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  BFH-Urteil vom 8.8.2001 (I R 29/00) BStBl. 2002 II S. 392

1. Unter der Zuführung neuen Betriebsvermögens i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 ist nur die Zuführung neuen Aktivvermögens zu verstehen (Bestätigung des Senatsurteils vom 13. August 1997 I R 89/96, BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829).

2. Um neues Betriebsvermögen in diesem Sinne handelt es sich nicht nur dann, wenn das neue Aktivvermögen unter Verrechnung von Zugängen und Abgängen im betragsmäßigen Saldo höher als das ursprüngliche Aktivvermögen ist, sondern auch dann, wenn die Neuzuführungen den Bestand des vor der Zuführung vorhandenen Restaktivvermögens übersteigen.

3. Die Übernahme von Bürgschaften und die Einräumung von Sicherheiten für Bankkredite kann der Zuführung neuen Aktivvermögens wirtschaftlich vergleichbar sein.

KStG § 8 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 2000, 587)

Sachverhalt

A.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahre 1964 gegründet. Das Stammkapital betrug im Streitjahr 1993 2 Mio. DM. Es wurde seit dem 5. Oktober 1990 von einer Schweizer Aktiengesellschaft, der L-S.A., gehalten.

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin umfasste zunächst den Import, Export und Handel mit Textilien, überwiegend mit Baumwoll- und Mischgeweben, roh und ausgerüstet, sowie mit Oberbekleidung als Fertigwaren. Zum 20. Juni 1991 wurde das eigene inländische Lager aufgelöst und die Fertigwarenabteilung eingestellt. Ab diesem Zeitpunkt handelte die Klägerin nur noch mit Rohgeweben. Sie bezog ihre Waren bis 1990 durch Einkäufer der L-S.A. Diese Einkäufer schlossen im Namen der Klägerin Einkaufskontrakte ab. Die L-S.A. eröffnete die notwendigen Akkreditive und leistete nach den Lieferungen der eingekauften Waren die fälligen Zahlungen. Sie stellte der Klägerin die entsprechenden Beträge in Rechnung und forderte eine Einkaufsprovision in Höhe von 2,5 v.H. Ab 1991 bezog die Klägerin die Waren von der L-S.A. im direkten Rechnungsverkehr.

Mit notariellem Vertrag vom 14. Juni 1993 verkaufte die L-S.A. ihre Gesellschaftsanteile an der Klägerin an die inländische A-GmbH. Der Kaufpreis sollte 50.000 DM für den Goodwill des Namens "L", einen Betrag in Höhe des Kapitals der zum 14. Juni 1993 aufzustellenden Bilanz der Klägerin und 2,5 v.H. des rechtskräftig festgestellten Verlustvortrags, höchstens 350.000 DM, betragen. Die Zwischenbilanz zum 14. Juni 1993 weist auf der Aktivseite im Wesentlichen nur die Forderung aus einem Liefergeschäft vom 1. Juni 1993 sowie Forderungen gegen die L-S.A. in Höhe von 540.909,80 DM aus. Das Kapital ist mit 481.856,31 DM ausgewiesen. Die aus Verlustübernahmen stammende Forderung gegen die L-S.A. trat die Klägerin an die A-GmbH ab und schloss gleichzeitig mit dieser als Schuldnerin über die abgetretene Forderung den Darlehensvertrag vom 23. Juli 1993. Die A-GmbH erklärte gegenüber der L-S.A. in Höhe von 481.856,31 DM die Aufrechnung mit der Kaufpreisforderung aus dem Anteilsverkauf. Den Restbetrag der von der Klägerin an die A-GmbH abgetretenen Forderung von 59.053,49 DM zahlte die L-S.A. am 10. August 1993 an die A-GmbH. Die Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin weist für die Zeit vom 1. Januar bis 14. Juni 1993 Umsatzerlöse in Höhe von 481.269,79 DM und einen Materialaufwand in Höhe von 447.807,53 DM aus. Der ermittelte Überschuss beträgt 136.336,93 DM.

Nach dem Gesellschafterwechsel war die Klägerin mit demselben Unternehmensgegenstand tätig. Zur Sicherung der Finanzierung der Wareneinkäufe mittels Akkreditiven leisteten ihre Gesellschafterin und andere verbundene Unternehmen der Unternehmensgruppe den Banken Sicherheiten und übernahmen Bürgschaften.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging davon aus, die Klägerin habe ihre Geschäftstätigkeit im Februar/März 1993 eingestellt. Folglich sei die wirtschaftliche Identität zu dem erst durch die neue Gesellschafterin wieder aufgenommenen Geschäftsbetrieb nicht i.S. von § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1991) gewahrt, so dass der Gewerbeverlust des eingestellten Betriebs nicht gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gekürzt werden könne. Dementsprechend wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1993 festgestellt.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 587 abgedruckt.

