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BFH-Beschluß vom 28.7.1982 (V R 64/82) BStBl. 1982 II S. 641

Die Revisionsbegründungsschrift gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO muß gemäß Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer unterzeichnet sein. Die Unterschrift eines Assessors, der nicht gemäß § 53 BRAO von der Landesjustizverwaltung zum Vertreter eines Rechtsanwalts bestellt ist, reicht nicht aus.

Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG.

Vorinstanz: FG Berlin

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht fristgemäß in gehöriger Form begründet worden ist (§§ 124, 120 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das angefochtene Urteil ist der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 24. März 1982 unter Aufnahme einer Zustellungsurkunde zugestellt worden. Ihr nunmehriger Prozeßbevollmächtigter - ein Rechtsanwalt -, hat am 22. April 1982 Revision eingelegt, deren Begründung aber einem besonderen Schriftsatz vorbehalten. Am 24. Mai 1982 ist beim Bundesfinanzhof ein die Revision begründender Schriftsatz eingegangen. Dieser trägt den Briefkopf des Prozeßbevollmächtigten; unterzeichnet ist er "für Rechtsanwalt Dr...." von dem bei diesem beschäftigten Assessor D.

Diese Revisionsbegründung genügt nicht den prozeßrechtlichen Formerfordernissen, weil sie weder von einem Rechtsanwalt noch von einem Steuerberater noch von einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben worden ist.

Gemäß Artikel 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlastG - vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 4. August 1980 (BGBl I 1980, 1147) muß sich vor dem Bundesfinanzhof jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen. Seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 15. September 1975 (Artikel 4 BFH-EntlastG) gilt somit vor dem Bundesfinanzhof, soweit nicht Artikel 1 Nr. 1 Satz 3 BFH-EntlastG eingreift, ein dem § 78 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vergleichbarer Vertretungszwang, unbeschadet der anderen Abgrenzung des zur Vertretung befugten (vor dem Gericht postulationsfähigen) Personenkreises. Ebenso wie zu § 78 Abs. 1 ZPO folgt daraus die Unwirksamkeit der von einer nicht postulationsfähigen Person vorgenommenen Prozeßhandlungen (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 1976 VII ZB 1/76, Leitsatz in der Neuen Juristischen Wochenschrift - NJW - 1976, 1268), soweit nicht für bestimmte Prozeßhandlungen - wie im Zivilprozeß gemäß § 78 Abs. 2 ZPO - Abweichendes gilt.

Eine solche Abweichung ist für die Revisionsbegründung gemäß der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht vorgesehen. Sie folgt insbesondere nicht im Umkehrschluß aus Artikel 1 Nr. 1 Satz 2 BFH-EntlastG, wonach der Vertretungszwang "auch" gilt, "für die Einlegung der Revision oder der Beschwerde". Dies war lediglich deshalb besonders hervorzuheben, weil im finanzgerichtlichen Verfahren - anders als im Zivilprozeß (§ 553 Abs. 1 Satz 1 ZPO) - die Revision bei dem Gericht einzulegen ist, dessen Urteil angefochten wird (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO), und bei dem Finanzgericht kein Vertretungszwang besteht. Artikel 1 Nr. 1 Satz 2 BFH-EntlastG erlaubt folglich keinen Umkehrschluß dahin gehend, für die Revisionsbegründung sei der allgemeine Vertretungszwang des Artikels 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlG aufgehoben. Nach dem Gesetzeszweck einer "Entlastung des Bundesfinanzhofs" ist er vielmehr für die Revisionsbegründung im Hinblick auf §§ 118, 120 Abs. 2 Satz 2 FGO noch in wesentlich höherem Maße geboten als für die bloße Einlegung der Revision (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO). Denn diese muß unter Umständen auch von einem sorgfältigen Prozeßvertreter (besonders bei später Mandatserteilung) allein um der Fristwahrung willen eingelegt werden und wird zuweilen noch vor Abgabe der Revisionsbegründung zurückgenommen. Vor allem folgt aus der bloßen Einlegung der Revision nicht, wie sie begründet wird. Die Revisionsbegründung erfordert eine sorgfältige Durcharbeitung des Streitstoffs durch den derart qualifizierten Prozeßbevollmächtigten (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. Mai 1982 VI R 197/81; demnächst veröffentlicht). Für diese verlangt Artikel 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG die Qualifikation eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers.

