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BFH-Urteil vom 27.3.2001 (I R 42/99)
BStBl. 2001 II S. 477 Bei der Ermittlung des Zeitwerts eines Gebäudes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 DMBilG sind auch Wertminderungen wegen Zurückbleibens hinter dem technischen Fortschritt und wegen sonstiger Umstände zu berücksichtigen. Die Schätzung des Zeitwerts einschließlich der Wahl der dabei angewendeten Schätzmethode ist dem Bereich der Tatsachenfeststellung zuzuordnen, die dem Finanzgericht obliegt. Abweichungen von einer zugrunde gelegten anerkannten Schätzmethode bedürfen gleichwohl der Begründung. DBBilG § 7 Abs. 1 Sätze 1, 2, 4, Abs. 4, § 10 Abs. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2; HGB § 253 Abs. 2; EStG DDR § 4 Abs. 3; WertV 1972 §§ 15 ff.; WertV 1988 § 7, §§ 21 ff.; FGO § 118 Abs. 2. Vorinstanz: FG Berlin Sachverhalt I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Miteigentümer verschiedener im ehemaligen Ostteil von Berlin (u.a. im S) belegenen Mietwohn- und Garagengrundstücke sowie eines Werkstattgebäudegrundstücks. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1990 machten die Kläger für das zweite Halbjahr im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Mietwohngrundstücke Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 50.504 DM und für die Garagengrundstücke in Höhe von 10.661 DM geltend. Dabei gingen sie vom -von ihnen so bezeichneten- Zeitwert gemäß § 52, § 10 und § 7 des Gesetzes über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG) vom 28. Juli 1994 (BGBl I 1994, 1842, BStBl I 1994, 550) aus. Für die Grundstücke im S legten sie das Gutachten eines Bausachverständigen vom 10. Dezember 1991 zugrunde, der die Werte im Sachwertverfahren zum 31. Dezember 1991 ermittelt hatte. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) im Feststellungsbescheid 1990 nicht. Er setzte im Einspruchsverfahren auf der Grundlage des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21. Juli 1994 (BStBl I 1994, 599) eine AfA von insgesamt lediglich 20.460 DM an. Im Klageverfahren hat er die Zeitwerte einzelner Grundstücke der Kläger neu ermittelt mit der Folge des Ansatzes einer AfA von insgesamt 22.605 DM. Der Klage mit dem Antrag, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das zweite Halbjahr 1990 unter Berücksichtigung einer AfA in Höhe von insgesamt 54.713 DM festzustellen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Mit seiner Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Zwar ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden, soweit sie die AfA nach dem Zeitwert der Gebäude und Bauten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 2 DMBilG bemisst und dessen Ermittlung nach dem sog. Sachwertverfahren vornimmt. Die Entscheidungsgründe lassen jedoch nicht erkennen, ob das FG dabei neben der Wertminderung für die bisherige Nutzung auch Wertminderungen wegen Zurückbleibens der Gebäude hinter dem technischen Fortschritt oder aufgrund sonstiger Umstände berücksichtigt hat und ob die für das zweite Halbjahr 1990 angesetzte AfA insgesamt zutreffend ermittelt worden ist. 1. Für am 1. Juli 1990 im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ansässige Unternehmen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG DDR) vom 18. September 1970 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes DDR vom 6. März 1990 (Gesetzblatt der DDR -GBl DDR I, 136-) und des Steueranpassungsgesetzes vom 22. Juni 1990 (GBl DDR SDr Nr. 1427) ermitteln, gelten gemäß § 52 Abs. 1 DMBilG als Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter, die am 1. Juli 1990 Anlagevermögen gewesen sind, die sich aus entsprechender Anwendung der §§ 7 bis 11 und § 18 DMBilG ergebenden Werte. Entsprechendes gilt gemäß § 52 Abs. 2 DMBilG für Steuerpflichtige mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Gebäude und andere Bauten sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 DMBilG mit ihren Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten unter Berücksichtigung eines Wertabschlages für die zwischenzeitliche Nutzung, höchstens jedoch mit ihrem Zeitwert als dem Wert anzusetzen, "der ihnen beizulegen ist" (§ 7 Abs. 1 Satz 2 DMBilG). Im Sinne eines strengen Niederstwertprinzips ist der Ansatz eines unter den Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten liegenden Zeitwerts zwingend; Zwischenwerte sind nicht zulässig (vgl. Budde/Forster, D-Markbilanzgesetz 1990, § 7 Anm. 26; vgl. auch die amtliche Begründung zu § 7 DMBilG, abgedruckt ebendort nach Gesetzestext). Bei der Ermittlung des Zeitwertes sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 DMBilG die bisherige Nutzung der Vermögensgegenstände und ihr Zurückbleiben hinter dem