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  BFH-Urteil vom 29.11.2001 (IV R 65/00) BStBl. 2002 II S. 149

Übt ein in Niedersachsen ausgebildeter und nach dortigem Landesrecht anerkannter medizinischer Fußpfleger seine Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen aus, das entsprechende Bestimmungen nicht kennt, so ist der Fußpfleger - jedenfalls mangels einer Überwachung durch die staatlichen Gesundheitsämter - gewerblich tätig.

EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 2000, 1334)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte Anfang der 80er Jahre einen zweijährigen Studiengang an der Bundesberufsfachschule für medizinische Fußpflege des Zentralverbandes der Fußpfleger Deutschland e.V. und schloss die Ausbildung mit einer Prüfung vor einem Prüfungsausschuss mit dem Titel des medizinischen Fußpflegers ab. Im Jahr 1985 wurde er von der Bezirksregierung X (Niedersachsen) als medizinischer Fußpfleger staatlich anerkannt.

In den Streitjahren (1986 bis 1991) war der Kläger in S (Nordrhein-Westfalen) u.a. als medizinischer Fußpfleger tätig. Ca. 50 % der Fußbehandlungen beruhten auf ärztlichen Verordnungen mit einer entsprechenden Überweisung. Die daraus resultierenden Kosten wurden den Patienten auf deren Antrag hin von den Krankenkassen z.T. erstattet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Einkünfte aus der Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger zunächst erklärungsgemäß als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Aufgrund einer im Jahre 1992 durchgeführten Außenprüfung ging das FA dann jedoch von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers aus und erließ für die Jahre 1986 bis 1991 Gewerbesteuermessbescheide.

Einspruch und Klage gegen diese Gewerbesteuermessbescheide hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1334 veröffentlicht.

Der Kläger rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei unrichtig ausgelegt worden. Als staatlich anerkannter medizinischer Fußpfleger übe er, der Kläger, eine "ähnliche" heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus und habe daher in den Streitjahren keinen gewerbesteuerpflichtigen Betrieb unterhalten. Die Tätigkeit als staatlich anerkannter medizinischer Fußpfleger sei mit der Tätigkeit eines Heilpraktikers oder Krankengymnasten vergleichbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werde zur Bestimmung der Vergleichbarkeit auf die behördliche Erlaubnis und die Überwachung durch die Gesundheitsämter abgestellt (Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Diese Kriterien seien aber für die Bestimmung der beruflichen Qualifikation als medizinischer Fußpfleger nicht geeignet. Dies folge insbesondere aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92 (BStBl II 2000, 158). Danach verbiete das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine allein nach der Existenz berufsrechtlicher Regelungen unterscheidende Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Auffassung werde durch den Beschluss des BVerfG vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90 (BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155) bestätigt. Erkennbarer Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG sei allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Es stelle sich die Frage, weshalb die Sozialversicherungsträger bei derselben Berufsgruppe - medizinische Fußpfleger - mittelbar mit Gewerbesteuer zu belasten seien. § 4 Nr. 14 UStG diene der Entlastung des Endverbrauchers. Gleiches müsse für die Gewerbesteuer gelten. Da in § 4 Nr. 14 UStG auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG verwiesen werde, dürfe ertragsteuerlich nichts anderes gelten.

Die behördliche Erlaubnis und die Überwachung durch die Gesundheitsämter seien auch deshalb keine geeigneten Kriterien, weil sonst ein in Niedersachsen staatlich anerkannter medizinischer Fußpfleger dort Einkünfte aus selbständiger Arbeit erziele, nach einem Umzug nach Nordrhein-Westfalen aber als Gewerbetreibender zu qualifizieren sei. Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen gebe es in Niedersachsen nämlich gesetzliche Bestimmungen, die die Zulassung und Überwachung durch die Gesundheitsämter für medizinische Fußpfleger regelten. Eine steuerliche Qualifikation der Einkünfte dürfe aber nicht von Zufälligkeiten abhängig gemacht werden und es dürfe keine Rolle spielen, in welchem Bundesland der medizinische Fußpfleger seine Tätigkeit ausübe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung des FG, die Einspruchsentscheidung und die Gewerbesteuermessbescheide 1986 bis 1991 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1986 bis 1991 sind rechtmäßig. Das FG hat zu Recht die Tätigkeit des medizinischen Fußpflegers als gewerbliche Tätigkeit und nicht als selbständige Arbeit qualifiziert.