Die dagegen gerichtete Revision stützt die Klägerin auf Verletzung von § 8 Abs. 4 KStG 1991.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31. Dezember 1993 auf 8.390.945 DM festzusetzen ist.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

I. Die Revision ist zulässig. Zwar hat die Klägerin bis zum Ablauf der Begründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO a.F.) keinen expliziten Revisionsantrag gemäß dem - im Streitfall noch anzuwendenden (vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze - 2.FGOÄndG - vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) - § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO a.F. (jetzt § 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO n.F.) gestellt. Die Revisionsbegründung belässt über ihr Rechtsschutzbegehren indes keinen Zweifel. Auf einen förmlich gestellten Antrag kann verzichtet werden, wenn sich aus der Begründung das Prozessbegehren des Revisionsklägers unzweideutig ergibt (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, 292, BStBl II 1984, 187; Rüsken in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 120 FGO Rz. 157, m.w.N.). So verhält es sich hier.

II. Die Revision ist aber unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Nach § 10a Satz 4 GewStG i.V.m. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 1991 ist bei einer Körperschaft Voraussetzung für die Kürzung des Gewerbeertrags um Fehlbeträge, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust (Fehlbetrag) erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG 1991 definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft nicht. § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 beschreibt nur beispielhaft ("insbesondere"; vgl. Senatsurteil vom 13. August 1997 I R 89/96, BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist, setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind.

2. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn - erstens - bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als 75 v.H. der Geschäftsanteile übertragen werden, - zweitens - überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und - drittens - der Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen wird. Nach Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen dieses gesetzlichen Hauptanwendungsfalles fehlender wirtschaftlicher Identität im Streitfall teilweise - im Hinblick auf den (unstreitigen) Erwerb von mehr als 75 v.H. der Geschäftsanteile durch die A-GmbH und im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach seiner Einstellung - unmittelbar vor. Im Hinblick auf die weitere Voraussetzung des Regelbeispiels - Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens - sei die Klägerin in einer hiermit vergleichbaren Weise mit neuer Finanzkraft ausgestattet worden.

Der erkennende Senat stimmt dieser Beurteilung zu. Es fehlt an der wirtschaftlichen Identität i.S. des § 8 Abs. 4 KStG 1991. Abweichend von der Vorinstanz sieht er die Voraussetzungen des Regelbeispiels in Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG 1991 allerdings bezogen auf alle drei Erfordernisse als erfüllt an. Dies gilt neben der im Streitfall unproblematischen Übernahme von mehr als 75 v.H. der Anteile durch die A-GmbH sowohl für die Betriebseinstellung (nachfolgend 3.) als auch für die Zuführung neuen Betriebskapitals infolge des Forderungsaustauschs. Zusätzlich ist die Übernahme der Bürgschaften und die Gestellung der Sicherheiten der Zuführung neuen Betriebsvermögens vergleichbar (nachfolgend 4.).

3. a) Das FG ist zu der Erkenntnis gelangt, dass die Klägerin spätestens zum 31. März 1993 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Es hat dazu eine Reihe von Feststellungen getroffen und diese gewürdigt, so vor allem die Erklärung des damaligen Geschäftsführers der Klägerin zur beabsichtigten Aufgabe des Geschäftsbetriebs bereits zum 31. Dezember 1992, die Kündigung der Arbeitsverträge sowie des Mietvertrages über Büroräume und des Vertrages über die Telekommunikationsanlage zum 31. März 1993, die Veräußerung des Büroinventars im März 1993, die Verpackung und die Einlagerung der Geschäftsunterlagen, die Verwertung noch bestehender Lieferungsansprüche bis Ende Februar 1993 und entsprechende Bekundungen des Steuerberaters der Klägerin gegenüber dem FA. Außerdem seien die letzten Wareneinkaufsgeschäfte im Oktober 1992 vorgenommen worden. Eine Ausnahme mache lediglich ein einziges Geschäft, das am 1. Juni 1993 getätigt worden sei, dies aber ersichtlich unmittelbar vor Abschluss des Anteilsverkaufs und damit nach Ansicht des FG "zur Rettung des steuerlichen Verlustvortrages", der nach den kaufvertraglichen Vereinbarungen gesondert honoriert werden sollte und der einen wesentlichen Teil des vereinbarten Kaufpreises ausgemacht habe. Weitere geschäftliche Aktivitäten seien nicht entwickelt worden.