technischen Fortschritt durch einen Wertabschlag zu berücksichtigen. Der Katalog dieser wertmindernden Faktoren ist allerdings nicht abschließend. Die Berücksichtigung weiterer wertmindernder Umstände (beispielsweise mangelnde Rentabilität) ist möglich und vor dem Hintergrund des strengen Niederstwertprinzips ebenfalls zwingend (Budde/Forster, a.a.O., Anm. 107). Diese Grundsätze gelten auch für die Bewertung von Gebäuden. Zwar enthält § 10 Abs. 1 Satz 1 eine Verweisung auf § 7 Abs. 4 DMBilG, wo ein Wertabschlag lediglich für die bisherige Nutzung in entsprechender Anwendung des § 253 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB), damit unter Zugrundelegung planmäßiger Abschreibungen vorgesehen ist. Diese Verweisung bezieht sich aber systematisch und nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich auf die Ermittlung der Wiederherstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten. Nicht hingegen gilt sie für die Ermittlung des Zeitwerts. Zwar verweist § 10 Abs. 1 Satz 1 DMBilG nicht auf § 7 Abs. 1 Satz 4 DMBilG. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch auf Gebäude ergibt sich aber aus dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 verwendeten Begriff des Zeitwerts, der in § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 4 DMBilG definiert ist. Ein Zurückbleiben hinter dem technischen Fortschritt ist als wertbildende Komponente dem zum Bewertungsstichtag "beizulegenden" Zeitwert im Sinne eines Niederstwerts immanent. Dies gilt auch für Gebäude, die wie andere Wirtschaftsgüter einen Zustand aufweisen können, der dem aktuellen bautechnischen Standard nicht mehr entspricht. Die Berücksichtigung derartiger wertbeeinflussender Umstände (wirtschaftliche Wertminderung infolge Überalterung) wird daher auch in § 18 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 15. August 1972 -WertV 1972- (BGBl I 1972, 1416), gleichermaßen in § 25 der Neufassung dieser Verordnung vom 6. Dezember 1988 -WertV 1988- (BGBl I 1988, 2209) gefordert. Auch § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB sieht "außerplanmäßige Abschreibungen" auf den niedrigeren "beizulegenden Wert" vor. Neben diesen Wertabschlägen sind gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 DMBilG bei der Ermittlung des Zeitwerts von Gebäuden auch unterlassene Instandhaltungen oder Großreparaturen zur Erhaltung wertmindernd zu berücksichtigen. 2. Im Rahmen dieser gesetzlichen Maßgaben ist die Schätzung des Zeitwerts dem Bereich der Tatsachenfeststellung zuzuordnen, die dem FG obliegt. Gleiches gilt für die Schätzmethode und die dabei zu berücksichtigenden wertbildenden Komponenten. An diese Tatsachenfeststellungen ist der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, soweit Denkgesetze und Erfahrungssätze nicht verletzt worden sind (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Anm. 23; BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 I R 91/98, BFHE 191, 33, BStBl II 2000, 381; vom 21. Oktober 1997 VIII R 18/96, BFH/NV 1998, 582; vom 27. März 1996 I R 3/95, BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470; vom 18. Mai 1993 VII R 44/92, BFHE 172, 190, m.w.N.). Letzteres kann der Fall sein, wenn das FG bei seiner Wertermittlung von anerkannten Schätzmethoden abweicht. Derartige Abweichungen bedürfen somit der Erläuterung durch das FG. 3. a) Nach diesen Grundsätzen war das FG befugt, den Zeitwert der Gebäude und Bauten auf der Grundlage des von den Klägern vorgelegten Sachverständigengutachtens nach dem sog. Sachwertverfahren zu ermitteln. Die Möglichkeit einer Wertbestimmung durch Sachverständigengutachten sieht auch das BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 599 vor. Das Sachwertverfahren ist (neben dem Vergleichs- und Ertragswertverfahren) ein in §§ 15 ff. WertV 1972 (§§ 7, 21 ff. WertV 1988) anerkanntes Verfahren zur Wertermittlung von Grundstücken (vgl. dazu auch die BFH-Urteile vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BStBl II 2001, 183, BFH/NV 2001, 514; vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252). Dabei sind ausgehend vom Herstellungswert zu Preisverhältnissen des Bewertungsstichtags (Wiederherstellungskosten) Wertminderungen wegen Alters, Baumängeln und sonstiger wertbeeinflussender Umstände zu berücksichtigen. Dies entspricht inhaltlich den Bewertungskriterien in § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 4, § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DMBilG. Da das vorgelegte Gutachten dem Sachwertverfahren folgt, steht seiner Berücksichtigung nicht entgegen, dass es ursprünglich zum Zwecke der Aufteilung der Werte der abnutzbaren Gebäude und Bauten und des Grund und Bodens erstellt worden ist. b) Auch die (wertende) Feststellung