Daraus folgt, daß die Revisionsbegründung von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer unterzeichnet sein muß (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 16. August 1979 I R 74/79, BFHE 128, 350, BStBl II 1979, 711). Denn gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision schriftlich einzulegen und schriftlich zu begründen (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 20. Februar 1970 VI R 230/68, BFHE 98, 233, BStBl II 1970, 329). Dies erfordert die eigenhändige Unterzeichnung des Schriftsatzes (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. Januar 1972 III R 88/70, BFHE 104, 497, BStBl II 1972, 427) oder zumindest des Schreibens, mit dem die Revisionsbegründung vorgelegt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Januar 1976 2 AZR 506/74, NJW 1976, 1285) oder innerhalb der Revisionsbegründungsfrist bestätigt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. September 1979 VI ZR 79/79, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs - LM - ZPO § 519 Nr. 71).

Die exceptionelle Zulassung der Rechtsmitteleinlegung und Rechtsmittelbegründung durch Telegramm oder Fernschreiben (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 1982 - 1 StR 817/81 -, Monatsschrift für Deutsches Recht 1982, 509; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. März 1982 I R 91/81, demnächst veröffentlicht) hat das Erfordernis eigenhändiger Unterschrift nicht generell beseitigt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 1975 VII ZR 123/75, NJW 1976, 966). Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 1978 - 4 C 11/78 (NJW 1979, 120), auf das sich die Klägerin beruft, betrifft einen Widerspruch (§ 69 der Verwaltungsgerichtsordnung) und damit das Verwaltungsverfahren und nicht das gerichtliche Verfahren, im besonderen nicht ein solches gerichtliches Verfahren, das - wie zufolge Artikel 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof - unter dem Zwang qualifizierter Prozeßvertretung steht.

Der Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 - GmS-OGB 1/78 (NJW 1980, 172), auf den sich die Klägerin ebenfalls beruft, hat ausdrücklich hervorgehoben, die ihm gestellte und von ihm beantwortete Frage berühre nicht den Anwaltsprozeß im Sinne des § 78 ZPO und nicht das Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975. Im übrigen betraf die Vorlagefrage nicht einen Verzicht auf die Zeichnung der Schriftsätze schlechthin, sondern die Spezialfrage, ob in gerichtlichen Verfahren, die nicht unter besonderem Vertretungszwang stehen, bei Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts und bei Behörden die Vorlage eines von dem zuständigen Beamten nicht eigenhändig unterschriebenen, sondern von der zuständigen Stelle dieser Körperschaft, Anstalt oder Behörde beglaubigt ausgefertigten Schriftsatzes genügt. Mit der Bejahung dieser Frage ist - unbeschadet weitergehender Ausführungen zur Begründung dieses Ergebnisses - nicht mehr gesagt, als daß in Verfahren, die nicht - wie das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof - unter besonderem Vertretungszwang stehen, die gehörig beglaubigte Ausfertigung des Schriftsatzes einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder einer Behörde die (bei den Akten verbleibende) Urschrift dieses Schriftsatzes vertreten kann (vgl. § 47 des Beurkundungsgeseztes), auch wenn die Urschrift nur paraphiert und nicht im eigentlichen Sinne unterschrieben ist.

Für Anwaltsschriftsätze in einem dem Vertretungszwang unterliegenden Rechtsstreit lassen sich somit aus dem Standpunkt des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 keine Folgerungen ziehen. Denn es war bereits zuvor anerkannt, daß die rechtzeitige Vorlage einer von dem postulationsfähigen Rechtsanwalt selbst beglaubigten (vgl. § 170 Abs. 2 ZPO) Abschrift seines Schriftsatzes ausreicht (Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 5. März 1954 VI ZB 21/53, LM ZPO § 519 Nr. 14; Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 1973 - 4 AZR 225/72, Leitsatz in NJW 1973, 1343). Die Unterschrift eines nicht Postulationsfähigen kann aber die Unterschrift des postulationsfähigen Rechtsanwalts nicht ersetzen (Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 1976 VII ZB 1/76, Leitsatz in NJW 1976, 1268). Dem Angestellten eines Rechtsanwalts, der nicht selbst als Rechtsanwalt zugelassen ist, steht weder die Befugnis zur öffentlichen Beglaubigung noch die prozessuale Befugnis des § 170 Abs. 2 ZPO zu. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Vorspann der Zeichnung "für Rechtsanwalt ..." auf eine Beglaubigung oder Bestätigung, der Schriftsatz sei von diesem verfaßt, hindeutet, oder nicht eher dem Wortsinne nach die Aussage enthält, der Schriftsatz sei für diesen gefertigt.

