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BFH-Urteil vom 14.7.1982 (II R 16/81) BStBl. 1983 II S. 19

1. Eine Grundstücksschenkung ist nicht schon mit der Erteilung von Auflassungsvollmachten an die Bürovorsteher des Notars ausgeführt.

2. Wird eine Schenkung erst nach dem Tode des Schenkers ausgeführt, so bleibt für die Festsetzung der Schenkungsteuer gleichwohl das Verhältnis des Schenkers zum Beschenkten maßgebend.

3. § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 ist nicht verfassungswidrig.

ErbStG 1974 § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1, § 17 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der am 27. Januar 1974 verstorbene Kaufmann A (Schenker) schloß am 12. Oktober 1973 mit seiner (zweiten) Ehefrau (Beschenkter) einen Schenkungsvertrag über ein Trennstück (einschließlich des darauf befindlichen Gebäudes) eines Grundstücks in Hamburg. Das Trennstück war in dem dem notariell beurkundeten Vertrag beigefügten Plan rot umrandet. Die Schenkung erfolgte unter der Auflage, daß die Beschenkte nicht zu Lebzeiten ihres Ehemannes ohne dessen Zustimmung über das Trennstück verfügen sollte. Der Schenker behielt sich den lebenslangen, unentgeltlichen Nießbrauch an dem geschenkten Trennstück vor.

In dem Schenkungsvertrag wurde weiter bestimmt, daß die Schenkung mit Wirkung vom Tage des Schenkungsvertrages erfolgen solle und daß eine Anrechnung auf einen Erbteil der Beschenkten nicht zu erfolgen habe. Die Kosten des Vertrages und seiner Durchführung einschließlich etwaiger Steuern sollte der Schenker tragen.

Der Schenker und die Beschenkte erteilten den Bürovorstehern des beurkundenden Notars Vollmacht, nach erfolgter Vermessung des Trennstückes die Identität des vermessenen mit dem verschenkten Grundstück festzustellen und die Auflassung zu erklären.

Die Auflassung wurde am 28. Mai 1974 erklärt, nachdem die Teilungsgenehmigung am 7. Dezember 1973 und am 18. Dezember 1973 der Auftrag zur Vermessung erteilt worden war. Der Antrag auf Umschreibung des geschenkten Grundstücks ist am 10. Juli 1974 gestellt worden.

Der Schenker wurde von seinen acht Kindern (den Klägern) beerbt, von denen drei auch Kinder der Beschenkten waren.

Der Schenker vermachte der Beschenkten eine lebenslängliche Rente von 4.000 DM brutto und außerdem ein Grundstück, das nach dem Vortrag der Kläger mit dem geschenkten Grundstück identisch ist. Die Beschenkte machte im Frühjahr 1974 noch vor der Auflassung des geschenkten Grundstücks gegenüber den Klägern ihren Pflichtteilsanspruch geltend, ohne das Vermächtnis auszuschlagen.

Am 11. April 1979 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wegen der Schenkung des Trennstückes gegen die Kläger als Erben des Schenkers Schenkungsteuer in Höhe von 95.401,50 DM fest. Dieser Bescheid war vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen des endgültigen Wertes des Erwerbs der Beschenkten von Todes wegen. Das FA nahm an, daß die Schenkung am 28. Mai 1974, dem Tag der Erklärung der Auflassung, ausgeführt worden sei. Bei der Berechnung der Schenkungsteuer berücksichtigte es aufgrund des § 14 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG) auch den Erwerb der Beschenkten von Todes wegen, der bereits in einem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden geänderten Steuerbescheid vom 24. Mai 1978 erfaßt worden war.

Die Kläger legten gegen den Schenkungsteuerbescheid Einspruch ein und machten geltend, daß die Schenkung des Grundstücks bereits am 12. Oktober 1973, dem Tag des Schenkungsvertrags, ausgeführt worden sei. Ihr Einspruch wurde zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage beantragten sie die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Steuerbescheides. Sie machten geltend, daß die Auflassung erst nach der Vermessung des geschenkten Grundstücksteils habe erklärt werden können. Durch den Abschluß des Schenkungsvertrages und die Erteilung von Auflassungsvollmachten habe der Schenker alles getan, um die Schenkung auszuführen. Seine Ehefrau habe dadurch ein unentziehbares Anwartschaftsrecht erhalten. Auf den Tag der Auflassung komme es unter diesen Umständen nicht an. Würde man allerdings annehmen, daß die Schenkung erst am 28. Mai 1974 ausgeführt worden sei, so müsse man davon ausgehen, daß die Kläger als Erben des inzwischen verstorbenen Schenkers steuerlich als Schenker anzusehen seien.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben Revision eingelegt und weiterhin geltend gemacht, daß die Schenkung bereits im Jahre 1973 ausgeführt worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der angefochtene Steuerbescheid entspricht dem geltenden Recht.

1. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Schenkung aufgrund des Schenkungsversprechens vom 12. Oktober 1973 im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 nicht vor dem 28. Mai 1974 ausgeführt worden und deshalb die Schenkungsteuer nicht vor diesem Tage entstanden.

