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  BFH-Urteil vom 28.2.2002 (V R 42/01) BStBl. 2002 II S. 642

1. Eine Steuererklärung ohne die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift ist zwar unwirksam. Dieser Mangel ist aber unbeachtlich, wenn auf eine solche Steuererklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht.

2. Eine Zustimmung zu einer Steueranmeldung ist ein Verwaltungsakt, wenn sie dem Steuerpflichtigen durch eine Abrechnung bekannt gegeben wird.

AO 1977 § 118 Satz 1, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 168, § 233a Abs. 5; UStG 1991 § 18 Abs. 3 Sätze 1 und 3.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 2001, 870)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 1 (Kläger) betrieb im Streitjahr 1991 ein Unternehmen mit drei Betrieben in X und einem Betrieb in Y. Hinsichtlich der Betriebe in X hat die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2 im Laufe des Klageverfahrens die Rechtsnachfolge angetreten.

Am 26. Februar 1993 ging beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eine - nicht unterschriebene - Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1991 für das Unternehmen des Klägers ein. In einem ebenfalls nicht unterschriebenen Begleitschreiben wurde darauf hingewiesen, diese Erklärung enthalte noch nicht den Umsatz des in Y gelegenen Betriebs; es werde umgehend eine berichtigte Umsatzsteuer-Erklärung 1991 nachgereicht, wenn die endgültigen Werte vorlägen. Angemeldet wurde in dieser Erklärung eine Umsatzsteuer in Höhe von 2.498.590,26 DM; nach Abzug der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen - soweit diese auf die drei Betriebe in X entfielen - in Höhe von 2.544.244,90 DM errechnete sich hieraus ein Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von 45.654,64 DM.

Am 13. April 1993 ging die vom Kläger unterschriebene, nunmehr vollständige Umsatzsteuer-Erklärung für 1991 beim FA ein. Hieraus ergab sich für alle vier Betriebe ein Erstattungsanspruch von 47.844,67 DM.

Am selben Tag wurde die am 26. Februar 1993 eingegangene Umsatzsteuer-Erklärung bearbeitet. Das FA stimmte der Erklärung zu und erteilte dem Kläger unter dem 16. Juni 1993 eine "Abrechnung zur Umsatzsteuer für 1991" sowie einen "Bescheid über Zinsen". Dabei wurden von der erklärten Umsatzsteuer in Höhe von 2.498.590,26 DM versehentlich sämtliche von dem Kläger für das Jahr 1991 gezahlten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Höhe von 3.255.494,30 DM abgesetzt und nicht lediglich der nach der Umsatzsteuer-Erklärung auf die drei Betriebe in X entfallende Betrag von 2.544.244,90 DM. Dadurch ergab sich eine Zuvielzahlung des Klägers in Höhe von 756.864,04 DM. Davon ausgehend setzte das FA Erstattungszinsen zugunsten des Klägers in Höhe von 3.784 DM fest.

Von dem so errechneten Erstattungsanspruch von insgesamt 760.648,04 DM überwies das FA dem Kläger am 28. Juni 1993 einen Betrag von 262.870 DM und buchte den Restbetrag auf Lohn- und Umsatzsteuern für April und Mai 1993 um.

Die (zweite) am 13. April 1993 beim FA eingegangene Umsatzsteuer-Erklärung des Klägers wurde erst am 29. Juni 1993 bearbeitet. Durch Bescheid vom 23. Juli 1993 setzte das FA die Umsatzsteuer 1991 nunmehr (wie in der Erklärung angegeben) auf 3.205.697,56 DM fest. In der Abrechnung zu diesem Bescheid heißt es sodann, hierauf seien (nur) 2.498.590,26 DM gezahlt worden. Dieser Betrag war errechnet worden aus den geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 3.255.454,30 DM abzüglich der lt. Abrechnung vom 23. Juni 1993 zu viel gezahlten und mittlerweile erstatteten 756.864,04 DM. Der Kläger wurde aufgefordert, die sich daraus ergebende Nachzahlung in Höhe von 707.107,30 DM bis zum 26. August 1993 zu entrichten. Zugleich setzte das FA die im vorliegenden Verfahren strittigen Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer 1991 in Höhe von 10.358 DM fest. Die Zinsen wurden wie folgt berechnet:

Festgesetzte Umsatzsteuer

3.205.697,56 DM

   
Vorher festgesetzte Umsatzsteuer

2.498.590,20 DM

   
Unterschiedsbetrag zu ihren Ungunsten

707.107,30 DM

   
Zu verzinsen  
707.100,00 DM vom 1. April 1993  
bis 26. August 1993  
(4 volle Monate zu 0,5 v.H. = 2,0 v.H.)  
   
Nachzahlungszinsen

14.142,00 DM

   
Bisher festgesetzte Zinsen

-3.784,00 DM

   
Festzusetzende Zinsen

10.358,00 DM

Die Steuerschuld in Höhe von 707.107,30 DM entrichtete der Kläger am 26. August 1993 an die Finanzkasse.

Gegen den Zinsbescheid erhob er Einspruch und nach dessen Zurückweisung Klage.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung aus, das FA habe in dem angefochtenen Zinsbescheid vom 23. Juli 1993 zu Unrecht Nachforderungszinsen unter Anwendung des § 233a Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 10.358 DM festgesetzt. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar, weil es sich bei der Steuerfestsetzung vom 23. Juli 1993 nicht um die Änderung einer Umsatzsteuerfestsetzung, sondern in Wahrheit um eine erstmalige Steuerfestsetzung gehandelt habe. Denn zuvor sei noch keine Steuerfestsetzung erfolgt, weil die am 26. Februar 1993 beim FA eingegangene Umsatzsteuer-Erklärung entgegen § 18 Abs. 3 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) nicht eigenhändig vom Kläger unterschrieben worden sei.

