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  BFH-Beschluss vom 20.12.2000 (IX B 78/00) BStBl. 2001 II S. 479

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ist ernstlich zweifelhaft, ob Erstjahr i.S. von § 5 EigZulG das Jahr ist, in dem ein Antragsteller alle Fördervoraussetzungen erfüllt, oder dasjenige Jahr des achtjährigen Förderzeitraums, ab dem erstmals der Gesamtbetrag der Einkünfte den maßgebenden Grenzwert nicht überschreitet.

EigZulG § 5; FGO § 69.

Vorinstanz: FG München (EFG 2000, 664)

Sachverhalt

I.

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erwarben im November 1997 ein Haus, das sie im April des Streitjahres 1998 bezogen. Sie beantragten beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) die Gewährung von Eigenheimzulage. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Antragsteller, der in den Jahren 1996/1997 unter (für beide Jahre insgesamt) 480.000 DM gelegen hatte, in den Jahren 1997/1998 diese in § 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) genannte Grenze überschritt, änderte das FA die ursprüngliche Festsetzung der Eigenheimzulage für die Jahre 1998 bis 2004 mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 und setzte diese jeweils auf Null DM fest. Die sich hieraus für die Streitjahre 1998 und 1999 ergebende Rückforderung an Eigenheimzulage verrechnete das FA mit einem den Antragstellern zustehenden Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer 1998.

Die Antragsteller haben gegen den Änderungsbescheid vom 1. Dezember 1999 Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Die Antragsteller haben ferner - nachdem das FA einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte - beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des zuvor genannten Bescheides bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung beantragt. Das FG hat dem Antrag mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 664 veröffentlichten Beschluss stattgegeben.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abzuweisen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Handelt es sich - wie im Streitfall - nicht um einen Steuerbescheid, kann das Gericht der Hauptsache auch die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollzogen ist, und zwar ohne die Beschränkung durch § 69 Abs. 2 Satz 8 erster Halbsatz FGO (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 570). Ernstliche Zweifel liegen nach der ständigen Rechtsprechung vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. September 1994 IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl II 1995, 778; vom 20. Dezember 1994 VIII B 143/94, BFHE 176, 263, BStBl II 1995, 262, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen. So hat sich der BFH u.a. dann für eine Aussetzung der Vollziehung ausgesprochen, wenn die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum bzw. der Rechtsprechung der FG unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Beantwortung von Zweifelsfragen bestehen (z.B. BFH-Beschluss vom 25. August 1998 II B 25/98, BFHE 187, 47, BStBl II 1998, 674, m.w.N.).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das FG zutreffend von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ausgegangen. Nach § 5 Satz 1 und 2 EigZulG (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) können zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten die Eigenheimzulage unter weiteren, im vorliegenden Verfahren nicht streitigen Voraussetzungen ab dem Jahr in Anspruch nehmen (Erstjahr), in dem der Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes des Erstjahrs zuzüglich des Gesamtbetrages der Einkünfte des vorangegangenen Jahres (Vorjahr) 480.000 DM nicht übersteigt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Antragsteller i.S. von § 5 EigZulG lag nur im Streitjahr 1998 (Jahr des Einzugs in das Haus) und in dem (hierbei noch) zu berücksichtigenden Vorjahr 1997 (insgesamt) über 480.000 DM; dagegen nicht beim Abstellen auf das Erstjahr des Förderzeitraums (1997) und das dabei zu berücksichtigende Vorjahr 1996. Die im Bescheid des FA vom 1. Dezember 1999 wegen Überschreitung der Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG ausgesprochene Versagung der Eigenheimzulage kann damit nur Bestand haben, wenn als Erstjahr i.S. von § 5 EigZulG das Jahr anzusehen ist, in dem die Antragsteller ihr Haus bezogen und erstmals alle Fördervoraussetzungen erfüllt haben. Gegen diese von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Februar 1998 IV B 3 -EZ 1010- 11/98, BStBl I 1998, 190, Rz. 28; ebenso z.B. Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 5 EigZulG Rz. 6; Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 5 EigZulG Anm. 5; Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl., Abschn. XXI. 6.1; Risthaus, Eigenheimzulagengesetz und Anwendungserlass, 1998, § 5 EigZulG Tz. 3) wird in Rechtsprechung (FG Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2000 III 156/1999, EFG 2000, 1299) und Schrifttum (Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 2. Aufl., § 5 Rz. 30, 31; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 EigZulG Rz. 11; Brandenberg/Küster, Die Eigenheimzulage, 1998, Rz. 180) jedoch eingewandt, der im Gesetz nicht näher erläuterte Begriff "Erstjahr" i.S. des § 5 EigZulG sei dahin zu verstehen, dass er dasjenige Jahr des achtjährigen Förderzeitraums bezeichne, ab dem erstmals der Gesamtbetrag der Einkünfte den maßgebenden Grenzwert nicht überschreite (vgl. dazu insbesondere Wacker, a.a.O.). Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung kann keiner der einander widersprechenden Rechtsauffassungen derartig eindeutig der Vorzug gegeben werden, dass das gegenteilige Ergebnis als nicht vertretbar erschiene. Diese Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage rechtfertigt jedenfalls die vom FG ausgesprochene Aufhebung der Vollziehung.