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  BFH-Beschluss vom 16.5.2001 (I B 143/00) BStBl. 2002 II S. 436

Verzichtet ein Gesellschafter aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen auf eine Darlehensforderung gegen seine Gesellschaft, so führt dies bei der Gesellschaft auch dann zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung, wenn das Darlehen vor dem Verzicht kapitalersetzenden Charakter hatte (BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307).

KStG § 8 Abs. 1; EStG § 17 Abs. 1, 2 und 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerlichen Folgen des Verzichts auf eine Gesellschafterforderung.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist eine Tochtergesellschaft der B-KG. Die B-KG, die am Stammkapital der Klägerin zu 100 v.H. beteiligt war, war ihrerseits Tochtergesellschaft der A-GmbH.

Die Klägerin hatte im Jahr 1993 einen Verlust erlitten; ihre Bilanz zum 31. Dezember 1993 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Sie hatte kurzfristige Bankverbindlichkeiten, die durch Bürgschaften der A-GmbH und der B-KG abgesichert waren, und nahm ein ungesichertes, verzinsliches Darlehen der B-KG in Höhe von ca. 2,47 Mio. DM in Anspruch. Außerdem hatte sie gegenüber der B-KG Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Eine Überschuldung war wegen eines Rangrücktritts der B-KG nicht gegeben.

Im Streitjahr (1994) betrieb die B-KG zunächst die Liquidation der Klägerin. Dabei wurden u.a. sämtliche Vermögenswerte veräußert oder verschrottet. Am 7. Dezember 1994 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin jedoch die Fortsetzung des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin um ca. 4 Mio. DM überschuldet; an Aktiva waren nur noch Forderungen vorhanden.

Um die Unternehmensfortführung zu ermöglichen, verpflichtete sich die B-KG am 22. Dezember 1994, "mit Datum 31.12.1994 einen Kapitaleinschuss in Höhe der zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Bilanzverluste" vorzunehmen. Die Kapitaleinschussverpflichtung sollte dadurch erfüllt werden, dass die B-KG in gleicher Höhe auf ihre Forderungen gegenüber der Klägerin verzichtete. In dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der Klägerin zum 31. Dezember 1994 heißt es hierzu, durch den Kapitaleinschuss in Form eines Forderungsverzichts sei das gewährte Darlehen vollständig getilgt worden. In der Buchführung der B-KG wurde dementsprechend ein "Forderungsverzicht zum Verlustausgleich" erfasst. Der Teilwert der erlassenen Forderung betrug nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) im Zeitpunkt des Verzichts 117.027 DM.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt ging bei der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer davon aus, dass die Klägerin im Streitjahr einen außerordentlichen Ertrag in Höhe des Kapitaleinschusses erzielt habe. Es erhöhte deshalb den von der Klägerin erklärten Gewinn entsprechend. Infolge von Verlustvorträgen wurden allerdings das zu versteuernde Einkommen, die Tarifbelastung und die Körperschaftsteuer auf jeweils 0 DM festgestellt bzw. festgesetzt.

Das FG gab der Klage gegen den entsprechenden Körperschaftsteuerbescheid insoweit statt, als es das steuerlich zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin gegenüber dem im Bescheid angesetzten Betrag um 117.027 DM verminderte. Die weiter gehende Klage wies es ab. Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

Der - während des erstinstanzlichen Klageverfahrens zuständig gewordene - Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Es bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass der Forderungsverzicht der B-KG in dem vom FG angesetzten Umfang gewinnerhöhend zu berücksichtigen ist. Die Annahme der Klägerin, dass der Verzicht zu einer verdeckten Einlage in Höhe des Nennwerts der Forderung geführt habe und dass deshalb die gesamte vom FA angesetzte Gewinnerhöhung rückgängig zu machen sei, ist unzutreffend.

1. Das FG hat den in Rede stehenden Vorgang dahin gewürdigt, dass die B-KG der Klägerin im Streitjahr eine bis dahin bestehende Forderung erlassen hat. Die B-KG hat also nicht etwa der Klägerin zusätzliche Geldmittel zugeführt, die die Klägerin sodann zur Tilgung ihrer Verbindlichkeit gegenüber der B-KG eingesetzt hat. Ferner hat das FG festgestellt, dass die B-KG Gesellschafterin der Klägerin und der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Diese Würdigung ist von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und wäre deshalb in einem nachfolgenden Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend.