Deshalb könnten Nachforderungszinsen allenfalls nach § 233a Abs. 3 AO 1977 verlangt werden. Danach sei für die Zinsberechnungen nicht der Unterschiedsbetrag zwischen der Erstfestsetzung und der Zweitfestsetzung maßgebend, sondern der Unterschiedsbetrag zwischen der mit Bescheid vom 23. Juli 1993 (erstmals) festgesetzten Steuer und den festgesetzten Vorauszahlungen. Zwar ergebe sich dabei ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Klägers (Erstattungsbetrag) in Höhe von 49.757 DM. Dieser Betrag sei aber nicht maßgeblich, weil dem Kläger ein Teil der festgesetzten Vorauszahlungen bereits am 28. Juni 1993 erstattet worden sei.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 870 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision wendet sich das FA gegen die Rechtsauffassung des FG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der angefochtene Zinsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 233a Abs. 5 AO 1977. Der Auffassung des FG, diese Vorschrift sei im Streitfall nicht anwendbar, weil die am 26. Februar 1993 beim FA eingegangene Umsatzsteuer-Erklärung 1991 nicht unterschrieben war, vermag der Senat nicht zu folgen.

1. Führt die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einer Steuernachforderung, ist diese gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen. Nach der im Streitfall anzuwendenden Fassung beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977), hier für die Umsatzsteuer 1991 also am 1. April 1993.

Maßgebend für die Zinsberechnung ist nach § 233a Abs. 3 Satz 1 AO 1977 die festgesetzte Umsatzsteuer, vermindert um die festgesetzten Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag). Wird die Umsatzsteuerfestsetzung aufgehoben oder geändert, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 AO 1977 eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO 1977).

2. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 233 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 vor.

Das FA hat durch Bescheid vom 23. Juli 1993 die bisherige Umsatzsteuerfestsetzung für 1991, die gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 168 AO 1977 mit Zustimmung des FA vom 16. Juni 1993 wirksam wurde, geändert. Dass die zugrunde liegende, am 26. Februar 1993 beim FA eingegangene Umsatzsteuer-Jahreserklärung nicht gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 UStG unterschrieben war, führt - entgegen der Auffassung des FG - nicht zur Unwirksamkeit dieser Steuerfestsetzung.

a) Zwar ist eine Steuererklärung, die die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift nicht enthält, unwirksam (vgl. zur Einkommensteuer-Erklärung: Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; BFH-Beschluss vom 26. März 1999 X B 196/98, BFH/NV 1999, 1309).

b) Dieser Mangel ist aber unbeachtlich, wenn auf eine solche Steuererklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht.

So ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Bescheid über einen Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht deshalb nichtig, weil dem Antrag die eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 81/89, BFHE 165, 566, BStBl II 1992, 224; zustimmend Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 150 AO 1977 Rz. 34). Nach § 125 Abs. 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Wie der BFH in der vorbezeichneten Entscheidung ausgeführt hat, soll die Eigenhändigkeit der Unterschriftsleistung bei Steuererklärungen (vgl. § 150 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 AO 1977) dem Steuerpflichtigen die Bedeutung seiner Steuererklärung bewusst machen; es soll sichergestellt werden, dass sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und die Richtigkeit der ggf. von einer dritten Person, insbesondere seinem steuerlichen Berater, vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissern kann. Unter Berücksichtigung dieser Zweckbestimmung der eigenhändigen Unterschrift könne deren Fehlen auf einem Antragsformular für einen Lohnsteuer-Jahresausgleich auch im Vergleich mit den in § 125 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 AO 1977 beispielhaft aufgezählten Fällen für die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nicht als besonders schwerwiegender Mangel i.S. des § 125 Abs. 1 AO 1977 gewertet werden.

c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn auf eine entgegen § 18 Abs. 3 Satz 3 UStG nicht unterschriebene Umsatzsteuer-Jahreserklärung ein Steuerbescheid ergangen ist.

Allerdings hat das FA im Streitfall im Anschluss an die am 26. Februar 1993 bei ihm eingegangene, nicht unterschriebene Umsatzsteuererklärung die Umsatzsteuer 1991 nicht durch Steuerbescheid (§ 157 AO 1977) festgesetzt (§ 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO 1977), sondern dieser Steueranmeldung (lediglich) gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 168 Satz 2 AO 1977 zugestimmt, indem es dem Kläger die Abrechnung vom 16. Juni 1993 über Umsatzsteuer 1991 erteilt hat. Diese Zustimmung ist aber ein - nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 165, 566, BStBl II 1992, 224 nicht gemäß § 125 Abs. 1 AO 1977 nichtiger - Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO 1977.

Wie der XI. Senat des BFH bereits ausgeführt hat, liegt es nach Wortlaut und Inhalt der gesetzlichen Regelung nahe, davon auszugehen, dass der Zustimmung i.S. des § 168 AO 1977 (in Verbindung mit der Steueranmeldung) die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1996 XI R 42/94, BFHE 179, 248, BStBl II 1996, 660). Der erkennende Senat teilt diese Ansicht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662).

Die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO 1977 bedarf gemäß § 168 Satz 3 AO 1977 keiner Form; es genügt deshalb, wenn sie dem Steuerpflichtigen durch eine Abrechnung bekannt gegeben wird (vgl. § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1 AO 1977), wie dies im Streitfall geschehen ist. In diesem Fall handelt es sich um eine Entscheidung, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (vgl. § 118 Satz 1 AO 1977). Denn (nur) durch eine solche Zustimmung des FA steht gemäß § 168 AO 1977 eine zu einer Steuervergütung führende (konkrete) Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.