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BFH-Urteil vom 17.12.1980 (II R 36/79) BStBl. 1981 II S. 325

Ob die für die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG neben den Kapitalkonten I (Festkonten) geführten Kapitalkonten II Darlehen ausweisen oder echte Beteiligungskonten sind, hängt von den zwischen den Gesellschaftern getroffenen Vereinbarungen ab. Werden an § 120 Abs. 2 HGB orientierte Formulierungen gewählt, wonach auf den Kapitalkonten II Gewinne und Verluste, Entnahmen und Einlagen zu buchen sind, so spricht dies dafür, daß diese Konten bewegliche Kapitalkonten sind und nicht dem Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten der Kommanditisten dienen.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) sind eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und zwei natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt.

In § 6 Abs. 2 und 3 des Gesellschaftsvertrags ist folgendes bestimmt:

"Zur Aufnahme der Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen wird für jeden Gesellschafter ein Privatkonto eingerichtet. Guthaben und Schulden auf dem Privatkonto sind mit 6 % p. a. zu verzinsen. Bezugsgröße für die Berechnung der Zinsen ist das Mittel der Kontenstände zum 1. Januar und 30. Juni eines jeden Jahres.

Die Zinsen auf Guthaben der Privatkonten bilden im Verhältnis unter den Gesellschaftern Betriebsausgaben."

Nach § 12 des Gesellschaftsvertrags sind die Gesellschafter berechtigt, "der Gesellschaftskasse zu entnehmen:

a) die Beträge, die nach vorstehenden Vorschriften Betriebsausgabencharakter haben,

b) die auf ihren Anteil am Betriebsgewinn und Betriebsvermögen ruhenden Steuern,

c) die Beträge, deren Ausschüttung die Gesellschaftsversammlung beschließt."

In den Bilanzen der Klägerin werden Kapitalkonten I und II ausgewiesen. Die Kapitalkonten I sind Festkonten. Auf den Kapitalkonten II der Kommanditistin sind 1972 die Gewinne der Kommanditisten gutgeschrieben und die Überweisungen an die Kommanditisten für Steuerzahlungen belastet worden. Daneben enthielt das Kapitalkonto II eines der beiden Kommanditisten noch Belastungen für ein "Vorab" von... DM und für Mehrwertsteuer für Warenentnahme, Auto und Telefonprivatentnahmen in Höhe von... DM. Die Salden auf den Kapitalkonten II sind nicht verzinst worden. Konten unter der Bezeichnung Privatkonto werden von der Klägerin nicht geführt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA -) hat angenommen, daß auf den Kapitalkonten II Darlehensforderungen der Kommanditisten angesammelt werden. Da diese Forderungen nicht verzinst worden seien, sei der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 c des Kapitalverkehrsteuergesetzes i. d. F. vom 17. November 1972 (KVStG 1972) verwirklicht worden. Das FA setzte demgemäß gegenüber der Klägerin wegen des Zinsverzichts für das Kalenderjahr 1972 Gesellschaftsteuer fest.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Steuerbescheid antragsgemäß aufgehoben. Es ist nach Vernehmung der beiden Kommanditisten zu dem Ergebnis gekommen, daß die Salden auf den Kapitalkonten II der Kommanditisten zu ihrem Kapitalanteil gehören.

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA ist unbegründet. Der Senat schließt sich im Ergebnis der Auffassung des FG an, daß es sich bei den auf den Kapitalkonten II ausgewiesenen Salden um Teile der Kapitalanteile der Kommanditisten handelt und daß deshalb in der Nichtverzinsung der Salden keine freiwilligen Leistungen i. S. des § 2 Nr. 4 c KVStG 1972 gesehen werden können.