1. Die Tätigkeit eines medizinischen Fußpflegers ist keine einem Katalogberuf ähnliche freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Ein ähnlicher Beruf liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 14. November 2000 IV B 156/99, BFH/NV 2001, 593, sowie Senatsurteil vom 18. Mai 2000 IV R 89/99, BFHE 191, 568, BStBl II 2000, 625, jeweils m.w.N.). Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so qualifizierte Arbeit den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben (Senatsurteile vom 7. September 1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359, und vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BFHE 158, 409, BStBl II 1990, 73; vgl. auch BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518). Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist (Senatsurteil vom 5. Juni 1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681).

Dem FG ist danach zuzustimmen, dass der Kläger in den Streitjahren mit seiner Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger keine den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten Katalogberufen des Heilpraktikers oder Krankengymnasten ähnliche Tätigkeit ausgeübt hat. Das Berufsbild des medizinischen Fußpflegers entspricht nicht den typischen und wesentlichen Berufsmerkmalen dieser Katalogberufe. Denn es fehlt an der notwendigen staatlichen Erlaubnis und der damit verbundenen Überwachung durch die Gesundheitsämter (s. dazu BFH-Urteil in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Nach § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes - HeilprG - (RGBl I 1939, 251) ist zur Ausübung der Tätigkeit als Heilpraktiker eine Erlaubnis erforderlich. Gleiches gilt gemäß §§ 16 Abs. 1 i.V.m. 1 Nr. 2 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes - MPhG - (BGBl I 1994, 1084) zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankengymnast" (neuerdings: "Physiotherapeut"). Die Ausübung dieser Heilberufe wird von den staatlichen Versorgungsämtern überwacht. Der Kläger hingegen konnte in den Streitjahren seine Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger in S ohne staatliche Erlaubnis ausführen; eine Überwachung durch die zuständigen Gesundheitsämter fand nicht statt, da der Beruf des medizinischen Fußpflegers in Nordrhein-Westfalen gesetzlich nicht geregelt ist. Vielmehr war es dem Kläger möglich, die Berufsbezeichnung "medizinischer Fußpfleger" zu führen und seiner Tätigkeit nachzugehen, ohne dass er bestimmte gesetzliche Vorgaben zu erfüllen hatte. So musste der Kläger zum Beispiel keine genau umschriebene Vorbildung vorweisen. Im Gegensatz dazu muss ein Heilpraktiker oder ein Krankengymnast eine gesetzlich vorgegebene Ausbildung absolviert haben (vgl. für den Physiotherapeuten §§ 8 und 9 MPhG).

2. Die Ausbildung, die der Kläger in Niedersachsen absolvierte, und die staatliche Anerkennung als medizinischer Fußpfleger durch die Bezirksregierung X ändern an diesem Ergebnis nichts. Die konkret ausgeübte Tätigkeit des Klägers als medizinischer Fußpfleger entspricht nicht dem Berufsbild eines Heilpraktikers oder Krankengymnasten, da der Kläger jedenfalls in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu einem Heilpraktiker oder Krankengymnasten seinen Beruf unabhängig von einer staatlichen Anerkennung und einer speziellen Ausbildung sowie einer (späteren) Überwachung durch die Gesundheitsämter ausüben konnte und noch kann. Eine Ähnlichkeit des medizinischen Fußpflegers mit den genannten Katalogberufen scheidet ungeachtet der niedersächsischen Berufszulassungsregeln (s. Runderlass des Niedersächsischen Sozialministers über die staatliche Anerkennung von Medizinischen Fußpflegern vom 21. Februar 1983 - 402 - 41 099/11, Niedersächsisches Ministerialblatt 1983, 266) aus. Dabei kann der Senat offen lassen, ob eine zufrieden stellende Beurteilung nur möglich ist, wenn der Gesetzgeber bundeseinheitliche Voraussetzungen geschaffen hat. Ebenso kann offen bleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn der Kläger in Niedersachsen nicht nur seine Anerkennung nach Landesrecht erhalten hätte, sondern dort auch tätig wäre und darüber hinaus der erforderlichen Überwachung unterläge. Im Streitfall fehlt es jedenfalls - schon durch seinen Wegzug in ein Bundesland, das keine entsprechenden Vorgaben für die Ausübung des Berufs eines medizinischen Fußpflegers kennt - an der erforderlichen Überwachung der Tätigkeit des Klägers durch die Gesundheitsämter.

