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  BFH-Urteil vom 22.8.1990 (III R 170/86) BStBl. 1991 II S. 78

Der sog. Besucher-/Kontaktfreibetrag war gemäß § 33a Abs. 1 a EStG 1981 auch dann ungekürzt in Höhe von 600 DM zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige seiner - ganzjährig bestehenden - Unterhaltsverpflichtung nur zeitweilig nachgekommen ist.

EStG 1981 § 33 a Abs. 1a.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1984, 236)

Sachverhalt

Der nicht verheiratete Kläger und Revisionskläger (Kläger) war während des gesamten Streitjahres 1981 zum Unterhalt seiner nichtehelichen Tochter verpflichtet. Die Tochter lebte bei ihrer leiblichen Mutter, der auch das Sorgerecht zustand. Seiner Unterhaltspflicht kam der Kläger jedoch nur in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1981 nach. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr beantragte er, den Freibetrag gemäß § 33a Abs. 1 a des Einkommensteuergesetzes - EStG - (sog. Kontakt-/Besucherfreibetrag) in voller Höhe - 600 DM - zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte lediglich den halben Freibetrag - 300 DM - mit der Begründung, der Kläger sei seiner Unterhaltsverpflichtung nur während sechs Monaten tatsächlich nachgekommen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 236 veröffentlichten Entscheidung die Ansicht, nach Wortlaut und Gesetzeszweck sei § 33a Abs. 4 EStG auch auf die Freibetragsregelung des § 33a Abs. 1 a EStG anzuwenden. Dementsprechend sei der Freibetrag bei einer zeitweisen Verletzung der Unterhaltsverpflichtung nur zeitanteilig zu gewähren.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und weitere 300 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Kommt der Steuerpflichtige für einen Veranlagungszeitraum seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind nach, das dem anderen Elternteil zuzuordnen und bei diesem zu berücksichtigen ist (§ 32 Abs. 4 bis 7 EStG), so wird auf Antrag ein Betrag von 600 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 33a Abs. 1 a EStG 1981).

Die Frage, ob die Kürzungsbestimmung des § 33a Abs. 4 EStG im Rahmen des § 33a Abs. 1 a EStG auch dann anzuwenden ist, wenn ein Steuerpflichtiger seiner ganzjährig bestehenden Unterhaltsverpflichtung nur zeitweise nachkommt, ist im EStG nicht näher geregelt. Der Wortlaut des § 33a Abs. 1 a EStG ist im Hinblick auf die Streitfrage offen und läßt beide Auslegungen zu. Die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) bzw. Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) nehmen zu der Frage nicht eindeutig Stellung (vgl. Abschn. 190a EStR 1981, Abschn. 67a LStR 1981).

Die FG haben die Streitfrage mit unterschiedlichem Ergebnis entschieden. Anders als die Vorinstanz vertritt z.B. das FG Berlin (vgl. Urteil vom 18. Februar 1983 III 406/82, EFG 1983, 611) die Meinung, der Besucher-/Kontaktfreibetrag sei auch dann in voller Höhe zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige seine Unterhaltspflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres pünktlich und vollständig erfüllt. § 33a Abs. 1 a EStG setze lediglich eine das gesamte Veranlagungsjahr über bestehende abstrakte Unterhaltsverpflichtung voraus (a.A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 1984 6 K 171/82, EFG 1984, 554).

Auch im Schrifttum hat sich eine einhellige Meinung zur Streitfrage nicht gebildet (gegen eine Kürzung: Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33a Anm. 167, 176, 391; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 33a EStG Anm. 49e; für eine Kürzung des Freibetrages: Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 200; vgl. auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 33a Anm. 3, und Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33a Anm. 58).

Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 4. Februar 1987 III B 151/86 (BFHE 148, 530, BStBl II 1987, 339) und vom 22. April 1988 III B 73/87 (BFHE 153, 143, BStBl II 1988, 612) zur Auslegung des § 33a Abs. 1 a EStG 1981 Stellung genommen und entschieden, daß diese Regelung nicht Unterhaltsleistungen abgilt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist davon auszugehen, daß ein Steuerpflichtiger den Freibetrag nach § 33a Abs. 1 a EStG 1981 auch dann in voller Höhe beanspruchen kann, wenn er seiner während des gesamten Veranlagungszeitraums bestehenden Unterhaltspflicht nur zeitweilig nachgekommen ist.

Der Gesetzgeber wollte durch die Schaffung des § 33a Abs. 1 a EStG mit dem Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1977 vom 16. August 1977 (BGBl I 1977, 1586, BStBl I 1977, 442) in typisierender Weise die Mehrbelastungen abgelten, die einem Steuerpflichtigen, dem ein Kind nicht zugeordnet ist, bei dauernd getrennter Haushaltsführung der Eltern entstehen. Die insbesondere durch Ausgaben zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses verminderte steuerliche Leistungsfähigkeit sollte durch den Freibetrag angemessen Berücksichtigung finden, wenn der Steuerpflichtige seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind nachgekommen ist (vgl. BTDrucks 8/292, S. 22). Wie der Senat in BFHE 148, 530, 533, BStBl II 1987, 339 ausgeführt hat, diente das Merkmal der Erfüllung der Unterhaltspflicht lediglich als Indiz für das Entstehen der Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses. Diese Auslegung der Vorschrift nach dem Zweck des § 33a Abs. 1 a EStG 1981 wird bestätigt durch die Neufassung im Steuersenkungsgesetz (StSenkG) 1986/88 vom 26. Juni 1985 (BGBl I 1985, 1153, BStBl I 1985, 391). Dort wurde auf das Tatbestandsmerkmal "Erfüllung der Unterhaltspflicht" verzichtet. Dadurch war nicht eine sachliche Änderung der Anspruchsvoraussetzungen des § 33a Abs. 1 a EStG beabsichtigt. Vielmehr handelte es sich um eine aus redaktionellen Gründen erfolgte Neufassung, die der Klarstellung des zu Mißverständnissen führenden früheren Wortlauts diente (vgl. BTDrucks 10/2884, S. 105; Oepen, Steuersenkungsgesetz, 1986/1988, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 495, 503).

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, daß bei einem Steuerpflichtigen, der seiner zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung nur zeitweilig nachkommt, nicht ausgeschlossen werden kann, daß er auch die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses vernachlässigt hat und ihm deshalb, zumindest zeitweilig, keine besonderen Aufwendungen dafür erwachsen sind (vgl. Blümich/Oepen, a.a.O., § 33a Anm. 200). Gleichwohl hält es der Senat für zutreffend, den Freibetrag des § 33a Abs. 1 a EStG 1981 auch in diesen Fällen in voller Höhe zu gewähren. Dies ergibt sich insbesondere aus der Überlegung, daß es mit dem typisierenden Charakter der in § 33a EStG enthaltenen Regelungen (dazu vgl. beispielsweise Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. November 1988 III R 305/84, BFHE 155, 316, BStBl II 1989, 233) nicht vereinbar wäre, wenn im Einzelfall jeweils geprüft werden müßte, ob ein Steuerpflichtiger seinen Unterhaltsverpflichtungen lückenlos nachgekommen ist.