2. Der Erlass einer Gesellschafterforderung gegenüber der Gesellschaft führt aus der Sicht der Gesellschaft zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Gewinnerhöhung. Diese in der Steuerbilanz zu erfassende Gewinnerhöhung ist zwar außerhalb der Bilanz zu neutralisieren, soweit es sich bei dem Forderungsverzicht steuerrechtlich um eine Einlage handelt. Ein im Gesellschaftsverhältnis veranlasster Forderungsverzicht eines Gesellschafters führt jedoch zu einer Einlage (nur) in Höhe des Teilwerts der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts. Soweit die erlassene Forderung in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es mithin bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung. Das ist durch den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden worden (BFH-Beschluss vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) und deshalb nicht klärungsbedürftig.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich im Streitfall auch dann keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, wenn die von der B-KG erlassene Forderung auf einem eigenkapitalersetzenden Darlehen beruht hat. Denn die zitierte Rechtsprechung des Großen Senats gilt ohne Einschränkung auch dann, wenn sich der Verzicht des Gesellschafters auf ein Darlehen mit eigenkapitalersetzender Funktion bezieht.

a) Eigenkapitalersetzende Darlehen sind aus der Sicht der darlehensempfangenden Gesellschaft grundsätzlich Fremdkapital (Senatsurteil vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532, 534). Sie dürfen zwar unter bestimmten Umständen nicht zurückgezahlt und in der Insolvenz der Gesellschaft nur nachrangig bedient werden (§ 32a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Abgesehen davon gelten für sie jedoch sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich dieselben Regeln wie für Darlehen ohne kapitalersetzenden Charakter. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allenfalls dann, wenn der kreditgebende Gesellschafter nach den getroffenen Vereinbarungen eine Rückzahlung des Darlehens nur unter denselben Umständen wie eine Rückzahlung von Einlagen verlangen kann (vgl. hierzu Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. März 1988 II ZR 238/87, BGHZ 104, 33, 40; vom 8. Januar 2001 II ZR 88/99, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2001, 175; Buciek, Die Steuerberatung 2000, 109, 111 f., m.w.N.); für das Vorliegen einer solchen Gestaltung bieten die Feststellungen des FG jedoch keine Anhaltspunkte. Unter diesem Gesichtspunkt besteht mithin keine Veranlassung, das hier zu beurteilende Darlehen abweichend von den vom Großen Senat entwickelten Regeln zu behandeln.

b) Eine für den Streitfall bedeutsame klärungsbedürftige Rechtsfrage ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH zur Behandlung kapitalersetzender Darlehen im Bereich des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zwar führt nach dieser Rechtsprechung der Verlust eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens dazu, dass sich die Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG um den Nennwert der Darlehensforderung erhöhen (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342; vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 348, jeweils m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn der Gesellschafter vor der Veräußerung der Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft auf seine Forderung verzichtet hat (BFH-Urteile vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333; in BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, und in BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 348). Diese Beurteilung gilt jedoch nur im Hinblick auf die Ermittlung des beim Gesellschafter anfallenden Veräußerungs- oder Auflösungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 1 EStG; sie lässt sich auf die Besteuerung der Gesellschaft nicht übertragen (ebenso Eilers/Wienands, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1998, 618, 619 f.; Korn/Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 4, 4319; Buciek, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 2000, 569). Soweit im Schrifttum eine andere Deutung für möglich erachtet wird (Roser, GmbHR 1999, 1212; Kempf/Uhlig, DStR 2000, 723), vermag der Senat dem nicht zu folgen:

Die genannte Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass es dem einkommensteuerrechtlich maßgeblichen "Nettoprinzip" widerstreiten würde, wenn ein wesentlich beteiligter Gesellschafter (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) den Verlust eines kapitalersetzenden Darlehens nicht steuermindernd geltend machen könnte. Deshalb verwendet der VIII. Senat in diesem Bereich einen "normspezifischen Anschaffungskostenbegriff" (BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, 725; Gschwendtner, Beihefter zu DStR Nr. 32/1999, 3 f.), der dahin geht, dass speziell für Zwecke des § 17 EStG der Verlust eines kapitalersetzenden Darlehens den Anschaffungskosten der Beteiligung zuzuordnen ist. Hierdurch soll erreicht werden, dass sich der Verlust der Darlehensforderung im Veräußerungs- oder Liquidationsfall steuerlich in demselben Umfang auswirkt wie der Verlust der Beteiligung selbst. Einen weiter gehenden Inhalt haben die genannten Entscheidungen nicht.

Die Rechtsprechung des VIII. Senats besagt mithin weder, dass schon die Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens Einlage sei, noch dass der Verzicht auf ein solches Darlehen zur Einlage in Höhe des Nennwerts führe. Ihre Bezugspunkte sind vielmehr ausschließlich diejenigen des § 17 EStG, also in persönlicher Hinsicht die Besteuerung des Gesellschafters und in zeitlicher die Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung (BFH-Urteil in BFHE 187, 348, BStBl II 1999, 348, 350 f.). Durch sie werden mithin, wie der VIII. Senat selbst wiederholt klar gestellt hat, die vom Großen Senat entwickelten Grundsätze zur Behandlung eines Forderungsverzichts auf der Ebene der Gesellschaft nicht berührt (Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, 818; BFH-Beschluss vom 4. August 1999 VIII B 68/99, BFH/NV 2000, 41, jeweils m.w.N.). Angesichts dessen ist jene Rechtsprechung im Streitfall nicht einschlägig. Auf sie lässt sich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache folglich ebenfalls nicht stützen, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 132 FGO zurückgewiesen werden muss.