Daß der Assessor, welcher den Schriftsatz "für den Rechtsanwalt" unterzeichnete, die Befähigung zum Richteramt hat, ist unerheblich, sofern der Assessor nicht zum Vertreter des Rechtsanwalts nach § 53 Bundesrechtsanwaltsordnung bestellt ist. Denn Artikel 1 Nr. 1 BFH-EntlastG begnügt sich ebensowenig wie § 78 Abs. 1 ZPO mit der Befähigung zum Richteramt; er setzt sie andererseits hinsichtlich der Postulationsfähigkeit der Steuerberater und der Wirtschaftsprüfer nicht voraus. Gefordert ist also in Artikel 1 Nr. 1 BFH-EntlastG die Prozeßvertretung durch bestimmt qualifizierte Berufsstände. Diese sind nicht nur durch bestimmte Ausbildungsmerkmale gekennzeichnet, sondern auch durch das Bestehen einer Standesgerichtsbarkeit. Demzufolge ist es kein Widerspruch, wenn sich zufolge Artikel 1 Nr. 1 Satz 3 BFH-EntlastG juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden durch Beamte oder Angestellte, welche die Befähigung zum Richteramt haben, vertreten lassen können, andere dagegen zufolge Artikel 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG nicht. Denn die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes unterliegen einer öffentlich-rechtlichen Dienstaufsicht, die Beamten überdies der Disziplinargerichtsbarkeit. Für den bei einem Rechtsanwalt beschäftigten Assessor, der nicht selbst Rechtsanwalt ist, trifft keines dieser Qualifikationsmerkmale zu.

Die Annahme der Klägerin, aus §§ 121, 64, 65 FGO sei für die Revisionsbegründung eine - dem § 78 Abs. 2 ZPO vergleichbare - Befreiung vom Vertretungszwang zu entnehmen, geht offensichtlich fehl. Die Regelungen des § 120 FGO sind § 121 FGO gegenüber abschließend. Der Hinweis auf § 64 Abs. 1 Satz 2 FGO scheitert schon daran, daß nach dieser Vorschrift die Klage nur "bei dem Finanzgericht" zur Niederschrift der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann, nicht aber die in den Fällen des § 37 FGO bei dem Bundesfinanzhof zu erhebende Klage (§ 64 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ebenso gilt die Vorschrift des § 65 Abs. 2 FGO über die Ergänzung der Klagebegründung nicht sinngemäß (§ 121 FGO) für die Revisionsbegründung. Vielmehr machen Formwidrigkeit und Fristversäumung auch hinsichtlich der Revisionsbegründung die Revision unzulässig (§ 124 FGO), vorbehaltlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeter Fristversäumung (§ 56 FGO).

Der Mangel form- und fristgerechter Revisionsbegründung (§ 120 FGO) ist unheilbar geworden. Zwar kann bei nicht fristgebundenen Klagen des Zivilprozesses das Fehlen der Unterschrift durch deren Nachholung geheilt werden, aber nicht bei Rechtsmitteln (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 1975 VIII ZR 254/74, NJW 1975, 1704), es sei denn innerhalb der für das Rechtsmittel oder dessen Begründung vorgeschriebenen Frist. Ebenso können zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zufolge § 56 Abs. 2 FGO nur die Tatsachen berücksichtigt werden, welche dem Gericht innerhalb der Antragsfrist vorgetragen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) oder amtskundig geworden (§ 56 Abs. 1 Satz 4 FGO) sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 24. Juli 1973 IV R 204/69, BFHE 110, 232, BStBl II 1973, 823). Die Nachholungsbefugnis des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO bezieht sich nicht auf den Vortrag der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (BFHE 110, 232), sondern nur auf deren Glaubhaftmachung.

Demzufolge erübrigen sich die von der Klägerin gemäß §§ 121, 76 Abs. 2 FGO erbetenen Hinweise. Denn der gegebene Entscheidungsstoff kann aufgrund eines solchen Hinweises nicht mehr geändert werden. Zu diesem ist der Klägerin das rechtliche Gehör gewährt.

Das wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erhobene Gesuch der Klägerin um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Ein Kanzleiversehen liegt nicht vor; zumindest ist es innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht geltend gemacht worden. Die Versäumung einer formgerechten Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 FGO ist folglich von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin selbst zu vertreten. Dieser ist als Rechtsanwalt wegen der Fristversäumung, die durch Verkennung der Formerfordernisse der Revisionsbegründung verursacht ist, nicht im Sinne des § 56 Abs. 1 FGO entschuldigt. Denn in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils (§ 105 Abs. 2 Nr. 6 FGO) war auf den Vertretungszwang des Artikels 1 Nr. 1 Satz 1 BFH-EntlastG hingewiesen worden; er mußte folglich damit rechnen, daß die Revisionsbegründung gegenüber dem Bundesfinanzhof in gleicher Weise die Unterschrift eines postulationsfähigen Vertreters erfordert wie im Zivilprozeß zufolge §§ 78, 519 ZPO schon die Berufungsbegründung. Dieses Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten muß sich die Klägerin entgegenhalten lassen (§ 155 FGO, § 85 Abs. 2 ZPO).