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  BFH-Urteil vom 13.11.1990 (VIII R 152/86) BStBl. 1991 II S. 94

Der Gewinn aus der Zulieferung und Inrechnungstellung von Material, das im Zuge einer Montage verwendet wurde, ist nicht Teil des Gewinns der Montage-Betriebstätte. Der Gewinn aus dem Verkauf von Waren kann nur dann und insoweit Betriebstättengewinn sein, als der An- und Verkauf von der Betriebstätte abgewickelt wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Material vom Stammhaus eingekauft und auch vom Stammhaus dem Auftraggeber gesondert in Rechnung gestellt wird.

EStG § 3 Nr. 63, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; AO 1977 § 12 Satz 2 Nr. 8.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Streitig ist, ob Gewinne aus der Beschaffung und der Verwendung von Materialien für Elektroinstallationen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) der Einkommensteuer und Gewerbesteuer der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) unterliegen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Elektrotechnik und führt u.a. Elektroinstallationen größeren Umfangs durch. Sie erhielt Ende 1976 von der X-GmbH in A den Auftrag über die Montage der Elektro-, Meß- und Regelausrüstungen für die Chemischen Werke B. Die Montage der meß- und regeltechnischen Ausrüstung erfolgte durch einen Subunternehmer der Klägerin. Die Klägerin selbst führte auf der Baustelle in B von April 1977 bis Dezember 1979 die elektrotechnischen Arbeiten durch, die fast ausschließlich in der Verlegung von Kabeln bestanden. Die Kabel und die sonstigen wesentlichen Materialien (z.B. Lichtmasten, Leuchten, Transformatoren) lieferte die Firma X. Die Klägerin beschaffte lediglich die zur Verlegung bzw. Befestigung der Kabel erforderlichen Verbrauchs- und Kleinmaterialien. Der Einkauf der Materialien erfolgte - im Laufe der Zeit auf Anforderung der Betriebstätte - durch das Stammhaus der Klägerin in A; die Lieferanten transportierten die Materialien weisungsgemäß in aller Regel zur Baustelle in der DDR, wo sie die Klägerin zunächst in einem Magazin unterbrachte. Bei Bedarf wurden sie dann dem Magazin entnommen. Die Abnahme des Materials durch die Firma X erfolgte zusammen mit der Montageabnahme: Anhand des genommenen Aufmaßes wurden die verbrauchten Materialien festgestellt und von der Klägerin der Firma X neben den Montageleistungen gesondert in Rechnung gestellt.

