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  BFH-Beschluss vom 6.7.2000 (I B 34/00) BStBl. 2002 II S. 490

1. Erzielt eine nach deutschem Recht gegründete und hier unbeschränkt steuerpflichtige GmbH einen Beteiligungsveräußerungsgewinn, so ist derselbe nach § 8 Abs. 1 und 2 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG und nicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG zu ermitteln.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Anweisung in Abschn. 41 Abs. 5 Satz 5 KStR 1995, wonach Teile des Veräußerungsgewinns, die als vGA zu behandeln sind, nicht unter die Rechtsfolge des § 8b Abs. 2 KStG fallen, dem geltenden Recht entspricht.

KStG § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 8b Abs. 2; EStG § 5 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 2000, 330)

Sachverhalt

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) - eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland - beteiligte sich 1991 zu 100 v.H. an der LB-Sp. Die LB-Sp. war eine nach polnischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Warschau. Die Antragstellerin aktivierte die Beteiligung zum 31. Dezember 1991 mit den Anschaffungskosten in Höhe von 38.388 DM. Die von ihr im Jahre 1991 zusätzlich getragenen Kosten zum Aufbau der LB-Sp. in Höhe von 129.035 DM aktivierte sie nicht. Zum 31. Dezember 1995 verkaufte sie die Beteiligung zu dem in ihrer Handelsbilanz ausgewiesenen Buchwert von 38.388 DM an ihre Muttergesellschaft mit Sitz in den USA.

Nach einer Außenprüfung vertrat der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Beteiligung sei zum 31. Dezember 1991 und auch auf den Schluss der Jahre 1992 bis 1994 mit 38.388 DM + 129.035 DM = 167.423 DM zu aktivieren und dieser Betrag von 167.423 DM entspreche auch dem Fremdvergleichspreis zum 31. Dezember 1995. Das FA beurteilte deshalb die Veräußerung der Beteiligung für nur 38.388 DM als einen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Unterwertverkauf. Die Differenz von 129.035 DM zwischen dem bei den Veranlagungen für 1991 bis 1994 vom FA berücksichtigten Beteiligungsansatz von 167.423 DM und dem Veräußerungserlös von 38.388 DM erfasste es bei der Veranlagung für 1995 als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG (Körperschaftsteuerbescheid vom 10. März 1999). Das FA lehnte es ab, auf die vGA - die dem Grund und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die Rechtsfolge des § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung am 21. Juni 1999) erhob die Antragstellerin Klage beim Hessischen Finanzgericht (FG), über die - soweit bekannt - noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig beantragte sie beim FG die teilweise Aufhebung der Vollziehung des mit der Klage angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides für 1995. Diesen Antrag lehnte das FG durch Beschluss vom 12. Januar 2000 ab. Der Beschluss des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 330 abgedruckt.

Mit ihrer - vom FG zugelassenen - Beschwerde beantragt die Antragstellerin sinngemäß, den Beschluss des Hessischen FG vom 12. Januar 2000 4 V 3043/99 aufzuheben und die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides für 1995 vom 10. März 1999 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 1999 in Höhe von 58.065 DM Körperschaftsteuer und 4.354 DM Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer aufzuheben.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.

Der beschließende Senat teilt zwar nicht die Auffassung des FG, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides bestünden schon deshalb keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil § 8b Abs. 2 KStG nicht für den als vGA zu beurteilenden Teil eines Veräußerungsgewinns gelte. Die Entscheidung des FG erweist sich aber im Ergebnis als richtig, da die Antragstellerin durch die Veräußerung der Beteiligung weder - dies ist unstreitig - einen Gewinn erzielte noch einen steuerrechtlich zu berücksichtigenden Verlust erlitt.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides (= Verwaltungsaktes) auf Antrag auszusetzen bzw. - wenn der Bescheid wie im Streitfall bereits vollzogen ist - aufzuheben, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder - was im Streitfall nicht in Betracht kommt - seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (s. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 25. Juli 1994 I B 241/93, BFH/NV 1995, 334).

2. Im Streitfall besteht zwischen den Beteiligten - wie auch zwischen der Verwaltung und Teilen des Schrifttums - Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob § 8b Abs. 2 KStG auf vGA Anwendung findet, die Teil eines Veräußerungsgewinns sind.

