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  BFH-Urteil vom 7.3.2002 (III R 41/98) BStBl. 2002 II S. 582

Wird ein Betrieb aus betriebswirtschaftlichen Gründen (Rentabilitätserwägungen) umgestellt und deshalb die Produktion während der Verbleibensfrist zeitweise unterbrochen, ist die Unterbrechung jedenfalls dann investitionszulagenschädlich, wenn sie länger als 12 Monate dauert.

InvZulG 1986 § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1999, 621)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb zunächst eine Masthähnchenschlachterei. Für Erweiterungen ihres Betriebs beantragte sie u.a. Investitionszulagen für die Wirtschaftsjahre 1986/87 und 1987/88. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte Investitionszulagen nach § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1986 entsprechend den nachgewiesenen Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Da die Klägerin über Jahre hinweg Verluste erwirtschaftete, plante sie, die Produktion auf eine Suppenhennen- (Legehennen-)Schlachterei umzustellen. Der Betrieb sollte für die erforderlichen Umbaumaßnahmen sechs Monate stillgelegt werden und anschließend an eine zu gründende Tochtergesellschaft (Betriebsgesellschaft) verpachtet und durch diese fortgeführt werden. Die Mitarbeiter der Klägerin sollten vor der Stilllegung entlassen und später zum Teil von der Betriebsgesellschaft wieder eingestellt werden.

Die Klägerin stellte sodann den Betrieb zum 30. Juni 1989 ein. Den restlichen Warenbestand veräußerte sie in den anschließenden drei Monaten. Ein Großteil der ursprünglich 138 Arbeitnehmer wurde entlassen. Schließlich beschäftigte sie nur noch zwei Arbeitnehmer.

In der Folgezeit investierte die Klägerin rd. 15 Mio. DM in Umbauarbeiten. Sie erweiterte die reine Schlachterei um spezielle Anlagen zur Verwertung des Suppenhuhnfleisches, schaffte u.a. Koch- und Entbeinungsanlagen und ein anderes Kühlsystem an. Für den Hygienebereich erstellte sie einen neuen Sozialtrakt.

Die Umbauarbeiten verzögerten sich, da die Lieferzeiten für einzelne Teile der neuen Anlage zum Teil sechs bis acht Monate betrugen. Auch die Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzgesetz, die zu Teilerrichtungsgenehmigungen führten, dauerten länger als zunächst vorgesehen. Die Klägerin verpachtete schließlich den Betrieb an die Betriebsgesellschaft, an der sie, die Klägerin, zu 100 v.H. beteiligt war. Die Betriebsgesellschaft nahm den Betrieb rd. 13 1/2 Monate nach der Einstellung der ursprünglichen Produktion am 13. August 1990 als Suppenhennenschlachterei auf. Sie beschäftigte im August 1990 123 Arbeitnehmer.

Die Wirtschaftsgüter, für die der Klägerin für die Wirtschaftsjahre 1986/87 und 1987/88 Investitionszulage gewährt worden war, wurden zum Teil veräußert. Zum überwiegenden Teil wurden sie jedoch weiter im Betrieb genutzt. Dies betrifft Investitionen in folgendem Umfang:

Wirtschaftsjahr 1986/87

236.833 DM

Wirtschaftsjahr 1987/88

1.369.672 DM

Im Anschluss an eine Außenprüfung hob das FA die Zulagenbescheide auf. Es vertrat die Auffassung, durch die Einstellung der Geflügelschlachterei zum 30. Juni 1989 sei die Verbleibensfrist des § 1 Abs. 3 InvZulG 1986 unterbrochen worden. Die Fördervoraussetzungen seien daher nicht nur für die veräußerten Wirtschaftsgüter, sondern auch für die Wirtschaftsgüter, die erst nach Ablauf von 13 1/2 Monaten wieder in dem neuen Betrieb genutzt worden seien, nicht erfüllt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Versagung der Zulage auch für die Wirtschaftsgüter wandte, die nach dem Umbau weiter im Betrieb genutzt wurden, statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 621 veröffentlicht.

Mit der Revision trägt das FA vor: Die Verbleibensvoraussetzungen müssten grundsätzlich ununterbrochen bestehen bleiben. Die Rechtsprechung der FG erkenne nur wenige Unterbrechungstatbestände als unschädlich an, wie Streik, Betriebsferien oder bei Saisonbetrieben. Diese Tatbestände seien ihrer Art nach kurzzeitig oder durch die Struktur des Betriebs bedingt und vom Willen des Unternehmers unabhängig. Gründe, die ihre Ursache in dem Betrieb hätten, seien nicht ausreichend. Auch wenn kein Missbrauch vorliege und die Bindungsfrist aus betriebswirtschaftlich anerkennenswerten Gründen nicht eingehalten worden sei, sei keine Ausnahme gerechtfertigt.