In ihrer Buchführung führt die Klägerin für jede Baustelle ein besonderes Baukonto. Den Baukonten werden die den Baustellen unmittelbar zurechenbaren Aufwendungen - Personal- und Materialkosten - sowie, nach einem für alle Baustellen einheitlichen Schlüssel, Gemeinkosten und Verwaltungskosten belastet. Durch Gegenüberstellung der so ermittelten Selbstkosten mit den erzielten Erlösen wird der Gewinn oder Verlust für jede Baustelle ermittelt. Für den Materialeinsatz der Klägerin auf der Baustelle in B ergab sich danach ein nicht streitiger Gewinn (Liefergewinn).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) rechnete den Liefergewinn dem in der Bundesrepublik zu versteuernden Gewinn der Klägerin hinzu, wogegen er den Montagegewinn als steuerfrei gemäß § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ansah. Er erließ dementsprechende Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheide für 1978 und 1979.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, zum Betriebstättenerfolg gehöre das, was durch die betriebliche Funktion der Betriebstätte erwirtschaftet werde, was der Betriebstätte "zuzurechnen" sei. Nach der sog. direkten Methode, wie sie im Zusammenhang mit der Abgrenzung von in - und ausländischen Einkünften eines Unternehmens im Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) höchstrichterlich vertreten werde, seien die Gewinne aus der Materialbeschaffung hier dem Stammhaus der Klägerin in A zuzurechnen. Die Betriebstätte in B habe mit den Materialien mehr oder weniger ausschließlich im Rahmen der manuellen Erstellung der Elektroinstallation zu tun gehabt. Sie habe die ihr angelieferten Gegenstände lediglich (teilweise) beim Stammhaus angefordert, in Empfang genommen, kontrolliert und an Ort und Stelle in das zu erstellende Werk eingebaut. Abgesehen von der rein tatsächlichen Verwendung habe die Betriebstätte mehr oder minder keine kaufmännischen Tätigkeiten in bezug auf die Materialien vorgenommen. Sie habe weder Angebote von ihren Lieferanten eingeholt, Bestellungen bei Lieferanten aufgegeben, die Bezahlung sichergestellt u.ä. Auch sei nicht ersichtlich, daß sie in greifbarem Umfang in vorausschauende Planungen und Vorüberlegungen nach Art, Menge, Beschaffenheit usw. der insgesamt benötigten Materialien eingeschaltet gewesen wäre; die ersten grundlegenden Planungen insoweit seien jedenfalls im Stammhaus erfolgt. Danach sei es zwar gerechtfertigt, die für den Einbau angefallenen Arbeitslöhne als Aufwand der Betriebstätte anzusehen, nicht hingegen seien die Erträge aus dem Materialeinkauf der Betriebstätte zuzurechnen. Seien der Kauf und die Lieferung des an der Baustelle verwendeten Materials allein Sache des Stammhauses, wie hier, so stünden der Betriebstätte grundsätzlich keine Gewinne zu, die aus dem Erwerb und der Lieferung des Materials resultierten.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Auffassung, daß die sog. Liefergewinne nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik bezogen seien und deshalb der inländischen Besteuerung unterliegen sollten, stehe im Widerspruch zu § 3 Nr. 63 EStG. Das FG habe verkannt, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebstätte eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme darstelle. Der Teilwert habe im Zeitpunkt der Überführung höchstens den Wiederbeschaffungskosten entsprochen, so daß ein Entnahmegewinn nicht anzusetzen sei. Der später im Zeitpunkt der Abnahme des Materials durch den Auftraggeber in der DDR realisierte Gewinn sei der dortigen Betriebstätte zuzurechnen. Die Klägerin trägt weiter vor, daß ihre Aktivitäten in B als Bauausführungen und nicht als Montagen anzusehen seien. Nur bei Montagen, nicht dagegen bei Bauausführungen, sei eine Aufteilung des Betriebstättengewinns in Montagegewinn und Liefergewinn erforderlich. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß, selbst wenn man dem Stammhaus wegen der Mitwirkung bei der Beschaffung des Materials einen Gewinnanteil zubilligen würde, dieser nicht 100 v.H. des sog. Liefergewinns betragen könnte. Die im Verkaufspreis für das Material enthaltenen Entgeltsanteile für die Lagerung und Bearbeitung in der Betriebstätte seien dieser zuzuordnen, weil die Wertschöpfung nicht im Stammhaus, sondern in der Betriebstätte erfolgt sei. Bei der Ermittlung des sog. Liefergewinns seien die für die Unterhaltung des Magazins sowie die bei der Bearbeitung des Materials entstandenen Personalkosten nicht abgezogen worden. Für den Fall, daß der sog. Liefergewinn ganz oder teilweise dem Stammhaus zuzurechnen sein sollte, sei dies noch nachzuholen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Einspruchsentscheidungen die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, daß der Gewinn herabgesetzt wird.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Zur Begründung macht es sich im wesentlichen die im finanzgerichtlichen Urteil dargestellten Grundsätze zu eigen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß den Liefergewinn nicht als steuerfrei angesehen.

Gemäß § 3 Nr. 63 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind steuerfrei Einkünfte der in § 49 EStG bezeichneten Art, wenn sie in der DDR oder in Berlin (Ost) bezogen worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist bei Anwendung der Vorschrift darauf abzustellen, ob die betreffenden Einkünfte dann, wenn sie in der Bundesrepublik erzielt worden wären, bei einem hier beschränkt Steuerpflichtigen zu den inländischen Einkünften i.S. § 49 EStG gehören würden (vgl. Urteile vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530, und vom 21. Januar 1983 VI R 87/79, BFHE 137, 352, BStBl II 1983, 224). Die Vorschrift wirkt im Verhältnis zur DDR so wie wenn die bezeichneten Einkünfte durch ein DBA von der Steuer der Bundesrepublik freigestellt worden wären. Dementsprechend sind bei Anwendung der Vorschrift die zur Auslegung von § 49 EStG und zur Auslegung der Freistellungs-DBA geltenden Grundsätze heranzuziehen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß die Klägerin in der DDR beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bezogen hat. Denn sie hat dort eine Betriebstätte in Gestalt einer Montage i.S. § 12 Satz 2 Nr. 8 der Abgabenordnung (AO 1977) unterhalten. Der auf diese Betriebstätte entfallende Gewinnanteil der Klägerin ist gemäß § 3 Nr. 63 EStG in der Bundesrepublik steuerfrei.

Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin einen Auftrag über die Montage der Elektro-, Meß- und Regelausrüstung erhalten hat und diesen durch einen Subunternehmer hat ausführen lassen. Die eigene Leistung der Klägerin bestand fast ausschließlich in der Verlegung von Kabeln. In der angefochtenen Entscheidung sind diese Tätigkeiten mehrfach als Montagen bezeichnet worden. In dem Urteil ist von der "Montageabnahme", von "Montageleistungen" und von der "Dauer der Elektromontage" die Rede. Abschließend wird die Folgerung gezogen, daß der Montagegewinn nicht Gewinne aus der Lieferung des Materials umfasse.

Die Annahme des FG, daß eine Montage vorgelegen habe, steht im Einklang mit den übrigen von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist. Unter den Begriff Montage fallen das Zusammenfügen oder der Umbau von vorgefertigten Einzelteilen (Urteil des BFH vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BFHE 161, 358, BStBl II 1990, 983). Ausweislich der vom FG in Bezug genommenen Materialliste wurden Einzelteile (Kabelpritschen, Kunststoffriemen, Stahlrohre, Befehlsgeberstände, Profilstahl und anderes) geliefert, die an Ort und Stelle bearbeitet und montiert wurden. Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wurde nicht gerügt, daß diese Feststellungen unzutreffend oder unvollständig seien und daß sich bei ordnungsgemäßer oder vollständiger Sachverhaltsermittlung hätte ergeben können, daß anstelle einer Montage eine Bauausführung vorgelegen habe. Auf Bl. 5 der Revisionsbegründung vom 15. Januar 1987 spricht die Klägerin sogar selbst von einer "Montageabnahme".

Der Gewinn aus der Zulieferung und Inrechnungstellung von Material, das im Zuge der Montage verwendet, d.h. in das zu fertigende Werk eingebaut wurde, ist nicht Teil des Betriebstättengewinns. Der Gewinn aus dem Verkauf von Waren kann nur dann und insoweit Betriebstättengewinn sein, als der An- und Verkauf von der Betriebstätte abgewickelt wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn - wie vorliegend - das Material vom Stammhaus eingekauft und auch vom Stammhaus dem Auftraggeber gesondert in Rechnung gestellt wird. Eine Verkaufsstelle (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO 1977) hat die Klägerin in der DDR nicht unterhalten. Die Montage löst nur bezüglich der unmittelbar durch die Montagehandlungen entstandenen Gewinne einen Steueranspruch des Staates, in dem sich die Montagestelle befindet (Quellenstaat), und dementsprechend eine Freistellung im Wohnsitzstaat des Unternehmers aus.

Der Senat befindet sich mit dieser Auffassung im Einklang mit der im deutschen Steuerrecht herrschenden Meinung, daß Liefergewinn und Montagegewinn auch bei enger Verbindung von Lieferung und Montage (sog. Montagelieferung) getrennt zu beurteilen sind (vgl. u.a. Hellwig in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 49 EStG Rdnr. 27; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl. 1983, S. 106; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 175; Korn/Debatin, Systematik, IV, Tz. 86; Krabbe in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 13. Aufl., § 49 EStG Tz. 249, m.w.N.; Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Tz. 59 d). Betriebstättenbegründende Montagen bewirken die Aufrechterhaltung der Quellenstaatsbesteuerung für den Montagegewinn, nicht jedoch für den Gewinn aus dem Verkauf des Montagegegenstandes, den Liefergewinn (Korn/Debatin, a.a.O.).

Auch der Gesetzgeber ist in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Änderung des § 34c EStG, davon ausgegangen, daß Montagelieferungen in das Ausland zu inländischen Einkünften mit der Folge eines inländischen Besteuerungsrechts führen (vgl. BRDrucks 511/79).

Soweit die Klägerin hilfsweise einwendet, es dürften nicht 100 v.H. des sog. Liefergewinns der deutschen Besteuerung zugrunde gelegt werden, weil die Lagerung und Bearbeitung in der Betriebstätte dieser zuzuordnen seien, kann dem im Revisionsverfahren nicht mehr nachgegangen werden. Das FG hat zu dieser Frage ausgeführt, die Klägerin habe die Höhe des aus dem Materialeinkauf/der Materialverwendung sich ergebenden Gewinns anhand ihrer Buchführung im einzelnen ermittelt; eine Außenprüfung habe den Gewinn geringfügig korrigiert; er sei nicht streitig. Diese Ausführungen wurden innerhalb der Revisionsbegründungsfrist von der Klägerin nicht angegriffen.

Der Hinweis der Klägerin auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur entnahmegleichen Handlung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei kann auch auf sich beruhen, ob bei Überführung von Umlaufvermögen in eine ausländische Betriebstätte diese Grundsätze uneingeschränkt gelten oder durch die Methoden der Ermittlung des Betriebstättengewinns (dealing at arms length-Klausel) verdrängt werden. Auch mag dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint - der durch den Marktpreis zu bestimmende Teilwert der Materialien in den Fällen eines sicheren Verkaufs nach Maßgabe einer bereits abgeschlossenen Gesamtvereinbarung nur den Wiederbeschaffungskosten entspricht oder ob in diesen Fällen nicht die Verkaufspreise anzusetzen wären (vgl. Urteil des Senats vom 6. August 1985 VIII R 280/81, BFHE 144, 386, 391, BStBl II 1986, 17, m.w.N.). Denn die Grundsätze über die Gewinnverwirklichung bei Steuerentstrickung (sog. finale Entnahmetheorie) können begrifflich allenfalls dann Platz greifen, wenn die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven im Falle der späteren Veräußerung außerhalb der Bundesrepublik nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegen würden. Es ist mithin vorrangig zu prüfen, ob der zu beurteilende Vorgang bei Anwendung der außensteuerrechtlichen Vorschriften (hier §§ 3 Nr. 63, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, § 12 Satz 2 Nrn. 6, 8 AO 1977) bewirkt, daß mit stillen Reserven behaftete Wirtschaftsgüter den Besteuerungsbereich der Bundesrepublik verlassen. Nur wenn dies der Fall ist, könnte es sich um einen entnahmegleichen Vorgang im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Beschluß des Großen Senats vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168) handeln. Bleibt dagegen der über die Grenze verbrachte Gegenstand im Falle seiner späteren Veräußerung nach wie vor der deutschen Besteuerung verhaftet - wie im vorliegenden Falle dargestellt -, so fehlt die Grundvoraussetzung für die Annahme einer durch die örtliche Verlagerung des Gegenstandes bedingte Gewinnverwirklichung.

Die dargestellten Grundsätze gelten auch für die Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 6 des Gewerbesteuergesetzes).