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BFH-Urteil vom 2.7.1980 (II R 132/79) BStBl. 1980 II S. 729

Erwirbt jemand ein Erbbaurecht steuerfrei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG, so ist der gleichzeitige oder nachfolgende Erwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks auch dann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG steuerfrei, wenn der Erwerber nicht bereits bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages eine Wohnung des aufstehenden Hauses bewohnt; es genügt, daß der Erwerber diese Wohnung nach seiner glaubhaften Erklärung spätestens innerhalb von fünf Jahren - gerechnet seit dem Erwerb des Erbbaurechtes - bewohnen wird.

GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2, 4.

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 25. April 1978 erwarben die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) von den Eheleuten H zu je 1/2 ein Erbbaurecht mit Zweifamilienhaus in Niedersachsen für 170.000 DM. Durch einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tage erwarben sie auch das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück von dem Landwirt E für 11.460 DM.

Den Erwerb des Erbbaurechtes ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) grunderwerbsteuerfrei. Für den Erwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstückes setzte er mit Steuerbescheiden vom 26. Mai 1978 jeweils 401,10 DM Grunderwerbsteuer fest.

Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) auf die Klage die Steuerbescheide und die Einspruchsentscheidung auf. Der Erwerb des Grundstückes bilde zusammen mit dem Erwerb des Erbbaurechtes einen einheitlichen Vorgang und sei daher ebenfalls gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG steuerfrei.

Im Revisionsverfahren haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

Die vom FG zugelassene Revision des FA ist teilweise begründet.

1. Der Erwerb des Grundstückes ist steuerfrei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG.

Das erworbene Grundstück war - wie die genannte Vorschrift voraussetzt - bei Abschluß des Kaufvertrages vom 25. April 1978 mit einem Erbbaurecht belastet, dessen wesentlicher Bestandteil das aufstehende, zu mehr als 66 2/3 vom Hundert Wohnzwecken dienende Zweifamilienhaus war. Erbbauberechtigte waren die Kläger. Daß sie schon als Erbbauberechtigte im Erbbaugrundbuch eingetragen waren, ist nicht erforderlich. Für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG muß es genügen, daß die Kläger mit Vertrag vom selben Tage das Erbbaurecht erworben hatten. Denn das Grunderwerbsteuerrecht stellt grundsätzlich auf das Verpflichtungsgeschäft und nicht auf den dinglichen Erwerb ab und es ist kein Grund ersichtlich, hier von diesem Prinzip abzuweichen.

Erforderlich ist außerdem, daß eine Wohnung des Zweifamilienhauses von den Klägern "bewohnt wird". Diese Vorschrift könnte für sich betrachtet dahin verstanden werden, daß der Erwerber des Grundstücks oder seine Verwandten im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks bereits in dem Haus wohnen müssen, das Bestandteil des Erbbaurechts ist. Diese Auslegung würde jedoch den Sinnzusammenhang der Nr. 4 mit den Nrn. 1 bis 3 nicht beachten. Wenn das Gesetz neben dem Erwerb des Erbbaurechts auch den Erwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks begünstigt, so muß daraus entnommen werden, daß es den begünstigten Erwerb des Eigentums an Wohnraum erst mit der Vereinigung von Erbbaurecht und Grundstückseigentum in einer Person als vollendet ansieht. Die Nrn. 1 bis 3 einerseits und die Nr. 4 andererseits bilden demnach zwar selbständige Tatbestände, erfassen aber trotzdem nur Teile eines nach Auffassung des Gesetzgebers einheitlichen Vorganges. Aus dieser Sicht muß die Nr. 4 ausgelegt werden. Genügt es im vorliegenden Fall für die vorläufige Steuerbefreiung des Erbbaurechtserwerbes gemäß Nr. 2, daß eine Wohnung des Hauses von den Klägern künftig (binnen fünf Jahren) ein Jahr lang "bewohnt wird", so muß dieses künftige Bewohnen binnen fünf Jahren seit Erwerb des Erbbaurechtes daher auch für die Anwendung der Nr. 4 genügen. Dabei ist allerdings für die Anwendung der Nr. 4 nicht erforderlich, daß die Kläger die Wohnung ein Jahr lang bewohnen werden. Der Wortlaut der Nr. 4 ist insoweit nicht auslegungsfähig. Der Gesetzgeber hat bei dem gesonderten Erwerb von Erbbaurecht und Grundstück offensichtlich darauf verzichtet, die Steuervergünstigung für den Grundstückserwerb von einer bestimmten Dauer der Eigennutzung abhängig zu machen.

Der Senat folgt damit weitgehend den Gedankengängen des FG, das den Erwerb des Erbbaurechtes und des Grundstückes als einheitlichen Vorgang angesehen hat. Die Auffassung des FG, daß ein solcher Vorgang insgesamt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG steuerbegünstigt sei, setzt jedoch voraus, daß die Nr. 4 erst dann eingreift, wenn der Erwerber oder seine Verwandten eine Wohnung des Hauses beim Grundstückserwerb schon bewohnen. Diese Betrachtungsweise könnte aber zu willkürlichen Ergebnissen führen, wenn die Gegenleistungen für Erbbaurecht und Grundstück zusammen die Grenze von 250.000 DM nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 GrEStEigWoG übersteigen. Der zusätzliche Freibetrag von 100.000 DM nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GrEStEigWoG stünde dem Erwerber nur dann zu, wenn er oder seine Verwandten (zufällig) eine Wohnung des Hauses bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages schon bewohnen. Der Senat zieht daher eine Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG vor, welche diese zufälligen Ergebnisse vermeidet. Es hängt häufig nicht vom Willen des Erbbauberechtigten ab, ob und zu welchem Zeitpunkt er das Grundstückseigentum erwerben kann.

Daß der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 GrEStEigWoG allgemein diejenigen Fälle begünstigt, in denen der Erwerb des Eigentums an Wohnraum in den Erwerb von Erbbaurecht und Grundstückseigentum aufgespalten wird, also auch Fälle, in denen der Erwerb des Erbbaurechtes nicht grunderwerbsteuerbegünstigt war, muß hier außer Betracht bleiben.

2. Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Erwerb des Grundstückes durch die Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStEigWoG nur dann steuerfrei, wenn die Kläger entsprechend ihrer glaubhaften Erklärung innerhalb der nach Nr. 2 maßgebenden Fünfjahresfrist eine Wohnung in dem aufstehenden Haus bewohnen werden. Da § 3 GrEStEigWoG für die Fälle des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 nicht gilt, muß das FA die Kläger nach § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung vorläufig von der Steuer freistellen. Der Senat legt den Klagantrag dahin aus, daß er auch diese vorläufige Freistellung als das Geringere gegenüber der beantragten ersatzlosen Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidung mit einschließt.

Da die Kläger statt der uneingeschränkten Aufhebung der Steuerbescheide und der Einspruchsentscheidung nur die Aufhebung dieser Verwaltungsakte unter Verpflichtung des FA zur vorläufigen Freistellung erreicht haben und die Klage daher nicht in vollem Umfang Erfolg gehabt hat, war sie im übrigen abzuweisen.