des FG, dass bei der Ermittlung der Wiederherstellungskosten für Gebäude, die im Ostteil Berlins belegen sind, der Baukostenindex für das ehemalige Gebiet von West-Berlin zugrunde gelegt werden kann, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG weist unwidersprochen darauf hin, dass zum Bewertungsstichtag ein Baupreisindex für Ost-Berlin noch nicht existierte und der vom FA bevorzugte Vergleich mit den Bauindices für das übrige Bundesgebiet nicht durch statistische Materialien oder Feststellungen belegt sei. U.a. wegen dennoch bestehender Unsicherheiten hat das FG den Preisindex für Berlin-West um 10 % ermäßigt angesetzt. Damit können auch Unsicherheiten berücksichtigt worden sein, die darin begründet liegen, dass das Gutachten der Ermittlung der Sachwerte der betroffenen Gebäude und Bauten zum 31. Dezember 1991 diente. Nicht zu beanstanden ist die Vorentscheidung auch insoweit, als das FG mit der Ermäßigung des anzusetzenden Baukostenindex um 10 % u.a. die Wertminderung für unterlassene Instandhaltungen oder Großreparaturen zur Erhaltung der Bausubstanz (§ 10 Abs. 1 Satz 2 DMBilG) mit berücksichtigt hat. Im Gutachten des Bausachverständigen wird zwar auf einige altersbedingte Mängel der Gebäude hingewiesen, gleichzeitig aber von ihrer soliden Bausubstanz in durchschnittlichem Unterhaltungszustand ausgegangen. Die vom FG so berücksichtigte wertmindernde Komponente "Reparaturstau" liegt daher jedenfalls im möglichen Rahmen. 4. a) Das FG hat von den Wiederherstellungskosten der Gebäude und Bauten dem Grunde nach zutreffend auch einen "Abschlag für Altersminderung" vorgenommen (Übersicht S. 11 der Vorentscheidung). Soweit es damit die bisherige Nutzung der Vermögensgegenstände berücksichtigt hat, war es nicht gehindert, unter Bezugnahme auf das Gutachten des Bausachverständigen die Tabelle in Anlage 6 zu den (in Ergänzung zur WertV vom zuständigen Bundesminister herausgegebenen) Richtlinien für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken (WertR) 1976 (Bundesanzeiger -BAnz- 1976 Nr. 146, ebenso Tabelle 6 zu den WertR 1991, BAnz 1991 Beilage 182a) zugrunde zu legen. Eine Ersetzung der dort enthaltenen mit Zeitablauf progressiven Abschläge durch eine lineare Verteilung ist nicht zwingend. b) Indessen lässt die Vorentscheidung nicht erkennen, ob das FG bei seiner Ermittlung des "Abschlags für Altersminderung" auch eine Wertminderung wegen des Zurückbleibens hinter dem technischen Fortschritt oder aufgrund sonstiger Umstände berücksichtigt hat. Die Tabelle 6 zu den WertR 1976 und 1991 dient -wie sich aus § 17 WertV 1972 und 3.5.2.3 WertR 1976, gleichermaßen aus § 23 WertV 1988 und 3.6.3.1 WertR 1991 ergibt- lediglich der Berücksichtigung einer technischen Wertminderung (wegen Alters), die sich nach der bisherigen Nutzungsdauer bestimmt; diese entspricht der Wertminderung für die bisherige Nutzung i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 4 DMBilG. Die zusätzliche Berücksichtigung von Abschlägen für das Zurückbleiben hinter dem technischen Fortschritt oder aufgrund sonstiger Umstände gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 DMBilG ist, wie ausgeführt wurde, zwingend und auch in 3.5.2.4 WertR 1976 und 3.6.5.1 WertR 1991 als Bestandteil des dort geregelten Sachwertverfahrens vorgesehen. Eine Abweichung davon hätte daher jedenfalls der Begründung durch das FG bedurft. 5. Weiterhin lässt die Vorentscheidung nicht hinreichend erkennen, ob die AfA-Sätze für die jeweiligen Gebäude und Bauten zutreffend angesetzt worden sind. Der Berechnung (Übersicht S. 11 der Vorentscheidung) ist zwar zu entnehmen, dass das FG die AfA-Sätze grundsätzlich nach der voraussichtlichen Restnutzungsdauer laut Gutachten des Bausachverständigen bemessen hat. Dabei ergeben sich aber Widersprüche etwa bei den Gebäuden insoweit, als das FG dort wie bei den Gebäuden X eine AfA von 1/39 des von ihm ermittelten Zeitwertes angesetzt hat. Diese Gebäude wiesen zum Stichtag laut Gutachten aber nicht wie jene ein Alter von 61, sondern lediglich von 52 Jahren auf, was unter Zugrundelegung einer Gesamtnutzungsdauer von 100 Jahren zu einer restlichen Nutzungsdauer von 48 Jahren und damit einem AfA-Satz von 1/48 hätte führen müssen. 6. Im zweiten Rechtsgang wird das FG daher festzustellen haben, ob bei der Bewertung der streitbefangenen Gebäude und Bauten, deren Zeitwert zum 1. Juli 1990 nach dem Sachwertverfahren ermittelt worden ist, eine Wertminderung wegen des Zurückbleibens hinter dem technischen Fortschritt oder aufgrund anderer Umstände festzustellen und gegebenenfalls zu berücksichtigen ist. Zudem wird es die von ihm angesetzten AfA-Sätze zu überprüfen und gegebenenfalls zu berichtigen haben.
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