b) Ist ein etwaiger Beteiligungsveräußerungsgewinn im Streitfall nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln, hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides letztlich davon ab, ob über § 8 Abs. 1 KStG auch dessen Abs. 3 Satz 2 zu den Vorschriften gehört, die bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns zu beachten sind. Diese Frage wird von der Finanzverwaltung in Tz. 2.1.2 und in Tz. 8.2.2 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 23. Februar 1983 IV C 5 - S 1341 - 4/83 (BStBl I 1983, 218) sinngemäß bejaht. Beide Textziffern stehen allerdings im Widerspruch zu der Anweisung in Abschn. 41 Abs. 5 Satz 5 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1995. Für die Richtigkeit der Anweisungen in BStBl I 1983, 218 spricht die bisherige Senatsrechtsprechung. Nach dem Senatsurteil vom 23. Juni 1993 I R 72/92 (BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801) hat § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zum Ziel, Gewinnminderungen, die durch Gewinnverlagerungen zugunsten eines Gesellschafters eintreten, in ihrer steuerlichen Wirkung zu neutralisieren. Die Korrektur muss deshalb im Regelfall bei dem einzelnen Geschäftsvorfall (hier: Beteiligungsveräußerung) und seinen gewinnmäßigen Auswirkungen (hier: Beteiligungsveräußerungsgewinn) ansetzen, für den eine Gewinnverlagerung angenommen wird (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Kommentar zum Außensteuerrecht, 6. Aufl., § 1 AStG Anm. 213, 253, 263, 797 und 813). Es liegt in der Konsequenz dieser Rechtsprechung, dass es Sinn und Zweck des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist, für Besteuerungszwecke von einem angemessenen Veräußerungserlös auszugehen, wenn Gegenstand einer vGA die Veräußerung der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis ist. Entsprechend erscheint es folgerichtig, § 8b Abs. 2 KStG nicht nur auf den vereinbarten, sondern auch auf den aus steuerlichen Gründen korrigierten Veräußerungsgewinn anzuwenden.

c) Den hier wiedergegebenen Überlegungen steht das BFH-Urteil vom 29. Juni 1994 I R 137/93 (BFHE 175, 347) nicht zwingend entgegen. Der Senat hat damals die Auffassung vertreten, die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG setze außerhalb der Steuerbilanz an. An dieser Rechtsprechung hält er fest. Sie betrifft jedoch nur die technische Durchführung der Rechtsfolge einer vGA und schließt es nicht aus, dass dieselbe gedanklich bei dem einzelnen Geschäftsvorfall ansetzt, der sich als Gewinnverlagerung auf den Gesellschafter darstellt. Dies belegt nicht zuletzt der Wortlaut des § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG), der in einem engen Verwandtschaftsverhältnis zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG steht. Danach ist der Gewinn aus einer (einzelnen) Geschäftsbeziehung so zu ermitteln, als seien innerhalb der Geschäftsbeziehung angemessene Entgelte vereinbart worden. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG hat den Senat nicht daran gehindert, auch zu dieser Vorschrift die Auffassung zu vertreten, ihre Rechtsfolge setze außerhalb der Steuerbilanz an (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875). Wenn das FA demgegenüber meint, es sei zwischen dem originären Steuerbilanzgewinn und dem Betrag zu unterscheiden, der sich durch die Hinzurechnung der vGA ergebe, so betrifft diese Äußerung wiederum nur den technischen Vollzug der Rechtsfolge der vGA, nicht aber die Auslegung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG seinem Sinn und Zweck nach. Sinngemäß gilt dies auch für den spiegelbildlichen Fall, dass der nahe stehende Erwerber einen Überpreis zahlt, der als Einlage zu behandeln ist. Auch in diesem Fall mindert die Einlage den Veräußerungsgewinn, d.h. die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt unmittelbar bei dem Veräußerungsgewinn an.

3. Im Streitfall kann letztlich unentschieden bleiben, ob § 8b Abs. 2 KStG auf vGA anzuwenden ist, die aus Anlass eines Unterwertverkaufs einer Beteiligung entstehen. Die Anwendung der Vorschrift setzt jedenfalls einen Veräußerungsgewinn voraus. Daran fehlt es im Streitfall sowohl nach dem Vorbringen der Antragstellerin als auch nach dem des FA. Das FA ist von einem erfolgswirksamen Veräußerungsverlust in Höhe von 129.035 DM ausgegangen, den es durch die Annahme einer vGA neutralisiert hat. Saldiert betrachtet hat das FA den für das Streitjahr erklärten Gewinn nicht erhöht. Die Antragstellerin will dagegen die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns einbezogen wissen. Auch dann beträgt der Veräußerungsgewinn jedoch nur 0 DM. Die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG auf einen Veräußerungsgewinn von 0 DM wirkt sich auf die Höhe der festzusetzenden Körperschaftsteuer nicht aus.

§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG lässt zwar in der für das Streitjahr geltenden Fassung "die Vorschriften über die Abziehbarkeit von Verlusten unberührt, die (u.a.) bei der Veräußerung nach Satz 1 entstehen". Der Wortlaut der Vorschrift lässt jedoch erkennen, dass sie keine eigenständige Verlustabzugsberechtigung begründet. Sie verweist auf die allgemeinen Vorschriften zur steuerlichen Ermittlung und Berücksichtigung von Verlusten. Auch insoweit bleibt § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG anwendbar.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO).