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  BFH-Urteil vom 2.10.2001 (IX R 45/99) BStBl. 2002 II S. 10

Wirkt bei einem notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück innerhalb der zweijährigen Spekulationsfrist auf der Käuferseite ein vollmachtloser Vertreter mit und genehmigt der Käufer das Rechtsgeschäft außerhalb der Spekulationsfrist, so ist das private Veräußerungsgeschäft nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Die Genehmigung wirkt steuerrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück.

EStG 1990 § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 22 Nr. 2; BGB § 184 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 2000, 126)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb am 2. Juli 1992 eine Eigentumswohnung für 105.000 DM. Mit notariellem Vertrag vom 7. Juni 1994 veräußerte sie ihre Wohnung für 165.000 DM. Die Erwerber traten in der Beurkundungsverhandlung nicht persönlich auf, sondern wurden vollmachtlos durch eine Notariatsangestellte vertreten. Sie genehmigten den Vertrag mit notariell beurkundeter Erklärung am 8. Juli 1994. An der Rückwirkung ihrer Genehmigungserklärung waren sie wegen der vereinbarten Übergabe der Wohnung, die erst am 15. Juli 1994 stattfinden sollte, nicht interessiert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfuhr von dem Verkauf der Eigentumswohnung, nachdem die Kläger wegen anderer, hier nicht mehr streitiger Werbungskosten gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1994) Einspruch eingelegt hatten. Nach entsprechender Ankündigung erfasste das FA den aus dem Veräußerungsgeschäft entstandenen Gewinn von 51.870 DM in der Einspruchsentscheidung.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 126 veröffentlichten Urteil maßgeblich auf den Zeitpunkt der Genehmigung (8. Juli 1994) ab und folgte in seinen Ausführungen dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Juli 1985 6 K 88/84 (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1986, 126).

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA geltend macht, die zivilrechtliche Rückwirkung der Genehmigung sei im vorliegenden Fall einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Hierzu verweist es auf das Urteil des FG Berlin vom 16. Oktober 1973 V 68/73 (EFG 1974, 203).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG ein Spekulationsgeschäft abgelehnt.

1. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung liegen u.a. bei Grundstücken Spekulationsgeschäfte vor, die zu sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG) führen, wenn es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt.

a) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687, m.w.N., und vom 22. November 1963 VI 120/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 157). Ob allerdings nur ein zivilrechtlich wirksames Verpflichtungsgeschäft die Fristberechnung beeinflusst, hat die Rechtsprechung bislang noch nicht einheitlich entschieden (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1971 VIII R 84/71, BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452; vgl. Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 23 Rdnr. B 64). Dies gilt auch für die im Streitfall bedeutsame Frage, ob bei einem schwebend unwirksamen - genehmigungsbedürftigen - Rechtsgeschäft auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (so FG Berlin in EFG 1974, 203; Crezelius, a.a.O., § 23 Rdnr. 65; einschränkend Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 23 EStG Anm. 44) oder auf den Zeitpunkt der (rückwirkenden) Genehmigung abzustellen ist (FG Rheinland-Pfalz in DStZ 1986, 126; Warnke in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 23 Anm. 284; offen Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 23 EStG Rz. 136, m.w.N.; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 23 EStG Rn. 106).

b) Der Senat hält die gemäß § 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestimmte Rückwirkung für die Berechnung der Spekulationsfrist für unbeachtlich; er stellt auf den Zeitpunkt der Genehmigung und nicht auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wirksamkeit ab.

aa) Bereits bürgerlich-rechtlich wirkt die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB nur dann auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Der Rückwirkung liegt damit der Gedanke zugrunde, dass die Geschäftspartner das von der Genehmigung abhängige Vertragsverhältnis regelmäßig in dieser Weise haben vereinbaren wollen (vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., 1997, § 51 Rz. 22). Steht damit die Rechtsfolge zur Disposition der Vertragsparteien, so kann sich - worauf die Kläger zutreffend hinweisen - eine abweichende Bestimmung aus der Sache ergeben und wie eine aufschiebende Bedingung wirken (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. September 1989 V ZR 1/88, BGHZ 108, 380, 384; Schramm in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKommBGB -, 4. Aufl., § 184 Rdnr. 27). Es spricht vieles dafür, eine von der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge abweichende Bestimmung in diesem Sinne bereits dann anzunehmen, wenn die Vertragspartner übereinstimmend und nicht zuletzt aus steuerlichen Erwägungen an einer Rückwirkung der Genehmigung nicht interessiert sind. Der Senat kann aber offen lassen, ob nach den vom FG festgestellten Tatsachen ein derartiger Fall hier vorliegt. Denn selbst dann, wenn sich die Parteien nicht in einer solchen Weise verständigt haben, tritt die Rückwirkung des § 184 Abs. 1 BGB auch bürgerlich-rechtlich nicht in allen Fällen ein. Durch die Rückwirkung gelten nur die Rechtsfolgen, die gelten würden, wenn das genehmigte Geschäft von Anfang an wirksam gewesen wäre. Diese Fiktion gestaltet aber keinen in die Vergangenheit wirkenden Kausalprozess, denn der Zeitablauf ist unumkehrbar. Vor der Genehmigung sind vertraglich begründete Ansprüche noch nicht als aktuelle Ansprüche entstanden und können deshalb noch nicht geltend gemacht werden. Aufgrund dieser Erwägung ist die Rückwirkung nach dem Normzweck einzuschränken: Sie hat z.B. keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist (einhellige Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl. 2001, § 184 Rz. 2, m.w.N.; vgl. auch BGH-Urteil vom 10. Mai 1995 VIII ZR 264/94, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, 2290 f. zum Fristbeginn nach dem Verbraucherkreditgesetz).