Außerdem erfordere die Zulagengewährung die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Daran fehle es, wenn - wie im Streitfall - die Produktion stillgelegt, die Belegschaft entlassen und die werbende Tätigkeit eingestellt werde. Denn begünstigte Wirtschaftsgüter dürften auch nicht für eine nur kurze Zwischenzeit aus dem Anlagevermögen des Unternehmens ausscheiden, selbst wenn dafür Rentabilitätsgründe maßgeblich seien.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die nach der Betriebsumstellung weiter genutzten Wirtschaftsgüter die Verbleibensvoraussetzungen des § 1 Abs. 3 InvZulG 1986 erfüllen.

1. Steuerpflichtigen, die eine gewerbliche Betriebsstätte errichten oder erweitern und die durch eine Bescheinigung nach § 2 InvZulG 1986 nachweisen, dass die Errichtung oder Erweiterung in einem förderungsbedürftigen Gebiet durchgeführt wird, volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist sowie den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung entspricht, wird nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1986 - unter den dort genannten näheren Voraussetzungen - für die im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebsstätte vorgenommenen Investitionen eine Investitionszulage gewährt.

Begünstigte Investitionen sind nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvZulG 1986 u.a. die Anschaffung oder Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben sowie der Ausbau oder die Erweiterung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wenn die ausgebauten oder neu hergestellten Teile mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung vom Steuerpflichtigen ausschließlich zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden. Der Anspruch auf die Investitionszulage erlischt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Verbleibens- und Verwendungsfrist nicht eingehalten wird (§ 5 Abs. 6 Nr. 1 InvZulG 1986).

a) Die Investitionszulage hat zum Ziel, die Wirtschaftskraft des Fördergebiets mit allen ihren Auswirkungen zu stärken (z.B. Beschaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen). Wie sich aus der Voraussetzung des dreijährigen Verbleibens ergibt, ist ausschlaggebend für die Förderung nicht allein die Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter, sondern vor allem deren längerfristiger Einsatz in der Betriebsstätte des Investors.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind deshalb die Zugehörigkeits- und Verbleibensvoraussetzungen grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter während des gesamten Dreijahreszeitraums ununterbrochen zum Anlagevermögen der Betriebsstätte des Investors im Fördergebiet gehört haben. Eine auch nur vorübergehende Überführung in das Umlaufvermögen ist zulagenschädlich (Senatsbeschluss vom 7. September 2000 III B 60/98, BFH/NV 2001, 486, m.w.N.).

Die Begünstigung einer Investition setzt ferner voraus, dass das Wirtschaftsgut während der Verbleibensfrist zu einem aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmenden Betrieb bzw. einer entsprechenden Betriebsstätte gehört. Ein nur noch abzuwickelnder Betrieb entspricht nicht dem Zweck der investitionszulagenrechtlichen Förderung. Bei Eintritt eines Betriebs in das Abwicklungsstadium vor Ablauf der Verbleibensfrist sind daher die Förderungsvoraussetzungen nicht erfüllt (Senatsurteil vom 19. September 2001 III R 84/97, BFHE 196, 447, BStBl II 2002, 106, m.w.N.). Ebenso fehlt es an der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen eines werbenden Betriebs für die Dauer der Verbleibensfrist, wenn der Investor den Betrieb vor Ablauf der Frist stilllegt (Senatsurteile vom 27. April 1999 III R 32/98, BFHE 188, 475, BStBl II 1999, 615; vom 7. September 2000 III R 44/96, BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37).

Betriebswirtschaftliche Gründe, insbesondere Gründe der Rentabilität, rechtfertigen keine Ausnahmen von der Verbleibensfrist. Ein vorzeitiges Ausscheiden von Wirtschaftsgütern aus dem Betrieb bzw. der Betriebsstätte erkennt der Senat ausnahmsweise dann als unschädlich an, wenn die Gründe hierfür im Wirtschaftsgut selbst liegen, weil es technisch abgenutzt oder wirtschaftlich verbraucht ist und auch für Dritte keinen oder nur noch einen sehr geringen Wert hat (Senatsurteil in BFHE 196, 447, BStBl II 2002, 106, m.w.N.).

