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  BFH-Urteil vom 26.2.2002 (IX R 66/98) BStBl. 2002 II S. 412

Zu den durch § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG begünstigten Anlagen zur Wärmerückgewinnung gehört auch der in einem Brennwertkessel enthaltene Kondensationsteil (entgegen BMF-Schreiben vom 10. Februar 1998, BStBl I 1998, 190 ff., Tz. 77).

EigZulG § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie errichteten 1997 ein noch im selben Jahr selbstgenutztes Einfamilienhaus. Zur Heizungsanlage des Hauses gehört ein so genannter Brennwertkessel mit der Eigenschaft, die in den Rauchabgasen enthaltene Kondensationswärme wieder nutzbar zu machen. Er setzt sich zusammen aus dem konventionellen Heizkessel und zusätzlich aus einem nachgeschalteten Abgaswärmetauscher, der die Heizgase abkühlt und ihnen damit die Wärme entzieht, die ansonsten ungenutzt an die Abluft gelangt.

Neben der Grundförderung sowie der Zusatzförderung für Niedrigenergiehäuser nach § 9 Abs. 2 und 4 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) beantragten die Kläger eine zusätzliche Förderung nach § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG für den im Brennwertkessel enthaltenen Kondensationsteil mit einer Bemessungsgrundlage von 1.900 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die zusätzliche Förderung unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15. Mai 1997 (BStBl I 1997, 625, Tz. 1.3.).

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bewertete den Brennwertkessel mit dem Kondensationsteil als eine durch § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG begünstigte Anlage zur Wärmerückgewinnung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG und führt zur Begründung aus, der im Brennwertkessel enthaltene Kondensationsteil sei nicht begünstigt. Dazu beruft sich das FA auf Tz. 77 Satz 3 des BMF-Schreibens vom 10. Februar 1998 (BStBl I 1998, 190).

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger haben sich im Revisionsverfahren nicht vertreten lassen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht den erhöhten Förderbetrag nach § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG gewährt und den Brennwertkessel mit dem Kondensationsteil als begünstigte Wärmerückgewinnungsanlage angesehen.

1. Nach § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG erhöht sich der Fördergrundbetrag nach Abs. 2 unter anderem um 2 v.H. der Aufwendungen für den Einbau einer Anlage zur Wärmerückgewinnung einschließlich der Anbindung an das Heizsystem. Eine Anlage zur Wärmerückgewinnung in diesem Sinne ist eine Maßnahme oder ein Verfahren zur Mehrfachnutzung der Wärmeenergie und funktioniert im hier bedeutsamen Zusammenhang durch den Einsatz eines Wärmetauschers in der Weise, dass Wärme von einem Medium (Gas oder Flüssigkeit) höherer Eintrittstemperatur stetig an ein Medium niedrigerer Eintrittstemperatur übertragen wird. Dieser Vorgang wird als Kondensation bezeichnet, wenn sich der Aggregatzustand des Mediums dadurch verändert (vgl. zu den technischen Gegebenheiten Brockhaus - Die Enzyklopädie, 20. Aufl., Bd. 23, 1999, Stichwort "Wärmerückgewinnung", m.w.N.; Hausen/Kohlrust-Schulz, Eigenheimzulagengesetz, 2. Aufl. 1998, Rz. 448).

Entgegen der Auffassung des FA gehört zu den begünstigten Wärmerückgewinnungs-Anlagen aus Abgas auch der in einem Brennwertkessel enthaltene Kondensationsteil. Der Senat folgt damit nicht der vom BMF (Tz. 77 des BMF-Schreibens in BStBl I 1998, 190 ff., gleichlautend mit Tz. 1.3 des BMF-Schreibens in BStBl I 1997, 625; ebenso Hausen/Kohlrust-Schulz, a.a.O.; Blümich/ Erhard, Eigenheimzulagengesetz, § 9 Rz. 32) befürworteten Einschränkung.

§ 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG enthält eine derartige Beschränkung der steuerlichen Förderung nicht. Die Norm umfasst nach ihrem Wortlaut alle Anlagen zur Wärmerückgewinnung, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - an das Heizsystem angebunden sind. Entgegen der vom FA in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob die Vorrichtung ein vom Kessel abgesondertes eigenständiges technisches Gerät bildet. Als integraler Bestandteil des Heizsystems nutzt der Kondensationsteil eines Brennwertkessels - wie oben beschrieben - Wärmeenergie mehrfach aus und fällt als Maßnahme zur Wärmerückgewinnung unter die von der Vorschrift begünstigten Anlagen. In dieser Weise hatte die Finanzverwaltung auch die begrifflich mit § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG übereinstimmende Vorschrift des § 82a Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) ausgelegt (Oberfinanzdirektion - OFD - Münster, Verfügung vom 21. Mai 1986, Der Betrieb - DB - 1986, 1653).

Eine den Wortlaut der Vorschrift einschränkende Auslegung der Förderbedingungen kommt nicht in Betracht. Sie kann weder der Systematik des Gesetzes noch seinem Sinn und Zweck entnommen werden. Insbesondere kommt es entgegen der Auffassung des FA für die Auslegung nicht darauf an, ob die im Gesetz umschriebene und geförderte Maßnahme in der heutigen Zeit bereits die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht hat und zum aktuellen Stand der Technik gehört. Eine derartige (negative) Voraussetzung ergibt sich nicht aus dem Gesetz. § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG umschreibt die begünstigten Energie sparenden Anlagen vielmehr in allen technischen Einzelheiten. Hätte der Gesetzgeber den Kondensationsteil eines Brennwertkessels von der Förderung der Wärmerückgewinnungsanlagen ausnehmen wollen, hätte er diese Einschränkung gesetzlich geregelt und auch folgerichtig regeln müssen. Eine Verwaltungsvorschrift wie die Tz. 77 Satz 3 im BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 190 kann nicht anstelle des Gesetzes treten. Es handelt sich um eine sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, der keine Rechtsnormqualität zukommt und die die Gerichte nicht bindet (vgl. allgemein Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II. 3. der Gründe, m.w.N; vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BFHE 191, 125).

2. Hiernach hat die Revision keinen Erfolg. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass der Brennwertkessel mit seinem Kondensationsteil eine durch § 9 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EigZulG geförderte Anlage zur Wärmerückgewinnung darstellt. Hierzu hat es für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass ein derartiger Brennwertkessel die Eigenschaft hat, die in den Rauchabgasen enthaltene Kondensationswärme mittels eines Wärmetauschers wieder nutzbar zu machen, indem er die Heizgase abkühlt und damit diesen Heizgasen die Wärme entzieht, die ansonsten ungenutzt an die Abluft gelangt.

Das FG ist für den BFH bindend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 1.900 DM ausgegangen. Entgegen der Auffassung des FA können insoweit die Grundsätze des Aufteilungsverbots nach § 12 des Einkommensteuergesetzes nicht angewandt werden: Es obliegt vielmehr der Tatsachenfeststellung durch das FG im Sinne einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 96 Abs. 1 FGO, § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -), welcher Teil der Aufwendungen auf die begünstigte Wärmerückgewinnungsanlage entfällt. Hieran ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die hier vorgenommene schätzungsweise Aufteilung durch das FG in Form eines Vergleichs der Kosten für einen Heizkessel ohne Brennwerttechnik mit denen eines Brennwertkessels ist jedenfalls möglich und deshalb für das Revisionsgericht maßgebend.