neuen Kreditverwendungsbeschluß sei der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Festgeldanlage und den angefallenen Finanzierungskosten hergestellt worden. Es habe sich der Grund für die Schuldaufnahme geändert. Einen Grundsatz, daß ein einmal gegebener Grund für eine Schuldaufnahme später nicht mehr abänderbar und durch einen anderen Grund nicht ersetzbar sei, habe der Bundesfinanzhof (BFH) - soweit ersichtlich - nicht aufgestellt. Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, das Urteil des FG Köln vom 30. Juli 1985 III K 99/85 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision zurückzuweisen. Sie tragen vor, die Erzielung der Einnahmen aus dem auf Festgeldkonten angelegten Kaufpreis sei, soweit er nicht zur Ablösung der noch offenen Darlehensschulden eingesetzt worden sei, nur dadurch ermöglicht worden, daß der Kaufpreis nicht zur Tilgung der Darlehen verwendet worden sei. Die Klägerin habe mit der Anlage des Kaufpreises bewußt den zur damaligen Zeit hohen Sparzins ausnutzen wollen. Da das Festgeldguthaben betragsmäßig ständig höher als die verbliebenen Darlehensschulden gewesen sei, liege ein wirtschaftlicher Zusammenhang vor. Die Klägerin habe auch erkennbar einen neuen Kreditverwendungsbeschluß gefaßt. Als Sicherheit für die verbliebenen Darlehen seien den Darlehensgebern Bankbürgschaften der Y-Bank, der wiederum als Sicherheit die angelegten Gelder gedient hätten, gegeben worden. Entscheidungsgründe Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). 1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Schuldzinsen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beurteilt werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Schuldzinsen, die auf die Zeit nach Beendigung der Vermietung und Verpachtung entfallen, keine nachträglichen Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Sie sind Gegenleistung für die Überlassung eines Kapitals, das nicht mehr der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dient (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138, 47, BStBl II 1983, 373; vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29; vom 26. Februar 1985 VIII R 59/83, BFH/NV 1985, 69). 2. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln sind. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Das gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). a) Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang von Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist immer dann zu bejahen, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934, m. w. N.). Für diese Beurteilung ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht dieser Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet, dann sind die Kreditkosten Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart (vgl. BFH-Urteile vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 19. Januar 1982 VIII R 150/79, BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321; vom 9. August 1983 VIII R 35/80, BFHE 139, 253, BStBl II 1984, 27; vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596). Das bedeutet jedoch nicht, daß für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten allein auf den ursprünglichen mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck und damit ausschließlich auf die (erstmalige) Verwendung der Darlehensvaluta abzustellen wäre. Wird die mit den Darlehensmitteln zunächst angeschaffte Kapitalanlage - z.B. wie im Streitfall ein Hausgrundstück - veräußert und mittels des Veräußerungserlöses eine andere Kapitalanlage erworben, dann können die für das aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei der neuen Kapitalanlage berücksichtigungsfähig sein (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 69). Es muß aber Einvernehmen zwischen den Parteien des Darlehensvertrages darüber bestehen, daß das dem Darlehensnehmer überlassene Kapital dem neuen Zweck dienen soll. b) Der Auffassung des erkennenden Senats steht nicht die Rechtsprechung des I. Senats des BFH zur Umschuldung von privaten Verbindlichkeiten in betriebliche entgegen. Zutreffend hat der IX. Senat des BFH angeführt, daß sich diese Rechtsprechung nicht auf die Überschußeinkünfte übertragen läßt (Urteil vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). Der VIII. Senat schließt sich der Rechtsauffassung des IX. Senats an. c) Unter Berücksichtigung der unter a) formulierten Rechtsgrundsätze können die von der Klägerin geleisteten Schuldzinsen entgegen der Annahme des FG nicht schon deshalb den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet werden, weil die Klägerin den Verkaufserlös festverzinslich anlegte. Mit der erstmaligen Verwendung der Darlehensvaluta wird die Darlehensverbindlichkeit einem bestimmten Zweck unterstellt. Dieser Zweck bleibt - sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst wird - so lange bestehen, bis der mit Hilfe des Darlehens angeschaffte Vermögensgegenstand veräußert wird. Durch die Veräußerung erledigt sich im Regelfall der Zweck der Darlehensaufnahme, und das Darlehen ist zu tilgen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang der den Schuldzinsen zugrunde liegenden Verbindlichkeit mit einer neuen Kapitalanlage ist nur hergestellt, wenn die zu ihrer Anschaffung verwendeten Mittel als zu diesem Zweck darlehensweise überlassen angesehen werden können. Das ist etwa der Fall, wenn der Darlehensnehmer nach Erledigung des Darlehenszwecks dem Darlehensgeber mitteilt, daß er das ursprüngliche Darlehen nicht - wie vereinbart - zurückführen, sondern zu anderen Zwecken verwenden wolle, und dieser ausdrücklich zustimmt oder zumindest nicht widerspricht, so daß von seinem stillschweigenden Einverständnis ausgegangen werden kann. Den Tatsachenfeststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, ob im vorgenannten Sinn eine die Begründung der Festgeldanlage umfassende neue Darlehensvereinbarung oder - was auch möglich wäre - eine die ursprüngliche Vereinbarung ändernde Vereinbarung zustande gekommen ist. Für das Vorliegen einer solchen Vereinbarung würde zwar sprechen, wenn die Kreditinstitute im Hinblick auf die Verwendung des Verkaufserlöses ihre bisher an dem Grundstück eingeräumten Sicherheiten aufgegeben und dafür andere Sicherheiten angenommen hätten; das gilt insbesondere dann, wenn sich diese Sicherheiten unmittelbar oder mittelbar auf das festverzinslich angelegte Geld stützen würden. Die Feststellung im Urteil des FG, die Darlehen seien anderweitig abgesichert worden, reicht zu einer solchen Annahme jedoch nicht aus. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen und hat deshalb für die Entscheidung des Streitfalls maßgebliche Umstände nicht ermittelt. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es ist Aufgabe des FG, die notwendigen Feststellungen zu treffen. Zu diesem Zweck wird die Sache an das FG zurückverwiesen. |