b) Die Klägerin hat gegen diese Feststellungen keine Verfahrensrüge erhoben. Sie versucht allerdings, mit ihrer Revision die Sachverhaltswürdigung zu den vom FG als Beurteilungsindizien herangezogenen Gesichtspunkten zu widerlegen und deren Stichhaltigkeit in Frage zu stellen. Der Senat braucht dem nicht im Einzelnen nachzugehen. Denn die Würdigung des Sachverhalts obliegt dem FG als Tatsacheninstanz, die den Senat regelmäßig bindet (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), es sei denn, dem FG wäre hierbei ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze unterlaufen. Dafür ist indes nichts ersichtlich. Zwar mag es sich bei den Einzelumständen teilweise um betriebliche "Aufgabehandlungen" handeln. Doch bezeugt dies nicht, wie die Klägerin meint, dass ihr Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt gewesen sein könne. Die Klägerin verkennt mit ihrem Einwand, dass das FG die Einzelumstände als Indizien gewürdigt und daraus die gedanklich jedenfalls mögliche Schlussfolgerung der Betriebseinstellung gezogen hat. Dass den Einzelumständen jeweils unterschiedliches Gewicht zukommt, ist selbstverständlich und steht dem nicht entgegen.

4. a) Zum Weiteren hat das FG festgestellt, dass das einzige wesentliche Aktivvermögen der Klägerin, eine Forderung gegen ihre damalige Gesellschafterin L-S.A., durch eine entsprechende Forderung gegen ihre neue Gesellschafterin A-GmbH ausgetauscht wurde, und dass die neue Gesellschafterin der Klägerin die zur Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes notwendige Finanzkraft durch die Einräumung von Sicherheiten und die Übernahme von Bürgschaften für Kredite der Klägerin bei den Banken verschaffte. Damit fehle es zwar, wie nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 erforderlich, an der Zuführung von neuem Aktivvermögen. Die Situation sei unter den gegebenen Umständen hiermit jedoch vergleichbar. Denn der Forderungsaustausch unter gleichzeitigem Gläubigerwechsel beruhe auf der Übernahme der aufgelaufenen Verluste der Klägerin. Das sei für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs existenzerhaltend und notwendig gewesen. Gleiches gelte für die Übernahme der Bürgschaften und die Gestellung der Sicherheiten. Beides sei zwingende Voraussetzung für die von der Klägerin praktizierten Geschäftsabwicklung über die Einlösung von Akkreditiven und die Vorfinanzierung von Lieferantenverbindlichkeiten anstelle einer Lagerhaltung.

b) Auch diese Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die von der A-GmbH übernommenen Bürgschaften und die von ihr gegebenen Sicherheiten zur Erlangung der Bankkredite waren der Zuführung neuen Betriebsvermögens wirtschaftlich vergleichbar (bb). Zugleich erfüllt der streitgegenständliche Sachverhalt infolge des Forderungsaustauschs aber auch unmittelbar den Tatbestand des in § 8 Abs. 4 KStG 1991 enthaltenen Regelbeispiels (aa).

aa) Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass unter der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 (nur) die Zuführung neuen Aktivvermögens zu verstehen ist (Senatsurteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829). Demgemäß ist die wirtschaftliche Identität so lange zu bejahen, als für den Betrieb des Geschäfts überwiegend solches Aktivvermögen (des Anlagevermögens) verwendet wird, das schon vor dem Wechsel der Anteilseigner und vor der Einstellung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs vorhanden war. Daran mangelt es aber nicht nur, wenn das "neue" Aktivvermögen unter Verrechnung von Zugängen und Abgängen im betragsmäßigen Saldo höher als das ursprüngliche Aktivvermögen ist. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829 zum Ausdruck gebracht hat, handelt es sich um eine Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens, die die wirtschaftliche Identität i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 in Frage stellt, vielmehr auch dann, wenn die Neuzuführungen den Bestand des vor der Zuführung vorhandenen Restaktivvermögens übersteigen. Es ist sonach auf die gegenständliche Zuführung von Aktivvermögen abzustellen. Abgänge bleiben bei der Vergleichsbetrachtung ebenso unbeachtet wie Passivpositionen.