3. An der Einstufung des medizinischen Fußpflegers als Gewerbetreibenden ändert auch das geplante Gesetz über den Beruf der Podologin und des Podologen (Podologengesetz - PodG -) nichts. Laut Gesetzesentwurf der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Drucksache 14/5593) soll der Beruf der Podologin und des Podologen, deren bzw. dessen Tätigkeitsbereich die medizinische Fußpflege umfasst, bundeseinheitlich geregelt werden. Dieser Gesetzentwurf kann jedoch nicht herangezogen werden, da es sich im Streitfall um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt, für den das neue Gesetz keine Geltung haben würde.

4. Schließlich ergibt sich eine Ähnlichkeit der Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger mit den Katalogberufen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht aus der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG. Das BVerfG hat in zwei Beschlüssen (in BStBl II 2000, 158 bez. eines medizinischen Fußpflegers, und in BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155 bez. eines Heileurythmisten) entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht allein wegen Fehlens einer berufsrechtlichen Regelung versagt werden könne. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht auf die Einkommensteuer/Gewerbesteuer übertragbar (erkennender Senat, Beschluss vom 13. Dezember 1999 IV B 68/99, BFH/NV 2000, 705; BFH-Urteil vom 2. Februar 2000 XI R 38/98, BFH/NV 2000, 839, die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen - BVerFG-Beschluss vom 15. März 2000 1 BvR 742/00 -; Schmidt / Wacker, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2001, § 18 Rz. 130). Das BVerfG stellt in den o.g. Entscheidungen auf den erkennbaren Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG ab, der allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer beinhaltet (vgl. auch Weymüller, in: Sölch / Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar [Stand: 1. April 2001], § 4 Nr. 14 Rz. 1; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, 3. Aufl. 1998, II Rz. 457 [Stand: August 2001]; Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes, zu BTDrucks V/1581, S. 5, 12). Diese speziell für die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer konzipierte Regelung spielt aber bei der Einkommensteuer keine Rolle (erkennender Senat in BFH/NV 2000, 705), da § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG von einem anderen Normzweck ausgeht. Eine Entlastung der Sozialversicherungsträger wird dadurch nicht verfolgt. Durch die Schaffung der freien Berufe wollte der Gesetzgeber einzelne Berufsgruppen steuerlich anders behandeln, wie z.B. von der Gewerbesteuerpflicht ausnehmen. Diese Bevorzugung der freien Berufe im Gegensatz zu den Gewerbetreibenden ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere konnte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass die freiberuflich Schaffenden insgesamt gesehen zum Erwerb ihrer hohen und breit angelegten Qualifikation eine längere Ausbildungszeit auf sich nehmen mussten und in dieser Zeit zumeist keine Einkünfte hatten (BVerFG-Beschluss vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224, BStBl II 1978, 125, 129; bestätigt zuletzt durch BVerFG-Beschluss vom 14. Februar 2001 2 BvR 460/93, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2001, 1853; vgl. auch BFH-Urteil vom 7. September 1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359).

An der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer als solche bestehen ebenfalls keine Bedenken. Bei der Erschließung der Steuerquellen wird dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt (BVerFG-Beschluss vom 17. November 1998 1 BvL 10/98, BStBl II 1999, 509, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Eine Gleichstellung einer Tätigkeit mit den Katalogberufen kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Berufsbild der zu vergleichenden Tätigkeit mit den oben ausgeführten Grundsätzen zu vereinbaren ist und die Tätigkeit dem Wesen eines oder mehrerer Katalogberufe so nahe ist, dass die Nichtanerkennung sachlich nicht zu rechtfertigen wäre (BVerfG in BVerfGE 46, 224). Sachlich rechtfertigender Grund für die Privilegierung der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgenommenen Heil- und Heilhilfsberufe ist die Sicherung einer fachgerechten Berufsausübung (BFH-Urteil in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Wie bereits oben ausgeführt (vgl. Punkt 1. und 2.) wird dies durch eine staatliche Erlaubnis und eine Überwachung durch die Gesundheitsämter gewährleistet. Da die Tätigkeit als medizinischer Fußpfleger diesen Kriterien - jedenfalls in ihrer Kombination - gerade nicht genügt, ist es sachlich gerechtfertigt, den Beruf des Klägers nicht mit den Katalogberufen gleichzustellen.