Das ErbStG regelt nicht ausdrücklich, wann eine Schenkung, insbesondere eine Grundstücksschenkung ausgeführt worden ist. Nach dem natürlichen Wortsinn ist eine Ausführung der Schenkung spätestens dann anzunehmen, wenn der Leistungserfolg eingetreten ist, wenn der Beschenkte Eigentümer der geschenkten Sache bzw. Inhaber des geschenkten Rechtes geworden ist. Für die Grundstücksschenkungen allerdings, bei denen der Eintritt des Leistungserfolges wegen der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch der Mitwirkung des Grundbuchamtes bedarf, hat der Senat entschieden, daß ein Schenkungsversprechen über ein Grundstück ausgeführt sei, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu beantragen (vgl. das Urteil vom 14. März 1979 II R 67/76, BFHE 127, 437, BStBl II 1979, 642). Hieran hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest, wobei er offenlassen kann, ob entsprechend der Auffassung von Crezelius (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - , § 14 ErbStG 1959 Anm. zu Rechtsspruch 4) die Auflassung erst dann als Ausführung der Schenkung anzusehen ist, wenn durch Stellung des Grundbuchantrages seitens des Beschenkten die schützenden Wirkungen des § 17 der Grundbuchordnung (GBO) eingetreten sind, der Beschenkte somit ein Anwartschaftsrecht erlangt hat (vgl. hierzu Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 41. Aufl., § 925 Anm. 6 b aa). Denn darauf kommt es im vorliegenden Fall nicht an.

Der Senat vermag nicht der Auffassung der Revision zu folgen, daß im Streitfall die Schenkung bereits dadurch ausgeführt worden sei, daß Auflassungsvollmachten an die Bürovorsteher erteilt worden seien. Diese Vollmachten berechtigten die Bürovorsteher zwar, die Auflassung als dinglichen Vertrag zu erklären. Damit war aber der dingliche Rechtsübergang noch nicht unmittelbar eingeleitet (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. Oktober 1974 4 ZR 85/73, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1974, 2319 mit Anm. von Finger in NJW 1975, 535).

Daraus ergibt sich, daß der Schenker sein Ziel, die Schenkungsteuer noch während der Herrschaft des ErbStG 1959 zur Entstehung zu bringen, nicht erreicht hat. Denn das ErbStG 1959 gilt bei Schenkungsversprechen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 nur dann, wenn die Schenkung vor diesem Zeitpunkt auch ausgeführt wird (vgl. § 37 Satz 1 ErbStG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974, BGBl I S. 933, i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974). Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, daß der Gesetzgeber Schenkungen, die zwar vor dem 1. Januar 1974 versprochen, aber erst nach dem 31. Dezember 1973 ausgeführt wurden, dem neuen Recht unterstellt hat.

Für die Besteuerung ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht ihr Verhältnis zu der Beschenkten maßgebend. Obwohl die Schenkung erst nach dem Tode des Schenkers ausgeführt worden ist, bleibt sie eine Schenkung des Schenkers, die die Kläger als seine Erben aufgrund der auf sie übergegangenen Verpflichtung erfüllt haben. Daraus kann nicht hergeleitet werden, daß nunmehr von einer Schenkung der Kläger auszugehen ist. Es kommt deshalb nur der Ehegattenfreibetrag von 250.000 DM zum Abzug (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Daneben ist wegen der Zusammenrechnung mit dem Erwerb der Beschenkten von Todes wegen (vgl. § 14 ErbStG 1974) der besondere Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 i. H. v. 250.000 DM abzuziehen.

2. Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit des § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 geprüft. Er verneint diese Frage.

Durch § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 ist ein besonderer Versorgungsfreibetrag i. H. v. 250.000 DM für den überlebenden Ehegatten eingeführt worden. Dessen Zweck besteht vor allem darin, dem überlebenden Ehegatten einen angemessenen Ausgleich zu verschaffen, dem aus Anlaß des Todes des Erblassers keine oder nur geringe nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsbezüge zustehen. Der Gesetzgeber wollte damit die sonst eintretende Ungleichbehandlung der überlebenden Ehegatten mit Hinterbliebenenbezügen und der Ehegatten ohne Hinterbliebenenbezüge ausgleichen. Darin, daß er diesen Ausgleich durch einen einheitlichen Freibetrag i. H. v. 250.000 DM vorgenommen hat, ist kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu sehen, obwohl nach dem Lebensalter abgestufte Freibeträge denkbar gewesen wären, wie sie z. B. § 17 Abs. 2 ErbStG 1974 für Kinder des Erblassers vorsieht.

Ein Verfassungsverstoß ergibt sich nicht daraus, daß es nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Hinterbliebenenbezüge des überlebenden Ehegatten gibt, deren Kapitalwert den Betrag von 250.000 DM übersteigt. Es ist ausreichend, daß der Gesetzgeber einen Freibetrag gewählt hat, der für die überwiegende Zahl der Fälle einen ausreichenden Ausgleich herbeiführt. Dies ist der Fall.

