| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 12.1.1983 (I R 70/79) BStBl. 1983 II S. 223

Der Personenbeförderung dienende Rolltreppen in einem mehrstöckigen Textilkaufhaus sind auch dann Gebäudebestandteile und keine Betriebsvorrichtungen, wenn sie zusätzlich zu schon vorhandenen festen Treppenanlagen eingebaut worden sind.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in einem dreigeschossigen Gebäude ein Kaufhaus für Textilwaren. Die einzelnen Stockwerke sind durch feste Treppen miteinander verbunden. Im Jahre 1976 ließ die Klägerin zusätzlich Rolltreppen einbauen. Die Klägerin betrachtete die Rolltreppen als bewegliche Wirtschaftsgüter, von deren Anschaffungskosten sie Absetzungen für Abnutzung (AfA) unter Zugrundelegung einer siebenjährigen Nutzungsdauer in Anspruch nahm. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte in dem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid 1976 die Rolltreppen als unselbständige Teile des Gebäudes; ihre Anschaffungskosten könnten nur nach dem für das Gebäude geltenden AfA-Satz von 3 v.H. abgeschrieben werden.

Die Sprungklage der Klägerin hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah in den Rolltreppen bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Betriebsvorrichtungen). Es handle sich nicht um unselbständige Gebäudeteile. Die Rolltreppen stünden in einer besonderen Beziehung zu dem auf dem Grundstück betriebenen Gewerbe der Klägerin.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Das FA rügt Verletzung des § 7 Abs. 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Entscheidung widerspreche den vom Bundesfinanzhof (BFH) herausgearbeiteten Merkmalen für die Abgrenzung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens von Grundstückbestandteilen. Die Rolltreppen erfüllten keine für die Ausübung des Gewerbebetriebs der Klägerin ähnliche Funktion wie Maschinen; durch sie werde das Textilkaufhaus der Klägerin nicht unmittelbar betrieben. Die Rolltreppen seien mit ihrem Einbau Gebäudebestandteile geworden und unterlägen damit der AfA des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die von der Klägerin eingebauten Rolltreppen gehören nicht zu den beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die selbständig für sich unter Zugrundelegung einer eigenen Nutzungsdauer abschreibbar sind. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Abgrenzung der beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens von den unbeweglichen Anlagegütern entwickelt hat, soweit es sich um Gegenstände handelt, die mit einem Gebäude verbunden sind, sind in Abschn. 43 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien für das Kalenderjahr 1975 (EStR 1975) zutreffend zusammengefaßt. Zu den beweglichen Anlagegütern gehören Maschinen, maschinelle Anlagen, Werkzeuge, Einrichtungsgegenstände und sonstige Betriebsvorrichtungen, auch wenn sie durch die Verbindung mit dem Grundstück bürgerlich-rechtlich dessen wesentliche Bestandteile geworden sind (BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 59/67, BFHE 92, 257, BStBl II 1968, 565). Hingegen gehören zu der Bewertungseinheit des Gebäudes alle Gebäudebestandteile, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Gebäudes als solchem stehen. Gesonderte AfA auf Gebäudeteile, die nichtselbständige Wirtschaftsgüter sind, sind aus den in dem Bescheid des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) aufgezeigten Gründen nicht möglich. Als Beispiele sind in dieser Entscheidung angeführt: Fahrstuhlanlagen, Heizungsanlagen sowie Be- und Entlüftungsanlagen, welche nur der Nutzung des Gebäudes dienen. Sie unterliegen der AfA des Gebäudes.

Die von der Klägerin eingebauten Rolltreppen sind Gebäudebestandteile, die mit dem Gebäude in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 24. November 1970 VI R 143/69, BFHE 100, 562, BStBl II 1971, 157, und vom 5. März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455) dienen Rolltreppen in einem Warenhaus oder in einem sonstigen Einzelhandelsgeschäft der Benutzung des Gebäudes. Sie sollen dem kaufenden Publikum den Besuch der oberen Stockwerke erleichtern. Sie dienen ganz allgemein der rascheren Abwicklung des Personenverkehrs zwischen den einzelnen Stockwerken. In der Entscheidung in BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455 ist als ausschlaggebend für den Funktionszusammenhang mit dem Gebäude angesehen worden, daß die Rolltreppen - wie auch Personenaufzüge - nicht den Angebot und dem Verkauf der Waren an den Kunden dienen; das zeigten augenfällig Einzelhandelsbetriebe mit warenhausmäßigem Sortiment, die lediglich auf einer Ebene betrieben würden. Wenn in der letztgenannten Entscheidung weiterhin ausgeführt ist, Rolltreppen ersetzten unbewegliche Treppen und mehrgeschossige Gebäude ohne Treppen seien nicht vorstellbar, läßt sich daraus entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin in ihrer Revisionsentgegnung nicht folgern, bei Vorhandensein besonderer unbeweglicher Treppenaufgänge sei der Funktionszusammenhang der möglicherweise zusätzlich eingebauten Rolltreppen mit dem Gebäude gelöst. Der Funktionszusammenhang der Rolltreppen mit dem Warenverkauf wird auch nicht dadurch hergestellt, daß an ihren jeweiligen Endprodukten ein besonders attraktives Warensortiment aufgestellt wird. Nach der aufgezeigten Rechtsprechung sind nicht alle Bestandteile des Grundstücks, die für den Betrieb zweckmäßig und unter Berücksichtigung des Verhaltens und der Ansprüche des Publikums notwendig sind, selbständig bewertbare und für sich abschreibbare Wirtschaftsgüter (Betriebsvorrichtungen), sondern nur diejenigen, durch die das Gewerbe ausgeübt wird.

Der Streitfall bietet dem erkennenden Senat keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Die Vorentscheidung, die die Rolltreppen als Betriebsvorrichtungen und daher als selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angesehen hat, ist daher aufzuheben. Die AfA für die Rolltreppen unterliegen den Abschreibungsgrundsätzen für das Gebäude. Diese hat das FA unstreitig angewendet. Die Klage ist daher abzuweisen.