Die Gegenmeinung, die sich an der bilanziellen Betrachtungsweise ausrichtet und Fälle des Aktivtausches nicht einbeziehen will, solange der Bestand des Aktivvermögens vor und nach dem Gesellschafterwechsel gleich bleibt (vgl. z.B. B. Lang in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 1273.3; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8 KStG Rz. 536; Hörger/Endres, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1999, 569, 575; Breuninger/Frey, GmbHR 1998, 866, 870; Frey/ Weißgerber, GmbHR 2000, 739, 740; Kröner, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 1495, 1498 unter 4.2.2.2; Herzberg, DStR 2001, 553, 556 f.; vgl. auch Janssen, DStR 2001, 837, 838 f.), verkennt, dass § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 lediglich auf die "Zuführung" neuen Betriebsvermögens abstellt, nicht aber - die Nichtberücksichtigung der Passiva macht dies deutlich - auf die bilanziellen Auswirkungen infolge Wegfalls bisheriger Aktivpositionen. Nur durch eine solche Betrachtungsweise wird das Gesetzesziel des § 8 Abs. 4 KStG 1991 erreicht, das sich andernfalls durch schlichten Austausch vorhandener und neuer (aktiver) Wirtschaftsgüter umgehen ließe, auch wenn sich Struktur, Zusammensetzung und wirtschaftliche Bedeutung des Betriebsvermögens dadurch vollen Umfangs ändern würden. Dafür, dass eine derartige gegenständliche Zuführung neuen Betriebsvermögens i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1991 vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Umstrukturierung in Gestalt eines Branchenwechsels abhängig wäre und mit einem solchen einhergehen müsste (vgl. dazu Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 16. April 1999, BStBl I 1999, 455 Tz. 10; Senatsurteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829), ist nichts ersichtlich (anders offenbar Frey/Weißgerber, GmbHR 2000, 739, 740; Frotscher in Frotscher/ Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 8 KStG Rz. 189).

Auch von dritter Seite zugeführte Ersatzbeschaffungen und eine Forderungsübernahme, wie sie im Streitfall zu beurteilen ist, sind damit im Ergebnis steuerschädlich, und zwar gleichviel, aus welchen Gründen sie erfolgen.

bb) Unabhängig davon stellen die Übernahme der Bürgschaften und die Gestellung der Sicherheiten durch die A-GmbH Vorgänge dar, die mit der Zuführung neuen Betriebsvermögens vergleichbar sind. Der Klägerin wurde durch diese Vorgänge zwar kein bilanziell auszuweisendes neues Betriebsvermögen zugeführt. Ihr wurde jedoch die finanzielle Möglichkeit eingeräumt, ihre Geschäftstätigkeit auszuüben. Da sie ihre Verkäufe ohne entsprechende Lagerhaltung abschloss, war sie darauf angewiesen, die zeitnah erforderlichen Einkäufe zu finanzieren. Die Einlösung der dafür benötigten Akkreditive und die Vorfinanzierung der Lieferantenverbindlichkeiten durch die Banken setzten voraus, dass diesen ausreichende Sicherheiten gestellt wurden. Zu solchen Sicherheitsleistungen war die Klägerin selbst außerstande. Sie war auf Sicherheitsleistungen ihrer Gesellschafterin und nahestehender Personen angewiesen. Im Ergebnis hatten die Sicherheitsleistungen und Bürgschaften für die Klägerin daher die gleiche Bedeutung wie die Zuführung bilanziell auszuweisenden Aktivvermögens in Form liquider Mittel oder von Betriebsvermögen, das die Klägerin ihrerseits für die Sicherheitsleistung der Banken einsetzen konnte. Dass die Bankkredite gegebenenfalls auch anderweitig - durch die Gesellschafterforderungen oder durch die Anteilseignerin mittels Verpfändung ihrer eigenen Bankkonten - hätte erlangt werden können, widerspricht dem nicht. Trotzdem bleibt es dabei, dass die erbrachten Sicherheiten und Bürgschaften der Zuführung neuen Betriebsvermögens gleich standen, und dass der Geschäftsbetrieb mit diesen erlangten Krediten, nicht aber mit den übernommenen Gesellschafterforderungen wiederaufgenommen wurde (vgl. insoweit auch Kröner, DStR 1998, 1495, 1498 unter 4.2.2). Die erbrachten Sicherheitsleistungen sind daher mit dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nach Sinn und Zweck zumindest vergleichbar und führen deswegen gleichermaßen zur Verneinung der wirtschaftlichen Identität.