Nach dem Senatsurteil vom 7. Februar 2002 III R 14/00 (BStBl II 2002, 312) ist eine ununterbrochene "aktive Nutzung" des Wirtschaftsguts selbst nicht erforderlich. Es muss daher nicht ständig betrieblich eingesetzt werden, vielmehr reicht es aus, dass es dem Betrieb zur Nutzung zur Verfügung steht.

b) In Fortführung dieser Grundsätze und unter Beachtung des Zwecks der Investitionszulage, die Wirtschaftstätigkeit durch den Einsatz der mit der Zulage geförderten Wirtschaftsgüter in dem Betrieb bzw. in der Betriebsstätte des Investors zu stärken, ist für die Begünstigung auch zu fordern, dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter während des Dreijahreszeitraums in der Betriebsstätte bzw. in dem Betrieb des Investors tatsächlich eingesetzt werden oder zumindest einsetzbar sind. Das bloße Vorhandensein eines Wirtschaftsguts genügt nicht. Weitere Begünstigungsvoraussetzung ist vielmehr, dass das betreffende Wirtschaftsgut auch im Betrieb seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann. Ist dies aufgrund der Produktionsunterbrechung unmöglich, sind die Verbleibens- bzw. Verwendungsvoraussetzungen grundsätzlich nicht erfüllt. Dass die Betriebsumstellung und die damit verbundene Produktionsunterbrechung aus betriebswirtschaftlichen Gründen erforderlich ist, rechtfertigt es ebenso wenig wie in den Fällen eines betrieblich veranlassten vorzeitigen Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aus der Betriebsstätte, die Verbleibensvoraussetzungen ausnahmsweise einschränkend auszulegen, da diese gewährleisten sollen, dass die die Wirtschaft stärkenden Impulse von dem tatsächlichen betrieblichen Einsatz der geförderten Wirtschaftsgüter ausgehen.

c) Für die Entscheidung des Streitfalles kann der Senat offen lassen, ob - wie das FG meint - die Grundsätze der Rechtsprechung zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor Betriebsbeginn entsprechend anzuwenden sind und die infolge der Produktionsunterbrechung fehlende aktive Teilnahme des Betriebs am wirtschaftlichen Verkehr dann als unschädlich angesehen werden kann, wenn die Produktionsanlagen zügig umgebaut und alsbald wieder in Betrieb genommen werden. Denn bei einer Nichteinsetzbarkeit der Wirtschaftsgüter für mehr als ein Jahr wäre auch die Anschaffung vor Betriebsbeginn nicht begünstigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind vor der Eröffnung des Betriebs angeschaffte Wirtschaftsgüter zulagenbegünstigt, sofern der Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet wird. Es ist unschädlich, wenn solche Wirtschaftsgüter wegen der erst nachfolgenden Betriebseröffnung tatsächlich noch nicht eingesetzt werden können (Senatsurteil vom 7. November 2000 III R 19/98, BFHE 193, 229, BStBl II 2001, 256, m.w.N.). Bei Anschaffung und Betriebseröffnung im selben Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr ist die Investitionszulage daher im Regelfall zu gewähren (Senatsurteil vom 16. März 2000 III R 21/99, BFHE 192, 169, BStBl II 2000, 700). Dementsprechend sieht die Finanzverwaltung die Verbleibensvoraussetzungen als gegeben an, wenn die betriebliche Tätigkeit innerhalb eines Jahres nach der Lieferung oder Fertigstellung des Wirtschaftsguts begonnen wird (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768 Tz. 29). Bei einem darüber hinausgehenden Zeitraum ist nicht mehr gewährleistet, dass eine Investition durch entsprechenden Einsatz der geförderten Wirtschaftsgüter in der Betriebsstätte des Investors hinreichend zum Tragen kommt und die erwünschten wirtschaftsstärkenden Impulse auslösen kann.

2. Hiervon ausgehend sind im Streitfall die Verbleibensvoraussetzungen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 2 InvZulG 1986 nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des FG, die von der Klägerin nicht angegriffen werden, ruhte die Produktion in der Betriebsstätte der Klägerin vom 1. Juli 1989 bis zur Wiederaufnahme am 13. August 1990, somit rd. 13 1/2 Monate. Dies wird auch durch die Entlassung des Großteils der Arbeitnehmer der Klägerin deutlich. Somit sind auch die Wirtschaftsgüter, die die Klägerin nach der Wiederaufnahme der Produktion weiter in ihrer Betriebsstätte verwandte, nicht begünstigt.