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BFH-Urteil vom 8.11.2000 (II R 64/98)
BStBl. 2001 II S. 422 Im Rahmen des Fünfjahreszeitraums des § 1 Abs. 2 a GrEStG liegende Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die vor dem 1. Januar 1997 vorgenommen worden sind, dürfen gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht berücksichtigt werden. GrEStG i.d.F. des JStG 1997 § 1 Abs. 2a, § 23 Abs. 3. Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1999, 138) Sachverhalt I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Mit Vertrag vom 5. Dezember 1995 erwarb sie ein Grundstück, um - ihrem Gesellschaftszweck entsprechend - dort ein Gebäude zu errichten und dieses anschließend durch Vermietung und Verpachtung zu nutzen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages waren nur die beiden Gründungsgesellschafter an der Klägerin beteiligt; diese hatten sich zu Beiträgen von je 25.000 DM verpflichtet. Es war vorgesehen, so lange Gesellschafter aufzunehmen, bis eine Gesamtbeitragspflicht von 5.460.000 DM begründet war. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte sich die Beteiligung eines jeden Gesellschafters aus dem Verhältnis seiner Beitragspflicht zur Summe aller von den Gesellschaftern übernommenen Beitragspflichten ergeben. Bis zum 31. Dezember 1996 traten der Klägerin weitere Gesellschafter bei, so dass bis zu diesem Zeitpunkt Beitragspflichten in Höhe von 5.294.898 DM begründet worden waren, was einem Anteil von 96,975 v.H. bezogen auf die vorgesehene Summe der Beitragspflichten entsprach. Im Jahre 1997 trat der Klägerin ein weiterer Gesellschafter bei, der eine Beitragspflicht in Höhe von 165.150 DM übernahm und damit eine Beteiligung in Höhe von 3,025 v.H. erwarb. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) vertrat die Auffassung, dass sich der Gesellschafterbestand durch den Beitritt der neuen Gesellschafter innerhalb von fünf Jahren wesentlich geändert habe und deshalb gemäß § 1 Abs. 2 a des Grunderwerbsteuergesetzes in der vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049 -GrEStG-) ein auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft anzunehmen sei. Er setzte deshalb mit Bescheid vom 6. April 1998 Grunderwerbsteuer in Höhe von 554.969 DM fest. Zur Bemessungsgrundlage rechnete er die Summe der Beitragspflichten (5.460.000 DM) sowie die von der Klägerin aufgenommenen Grundschulden. In Höhe des Anteils der Gründungsgesellschafter an den Beitragspflichten ließ er die Steuer gemäß § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG unerhoben. Die von der Klägerin mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Grunderwerbsteuerbescheid mit der Begründung auf, vor dem 31. Dezember 1996 vorgenommene Anteilsübertragungen dürften gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht berücksichtigt werden. Das Urteil des FG ist auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 138 abgedruckt. Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 1 Abs. 2 a und § 23 Abs. 3 GrEStG. Es vertritt die Auffassung, für den zeitlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 a GrEStG sei gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG maßgeblich und ausreichend, dass, sofern die Übertragung der Anteile an der grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch mehrere Rechtsgeschäfte erfolge, das letzte auf Übertragung gerichtete Rechtsgeschäft nach dem 31. Dezember 1996 stattgefunden habe. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (Urteil vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 254 f.) zur Rückwirkung von Steuergesetzen erlaube es, in den Fällen des § 1 Abs. 2 a GrEStG die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens für die Zukunft zu verschärfen ("tatbestandliche Rückanknüpfung"). Hierfür sei von Bedeutung, dass die Regelung des § 1 Abs. 2 a GrEStG unter dem Aspekt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten sei, weil die Vorschrift es ermögliche, wirtschaftlich gleiche Vorgänge gleich zu besteuern und missbräuchliche Steuervermeidung zu verhindern. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie macht geltend, zur Rechtfertigung einer tatbestandlichen Rückanknüpfung könne nicht der Missbrauchsgedanke herangezogen werden. Denn der Bundesfinanzhof (BFH) habe mehrfach das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung beim Wechsel im Personenstand der Gesellschaft verneint. Allenfalls habe vor der Gesetzesänderung eine unerwünschte Rechtslage bestanden, die der Gesetzgeber habe ändern wollen. Im Übrigen bezieht sich die Klägerin auf ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 2 a i.V.m. § 23 Abs. 3 GrEStG. Entscheidungsgründe II. Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht in seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass vor dem 1. Januar 1997 erfolgte Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht berücksichtigt werden dürfen. 1. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich bei ihr innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich, gilt dies gemäß § 1 Abs. 2 a GrEStG als auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. a) Das FG ist davon ausgegangen, im Streitfall habe das Grundstück zum Vermögen der Klägerin gehört, weil diese es mit Kaufvertrag vom 5. Dezember 1995 erworben habe. Das FG hat nicht erörtert, ob § 1 Abs. 2 a GrEStG voraussetzt, dass in den Fällen, in denen sich der Gesellschafterbestand in mehreren Schritten (vollständig oder wesentlich) ändert, das Grundstück während des gesamten Zeitraums der Änderungen zum Vermögen der Personengesellschaft gehört haben muss. Demzufolge hat das FG nicht geprüft, ob das Grundstück aus dem Vermögen der Klägerin wieder ausgeschieden ist. Zu einer solchen Prüfung hätte an sich Anlass bestanden, weil sich aus dem Beteiligungsangebot und den allgemeinen Vertragsbedingungen ergibt, dass das Grundstück in das Eigentum einer Treuhänderin übergegangen ist und die Klägerin den für den Fall der Auflösung des Treuhandverhältnisses bestehenden Übereignungsanspruch an die kreditfinanzierende Bank abgetreten hatte. Der Senat kann diese Frage jedoch dahinstehen lassen, weil sich die Entscheidung des FG selbst dann als richtig erweist, wenn das Verbleiben des Grundstücks im Vermögen der Klägerin während des maßgeblichen Zeitraums unterstellt wird. b) Das FG ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die im Jahre 1996 vollzogenen Beitritte zur Klägerin bis zur Grenze von 96,975 v.H. der Anteile nicht zur Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 a GrEStG herangezogen werden können. aa) Dieses Ergebnis könnte allein deshalb zu bejahen sein, weil der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG (insbesondere Satz 3) mit Überschreiten der Grenze von 95 v.H. der Anteile bis zum Ende des Jahres 1996 und damit vor In-Kraft-Treten des Gesetzes vollständig erfüllt sein könnte. Als Folge dessen könnte sich ergeben, dass der im Jahre 1997 nach In-Kraft-Treten des Gesetzes erfolgte restliche Anteilserwerb bis zur Grenze von 100 v.H. nicht mit den Anteilserwerben des Jahres 1996 zu einem Tatbestand zusammengefasst werden könnte und deshalb als solcher, d.h. mit der Änderung im Gesellschafterbestand von nur 3,025 v.H. der Anteile, den § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht erfüllen könnte (vgl. dazu gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG vom 24. Juni 1998, BStBl I 1998, 925 Tz. 13, Beispiel 1, wonach die die Grenze von 95 v.H. übersteigenden Anteilsübertragungen noch zur Bemessungsgrundlage des zuvor erfüllten Tatbestands herangezogen werden sollen). Der Senat kann diese Frage unentschieden lassen. Selbst wenn die über die Grenze von 95 v.H. der Gesellschaftsanteile hinausgehenden Anteilsübertragungen und -erwerbe noch als Teil der Tatbestandserfüllung durch die bis zu dieser Grenze vorgenommenen Änderungen im Gesellschafterbestand angesehen werden müssen, ergibt sich für den Streitfall aus § 23 Abs. 3 GrEStG, dass die im Jahre 1996 erfolgten Anteilserwerbe bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht berücksichtigt werden dürfen. bb) Die Frage nach der Berücksichtigung von vor dem In-Kraft-Treten der Vorschrift vorgenommenen Änderungen im Gesellschafterbestand ergibt sich nicht aus einer gesetzlichen Übergangsvorschrift, die besondere Regelungen für einen Zeitraum nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes normiert. Anders als in der Begründung des Bundesrats zu seinem Gesetzesvorschlag zu § 1 Abs. 2 a GrEStG (BTDrucks 13/5359, Anl. 2, S. 116) vorgesehen, enthält das verabschiedete Gesetz keine Übergangsregelung. cc) Das Gesetz regelt in § 23 Abs. 3 GrEStG den zeitlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 a GrEStG. Danach ist die Vorschrift erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die die Voraussetzungen der Norm nach dem 31. Dezember 1996 erfüllen. Der in § 23 Abs. 3 GrEStG verwendete Begriff Rechtsgeschäft hat den gleichen Inhalt wie in § 1 Abs. 2 a GrEStG. Dies folgt zwingend aus dem engen Zusammenhang der beiden Vorschriften, d.h. der Funktion des § 23 Abs. 3 GrEStG als Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Steuertatbestands. dd) Gemäß § 1 Abs. 2 a GrEStG "gilt", wenn zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich bei ihr innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder wesentlich ändert, "dies als auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft". Die Vorschrift enthält demnach die Fiktion eines (auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichteten) Rechtsgeschäfts. Die Fiktion auslösende Grundlage kann ein einzelner Rechtsvorgang sein, der den Tatbestand erfüllt. Das fingierte Rechtsgeschäft kann aber auch aus einer Summe von Teilakten bestehen, die zusammen die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft ausmachen. Dies kann sich über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren hinziehen und in eine unbegrenzte Zahl von Teilakten zerfallen, die zusammen genommen tatbestandserfüllend sind und deren letzter die wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes endgültig herbeiführt. Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 2 a und damit auch des § 23 Abs. 3 GrEStG ist demnach nicht die letzte, zur Vollständigkeit oder Wesentlichkeit führende Veränderung im Gesellschafterbestand, sondern die Summe aller Rechtsakte, die die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes bedeuten. Dieser Beurteilung des Rechtsgeschäfts als eines umfassenden Rechtsvorgangs entspricht die Regelung der Bemessungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG. Danach gehören zur Gegenleistung sämtliche Leistungen für die Erlangung der Gesellschafterstellung. ee) Gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG ist § 1 Abs. 2 a GrEStG erstmals anwendbar auf Rechtsgeschäfte, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a nach dem 31. Dezember 1996 erfüllen. Da - wie vorstehend dargelegt - das Rechtsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift aus der Summe seiner Teilakte besteht, müssen alle Teilakte nach dem 31. Dezember 1996 erfüllt worden sein. Die Besteuerung darf demnach nicht an Änderungen des Gesellschafterbestandes anknüpfen, die vor dem 1. Januar 1997 vorgenommen worden sind. Die in den Erlassen vom 24. Juni 1998 (BStBl I 1998, 925 Tz. 5) vertretene gegenteilige Ansicht stellt keine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar. 2. Für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung des Senats sprechen auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte. Die sich nach der Ansicht der Finanzverwaltung aus § 23 Abs. 3 GrEStG ergebende nachträgliche Verschlechterung von Rechtspositionen würde einen einschneidenden Eingriff in die Erwartung der betroffenen Gesellschaften und Gesellschafter ergeben, dass der getätigte Anteilserwerb steuerfrei bleibe. Bei diesem Eingriff handelt es sich nicht nur um die Beseitigung einer begünstigenden Besteuerungsregel, sondern um die Schaffung eines gänzlich neuen Steuertatbestandes. Ein solcher Eingriff in Rechtspositionen bedarf einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Anordnung, unabhängig davon, ob diese Regelung als echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) oder als unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. z.B. Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 1547; vgl. BFH-Urteil vom 14. März 2000 X R 46/99, Der Betrieb 2000, 1054) zu beurteilen wäre. Vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) bedarf es besonderer Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Auch soweit die Rechtsfolgen eines Gesetzes zwar erst nach Verkündung der Norm eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung des Gesetzes verwirklicht worden sind, ist der Eingriff in Grundrechte der Betroffenen nur zulässig, wenn die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage überwiegen. In beiden Fällen gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die in die Vertrauensschutzpositionen eingreifenden Vorschriften in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so klar zu formulieren, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann. Dies spricht dagegen, der unklaren und auslegungsbedürftigen Vorschrift des § 23 Abs. 3 GrEStG den Norminhalt beizumessen, dass vor dem Stichtag liegende Veränderungen des Gesellschafterbestandes tatbestandserfüllend sind.
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