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BFH-Urteil vom 19.6.1980 (II R 104/77) BStBl. 1980 II S. 664

Der nachträgliche Erwerb zusätzlichen Gartengeländes zu einem Wohngrundstück ist gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern vom 16. Juli 1969 steuerfrei, wenn dieser Erwerb bereits bei Abschluß des nach der genannten Vorschrift steuerfreien Kaufvertrages über das Wohngrundstück vorgesehen war, das Gartengelände innerhalb der Frist des Art. 1 Nr. 4 Satz 2 GrESWG Bayern erworben wurde und die gesamte Fläche die nach Art. 2 GrESWG Bayern zulässige Größe nicht überschreitet (Anschluß an die Urteile vom 13. Dezember 1978 II R 92/76, BFHE 127, 67, BStBl II 1979, 343 und vom 16. Mai 1979 II R 38/74, BFHE 128, 270, BStBl II 1979, 656).

GrESWG Bayern vom 16. Juli 1969 Art. 1 Nr. 4, Art. 2.

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute: Sie kauften durch Vertrag vom 2. August 1974 (Vertrag I) ein Grundstück mit einem zu errichtenden grundsteuerbegünstigten Einfamilienhaus (Grundstück 1). Das Haus wurde am 21. Januar 1975 bezugsfertig.

Mit Vertrag vom 29. Juli 1975 (Vertrag II) erwarben die Kläger von den Verkäufern des Grundstückes 1.100 qm Gartenland (Grundstück 2), das an das Grundstück 1 angrenzt. Die Auflassung wurde erklärt, die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch beantragt. Die Verkäufer hatten dieses Grundstück 2 zusammen mit weiterem Gelände ihrerseits von einem Dritten mit Vertrag vom 5. September 1974 erworben. Sie verwendeten dieses Gelände mit Ausnahme des Grundstückes 2 ebenfalls zur Errichtung von Kaufeigenheimen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte mit zwei Steuerbescheiden vom 27. Oktober 1975 Grunderwerbsteuer fest. Die Anträge der Kläger, für den Vertrag II ebenso wie für den Vertrag I Steuerbefreiung gemäß Art. 1 Nr. 4 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG Bayern) vom 16. Juli 1969 zu gewähren, lehnte das FA ab. Die beiden Kaufverträge seien kein einheitliches Vertragswerk. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Steuerbescheide auf. Nach der Zeugenaussage eines der Verkäufer sei bereits bei Abschluß des Vertrages I der Abschluß des Vertrages II mündlich für den Fall vereinbart worden, daß es den Verkäufern ihrerseits gelingen würde, das Grundstück 2 zusammen mit weiterem Gelände von einem Dritten zu erwerben. Die Verträge I und II stünden daher in wirtschaftlichem und zeitlichem Zusammenhang. Der Erwerb durch den Vertrag II sei entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Februar 1970 II B 48/69 (BFHE 98, 372, BStBl II 1970, 332) und des Urteils vom 18. Oktober 1972 II R 38/67 (BFHE 107, 540, BStBl II 1973, 191) gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern steuerfrei.

Mit Beschluß vom 15. Juni 1977 II B 15/77 hat der Senat auf die Beschwerde des FA die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Der Vertrag II unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -). Er ist aber gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern steuerfrei.

Allerdings ist der Erwerb zusätzlichen Gartengeländes zu einem Wohnhaus grundsätzlich nicht dem nachträglichen Kauf von Garagengrundstücken vergleichbar, worauf das FA zu Recht hinweist. Der Kauf solcher Garagengrundstücke teilt grunderwerbsteuerrechtlich regelmäßig deshalb das Schicksal des Erwerbes des dazugehörigen Wohngrundstückes, weil die Garage gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 1 der Zweiten Berechnungsverordnung Zubehörraum zur Wohnung ist (vgl. die BFH-Urteile vom 18. Oktober 1972 II R 38/67, BFHE 107, 540, BStBl II 1973, 191, vom 15. Dezember 1972 II R 129/67, BFHE 109, 68, BStBl II 1973, 597 und vom 14. Dezember 1977 II R 141/76, BFHE 124, 379, BStBl II 1978, 317). Für ein Grundstück, das - wie im vorliegenden Fall - den Hausgarten vergrößert, trifft das nicht zu. Grundsätzlich kann sein Erwerb daher grunderwerbsteuerrechtlich nicht in den Erwerb des Hausgrundstückes einbezogen werden (Urteil vom 14. Dezember 1977 II R 151/71, BFHE 124, 242, BStBl II 1978, 202).

Entscheidend ist für den vorliegenden Fall jedoch, daß nach den vom FA nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG die Kläger bereits bei Abschluß des Vertrages I mit den Verkäufern den Abschluß des Vertrages II über das Grundstück 2 für den Fall vereinbart hatten, daß es den Verkäufern gelingen würde, das Grundstück 2 zusammen mit weiterem Baugelände von einem Dritten zu erwerben. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, sind grunderwerbsteuerrechtlich mehrere Verträge zumindest dann als einheitlicher Rechtsvorgang anzusehen, wenn sie auf einer einheitlichen gemeinschaftlichen Vereinbarung der Beteiligten beruhen (Urteile vom 24. Juli 1974 II R 85/67, BFHE 114, 117, BStBl II 1975, 148, vom 13. Dezember 1978 II R 92/76, BFHE 127, 67, BStBl II 1979, 343, vom 16. Mai 1979 II R 38/74, BFHE 128, 270, BStBl II 1979, 656, vom 4. Juli 1979 II R 59/74, BFHE 128, 407, BStBl II 1979, 681 und vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE 128, 544, BStBl II 1980, 11). Unter diesem Gesichtspunkt ist im vorliegenden Fall der Vertrag II ebenso wie der Vertrag I gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern steuerfrei, da auch der Erwerb des Grundstückes 2 innerhalb der für das Grundstück 1 geltenden Frist des Art. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 GrESWG Bayern erfolgte und nicht ersichtlich ist, daß beide Grundstücke zusammen die nach Art. 2 Abs. 1 GrESWG zulässige Größe überschreiten.

Der Umstand, daß das GrESWG Bayern in Art. 1 Nr. 6 den "Hinzuerwerb" eines Garagengrundstückes zu dem "Stammgrundstück" gesondert von der Steuer befreit, ist für den vorliegenden Fall unerheblich. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Erwerb eines Garagengrundstückes als Zubehör das grunderwerbsteuerrechtliche Schicksal des Erwerbes des Stammgrundstückes teilen soll. Demnach berührt sie nicht den Grundsatz, daß mehrere Verträge unter den oben genannten Voraussetzungen grunderwerbsteuerrechtlich als ein einheitlicher Rechtsvorgang anzusehen sind.