Geht man davon aus, daß die überlebende Ehefrau im Zeitpunkt des Todes ihres Ehemanns 65 Jahre alt ist, so entspricht der Versorgungsfreibetrag von 250.000 DM einer Jahresrente von rd. 26.400 DM (bei einem Vervielfacher von 9,467). Der Senat hat keinen Zweifel, daß damit für das hier maßgebende Jahr 1974 in der überwiegenden Zahl der Fälle eine ausreichende Gleichstellung der überlebenden Ehegatten ohne Hinterbliebenenbezüge erreicht worden ist. Der Gesetzgeber brauchte nicht zu berücksichtigen, daß der Kapitalwert der nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Hinterbliebenenbezüge des überlebenden Ehegatten im Einzelfall höher sein konnte als 250.000 DM. Es war verfassungsrechtlich nicht geboten, die Höhe des Versorgungsfreibetrages an den höchsten Hinterbliebenenbezügen von überlebenden Ehegatten zu orientieren.

In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein, daß die Bewertung des Nachlasses in zahlreichen Fällen zu Werten erfolgt, die hinter den Verkehrswerten z. T. erheblich zurückbleiben. Es wird auf die Einheitswerte der Grundstücke verwiesen. In diesen Fällen erhält der Versorgungsfreibetrag ein größeres Gewicht, als es in seiner absoluten Höhe zum Ausdruck kommt.

Die Regelung des § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil der Versorgungsfreibetrag nicht nach dem Lebensalter des überlebenden Ehegatten differenziert worden ist. Der Senat verkennt dabei allerdings nicht, daß der Kapitalwert der für den zukünftigen Unterhalt des überlebenden Ehegatten erforderlichen Beträge um so geringer ist, je älter der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt des Todes seines Ehegatten ist. Dies hätte Anlaß sein können, den Versorgungsfreibetrag nach dem Lebensalter des überlebenden Ehegatten zu differenzieren. Der Senat sieht hierin nur ein rechtspolitisches, jedoch kein verfassungsrechtliches Problem. Die Unterschiede in dem Unterhaltsbedarf für die Lebenszeit des überlebenden Ehegatten erzwingen verfassungsrechtlich keine Differenzierung des Versorgungsfreibetrags. Die aus dem unterschiedlichen Lebensalter des überlebenden Ehegatten resultierende Ungleichheit ist nicht so stark, daß der Gesetzgeber sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätte beachten müssen (vgl. in diesem Zusammenhang Beschl. des BVerfG vom 14. April 1964 2 BvR 69/62, BVerfGE 17, 319, 330; vom 12. Januar 1967 1 BvR 169/63, BVerfGE 21, 73, 84; vom 21. Oktober 1971 2 BvR 367/69, BVerfGE 32, 157, 167). Keineswegs kann davon gesprochen werden, daß die Unsachlichkeit der getroffenen Freibetragsregelung des § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 evident ist (vgl. hierzu Beschl. des BVerfG vom 9. Mai 1961 2 BvR 49/60, BVerfGE 12, 326, 333; vom 1. Juli 1964 1 BvR 375/62, BVerfGE 18, 121, 124; vom 6. März 1968 1 BvL 2/63, BVerfGE 23, 135, 143).

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang vor allem, daß der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt ist zu typisieren und zu generalisieren (Urteil des BVerfG vom 24. Juli 1963 1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1, 23; Beschluß vom 30. Mai 1962 2 BvR 158/62, BVerfGE 14, 121, 135; Beschluß vom 13. Januar 1976 1 BvR 631/69 und 24/70, BVerfGE 41, 126, 180) und dabei geringfügige Ungleichheiten in Kauf nehmen darf (Urteil des BVerfG vom 24. Januar 1962 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 341, BStBl III 1962, 500 ff.). Dies gilt im besonderen Maße bei der bevorzugenden Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23; Beschluß des BVerfG vom 27. Mai 1970 1 BvL 22/63 und 27/64, BVerfGE 28, 324, 356). In diesem Sinne ist es verfassungsrechtlich nicht bedenklich, wenn der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 ErbStG 1974 einen einheitlichen Versorgungsfreibetrag gewählt hat, der, wie bereits ausgeführt worden ist, für den überlebenden Ehegatten im Alter von 65 Jahren und mehr in aller Regel zu einem angemessenen Ausgleich gegenüber dem überlebenden Ehegatten mit nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Hinterbliebenenbezügen führt.

Nicht zu verkennen ist allerdings, daß eine gewisse Ungereimtheit dadurch eingetreten ist, daß die etwaige Kürzung des Versorgungsfreibetrags nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG entsprechend dem Kapitalwert der anzurechnenden Versorgungsbezüge erfolgt, so daß bei gleich hohen jährlichen Versorgungsbezügen die Anrechnung je nach dem Lebensalter des überlebenden Ehegatten unterschiedlich ausfallen kann und der verbleibende Versorgungsfreibetrag danach um so höher ist, je älter der überlebende Ehegatte ist. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß der Gesetzgeber auch hier die Grenzen der ihm trotz des Art. 3 GG gegebenen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit noch nicht überschritten hat.