Für die Annahme, daß es sich bei den Kapitalkonten II um sog. bewegliche Kapitalkonten handelt, die neben den festen Kapitalkonten geführt werden (vgl. hierzu Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, S. 258 ff.), sprechen nicht nur die vom FG gewürdigten Aussagen der beiden Kommanditisten, sondern vor allem auch die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Abmachungen. Wenn im § 6 des Gesellschaftsvertrags bestimmt worden ist, daß zur Aufnahme der Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen ein Privatkonto eingerichtet wird, so deutet bereits diese Formulierung, die an § 120 Abs. 2 HGB und nicht an § 169 HGB orientiert ist, darauf hin, daß hier Vorgänge im Kapitalbereich angesprochen werden. Trotz des § 11 Satz 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Kommanditisten am Verlust der Gesellschaft nur bis zur Höhe der Kommanditeinlagen teilnehmen, muß dem § 6 des Vertrags entnommen werden, daß sie auch mit den auf den Privatkonten zu ihren Gunsten verbleibenden Salden für Verluste der Klägerin einstehen sollten, auch wenn im § 5 des Vertrags als Kommanditeinlagen offensichtlich nur die festen Einlagen bezeichnet worden sind. Damit enthält bereits § 6 des Gesellschaftsvertrags ein entscheidendes Indiz dafür, daß den Privatkonten der Kommanditisten der Charakter von Kapitalkonten zukommen sollte (vgl. Hüber, a. a. O., S. 259).

Dieses Indiz haben die Gesellschafter noch dadurch verstärkt, daß sie den Konten, auf denen in den Folgejahren die Gewinne, Entnahmen und Einlagen gebucht wurden, die Bezeichnung Kapitalkonten II gegeben und darüber hinaus von einer Verzinsung der Salden abgesehen haben. Mag die Bezeichnung der Konten auch für sich allein nicht ausschlaggebend sein, so deutet jedoch eine gewollte Änderung gegenüber den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag auf den Willen der Gesellschafter hin, daß auf diesen Konten keine Darlehen der Gesellschafter angesammelt werden. Damit werden die Aussagen der Kommanditisten bestätigt.

Der vorliegende Fall liegt unter diesen Umständen anders als der Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) durch Urteil vom 23. Februar 1978 II ZR 145/76 (Betriebs-Berater 1978 S. 630) entschieden hat. Dort hatten die Gesellschafter besondere Darlehenskonten gebildet, denen nur Teile der Gewinne zugeführt wurden, während die Gewinne im übrigen auf einem Reservefonds angesammelt wurden. Deshalb hat der BGH erklärt, daß dann, wenn im Gesellschaftsvertrag deutlich zwischen echten Beteiligungskonten und Darlehenskonten unterschieden wird, im Zweifel davon auszugehen sei, daß die Darlehenskonten, wie ihre Bezeichnung nahelege, dazu bestimmt seien, echte ziffernmäßig festgelegte Forderungen (und ggf. Schulden) der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft auszuweisen, die nach vollzogener Gutschrift - selbst bei Verlusten der Gesellschaft - dem Gesellschafter nicht mehr entzogen werden könnten. Der vorliegende Fall liegt grundlegend anders. Er ähnelt hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Kapitalkonten II als echte Kapitalkonten mehr dem Fall, der vom BGH mit Urteil vom 20. April 1972 II ZR 143/69 (BGHZ 58, 316, 321) entschieden worden ist.

Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, daß die von den Gesellschaftern vereinbarte Änderung der Bezeichnung der neben den Kapitalkonten I geführten Kapitalkonten nicht zu einer ausdrücklichen schriftlichen Änderung des Gesellschaftsvertrags geführt hat. Soweit in der vereinbarten anderen Bezeichnung dieser Konten eine Vertragsänderung zu sehen ist, ist sie auch ohne Wahrung der vereinbarten Schriftform gültig (vgl. das Urteil des BGH vom 5. Februar 1968 II ZR 85/67, BGHZ 49, 364).

Aus allem folgt, daß die Gesellschafter nicht die gesetzliche Regelung der §§ 167, 169 HGB übernommen haben, sondern vertraglich vereinbart haben, daß die Gewinne, die nicht entnommen werden, gesellschaftsrechtlich auf den Kapitalkonten II gebunden bleiben. In diesem Zusammenhang weist der Senat noch darauf hin, daß es entgegen der Annahme des FA keine Beweislast der Gesellschafter für eine von den gesetzlichen Regeln des HGB abweichende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung gibt (vgl. hierzu das Urteil des BGH vom 27. Januar 1975 II ZR 130/73, Wertpapier-Mitteilungen 1975 S. 662).