bb) Mit dieser zivilrechtlichen Betrachtungsweise stimmt es überein, die Rückwirkung des § 184 Abs. 1 BGB steuerrechtlich nicht in die Spekulationsfristberechnung einzubeziehen, so dass diese Frist abgelaufen ist, wenn die Genehmigung erst nach Ablauf von zwei Jahren erteilt wird (vgl. zur Rückwirkung allgemein die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 1/92, BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894, und GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Frühestens vom Zeitpunkt der Genehmigung an können tatsächlich und rechtlich alle Folgerungen aus dem bisher schwebend unwirksamen Vertrag gezogen werden. Zur Zeit des notariellen Vertrages liegt noch keine für die Übertragung des Grundstücks notwendige wirksame Willenserklärung des Käufers vor. Unter Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen (BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614). Entsprechend dem Normzweck, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH-Urteile in BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, und vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135), kann von einer Verwirklichung des Grundstückswerts nur gesprochen werden, wenn jedenfalls beide Vertragserklärungen innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben worden sind.

Zwar hat der BFH auch ein rechtlich bindendes Verkaufsangebot als Veräußerung i.S. des § 23 EStG gewertet. Dies geschah indes in Fällen, in denen mit dem Angebot der Verkauf durch den Übergang von Besitz, Gefahr sowie Nutzungen und Lasten wirtschaftlich bereits vollzogen war (vgl. BFH-Urteile vom 23. September 1966 VI 147/65, BFHE 87, 140, BStBl III 1967, 73; vom 7. August 1970 VI R 166/67, BFHE 100, 93, 97, BStBl II 1970, 806; in BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452). Ist aber - wie im Streitfall - bei Abgabe des Verkaufsangebots die Gefahr noch nicht übergegangen und hat der Verkäufer dem Käufer noch kein wirtschaftliches Eigentum verschafft, so müssen beide Vertragserklärungen innerhalb der Frist abgegeben werden. Steht eine Genehmigung des Käufers nach § 184 Abs. 1 BGB noch aus, so fehlt es hieran und es ist innerhalb der Spekulationsfrist noch offen, ob es überhaupt zu einer Veräußerung kommt. Der Senat kann unerörtert lassen, ob anders zu entscheiden wäre, wenn eine für den Eintritt der Wirksamkeit erforderliche Genehmigung eines Dritten, der am Vertrag selbst nicht beteiligt ist, noch fehlt (vgl. hierzu Jansen, a.a.O., § 23 EStG Anm. 44; Blümich/Glenk, a.a.O., § 23 EStG Rz. 137). Jedenfalls muss der Vertragsabschluss innerhalb der Spekulationsfrist für beide Parteien bindend sein. Dem entspricht der für das Steuerrecht im Vordergrund stehende Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit) der Besteuerung: Nur ein verwirklichter Tatbestand darf nach bestimmten Zeitabschnitten zugrunde gelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. im hier bedeutsamen Zusammenhang BFH-Beschluss vom 5. März 1981 IV R 150/76, BFHE 132, 563, BStBl II 1981, 435).

cc) Mit seiner Auffassung, die nach § 184 Abs. 1 BGB geregelte Rückwirkung nicht in die Berechnung der Spekulationsfrist einzubeziehen, steht der Senat nicht im Widerspruch zu anderen Entscheidungen des BFH. Mit der Frage der steuerlichen Anerkennung bürgerlich-rechtlich angeordneter Rückwirkungen hat sich der BFH vornehmlich im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften unter nahen Angehörigen (minderjährigen Kindern; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23. April 1992 IV R 46/91, BFHE 168, 140, BStBl II 1992, 1024; vom 13. Mai 1980 VIII R 75/79, BFHE 131, 208, BStBl II 1981, 297; vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319, BStBl II 1992, 506) sowie mit beherrschenden Gesellschaftern (z.B. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35 : rückwirkende Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach Abschluss von In-Sich-Geschäften) auseinandergesetzt und hat dort die zivilrechtliche Rückwirkungsfiktion der Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert. Abgesehen davon, dass es in diesen Entscheidungen regelmäßig um die Zustimmung dritter, am eigentlichen Vertrag nicht beteiligter Personen ging, fehlte in keinem Fall die eigentliche vertragliche Vereinbarung im Zuwendungszeitpunkt (so BFH in BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35). Der Streitfall betrifft die Problematik der tatbestandlichen Erfüllung des § 23 EStG und damit nicht - wie die Rechtsprechung zu den Anforderungen an Verträge zwischen nahestehenden Personen oder beherrschenden Gesellschaftern - die Frage der Abgrenzung der Einkünfteerzielung von der Einkünfteverwendung zu privaten oder gesellschaftlich veranlassten Zwecken.

2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat zutreffend auf den Zeitpunkt der Genehmigung abgestellt. Als die Erwerber den Kaufvertrag mit notarieller Erklärung vom 8. Juli 1994 genehmigten, war die zweijährige Spekulationsfrist, die mit dem Abschluss des Kaufvertrages vom 2. Juli 1992 begann, bereits abgelaufen. Ein Steueranspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG konnte nicht mehr entstehen.