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BFH-Urteil vom 8.7.1983 (VI R 80/81) BStBl. 1984 II S. 13

Eine eigenhändige Unterschrift i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG (§ 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV) liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige auf einem Unterschriftsstreifen unterschreibt, der vom steuerlichen Berater nach Erstellung der Erklärung auf die für die Unterschriftsleistung vorgesehene Stelle des amtlichen Vordrucks für den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Einkommensteuererklärung geklebt wird. Lehnt das FA in solchen Fällen die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ab, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

EStG 1979 § 42 Abs. 2 Satz 4; AO 1977 § 150 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Am 21. Januar 1980 ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ein Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1979 ein. In dem amtlichen Vordruck war der Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Steuerpflichtiger angegeben. Auf dem für die Unterschrift vorgesehenen Abschnitt war ein Papierstreifen mit folgendem Text aufgeklebt worden:

"Bei der Anfertigung dieses Antrags/dieser Steuererklärung und der Anlagen hat mitgewirkt:

Ich versichere, daß ich die Angaben wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe.

Wir erklären hiermit, daß jeder der unterzeichneten Ehegatten berechtigt ist, den Steuerbescheid in Empfang zu nehmen.

................................................................................................................

(Ort, Datum)                (Unterschrift des                  (Unterschrift der Ehefrau)

                          steuerpflichtigen Ehemannes)

Anträge/Steuererklärungen müssen eigenhändig - bei Ehegatten von beiden - unterschrieben werden."

Auf diesem Papierstreifen befinden sich neben dem gestempelten Datum die eigenhändige Unterschrift des Klägers sowie ein Stempel eines Lohnsteuerhilfevereins.

Nachdem das FA den Kläger vergeblich zur Nachholung der Unterschrift aufgefordert hatte, lehnte es mit Bescheid vom 18. Juli 1980 den Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ab.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 469 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 42 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes 1979 (EStG) und § 150 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Er meint, das FG hätte die zu § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewonnenen Erkenntnisse über die Zulässigkeit von Blankounterschriften zur Auslegung des Merkmals "eigenhändig" i. S. von § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG heranziehen müssen und nicht statt dessen auf die schriftliche Versicherung nach § 150 Abs. 2 AO 1977 abheben dürfen. Letztere müsse außer Betracht bleiben. Denn sie stelle nur ein zusätzliches Erfordernis dar, besage aber nichts über die Beurteilung einer Blankounterschrift, die - was durch ein Gutachten der Steuerberaterkammer nachgewiesen werden könne - bei einer Vielzahl von Steuererklärungen praktiziert werde. Die Annahme von unwirksamen Steuererklärungen in diesen Fällen würde die Rechtssicherheit erheblich belasten.

Der Kläger beantragt, das Urteil der Vorinstanz und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben und das FA zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1979 zu verpflichten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten; er vertritt im wesentlichen folgende Auffassung: Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschriftsleistung i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG sei im Streitfall nicht erfüllt. Der Zweck der genannten Regelung bestehe darin, den Steuerpflichtigen auf die Bedeutung der Steuererklärung aufmerksam zu machen. Die hier gegebene Art der Unterschriftsleistung führe zu Beweisschwierigkeiten im Steuerstrafverfahren, schränke den Anwendungsbereich des § 173 AO 1977 ein und vermindere psychologische Hemmnisse bei beabsichtigten Verstößen gegen die Wahrheitspflicht. Eine dem § 126 BGB zugrunde liegende Interessenlage sei bei Anwendung des § 42 EStG nicht gegeben.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend hat das FG die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch das FA nicht beanstandet.

Nach § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG ist der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich vom Arbeitnehmer, bei Arbeitnehmern, die mit einem Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen, auch vom Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben. Das Vorliegen einer solchen Unterschrift hat das FG ohne Rechtsverstoß verneint. Der auf dem amtlichen Vordruck angebrachte Unterschriftsstreifen reicht nicht aus. Den Anforderungen der Schriftform im Sinne der eigenhändigen Namensunterschrift nach § 126 BGB entsprechen zwar auch Unterschriften, die vor Errichtung der Urkunde gegeben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 31. Oktober 1956 V ZR 177.55, BGHZ 22, 128, 132). Diese Regeln lassen sich aber weder unmittelbar noch mittelbar auf das hier in Rede stehende Tatbestandsmerkmal der eigenhändigen Unterschrift i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG übertragen.

Die Vorschrift des § 126 BGB findet für das öffentliche Recht keine unmittelbare Anwendung (vgl. z. B. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 42. Aufl., § 126 Anm. 1; für das Prozeßrecht s. auch: Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 172). Auch für das Steuerrecht gilt hinsichtlich des Begriffs der eigenhändigen Unterschrift eine eigenständige Beurteilung. So ordnet § 150 Abs. 3 AO 1977 abweichend von der nach § 126 BGB bestehenden Rechtslage an, daß eine Unterzeichnung durch den Bevollmächtigten im Grundsatz ausgeschlossen ist (vgl. hierzu im einzelnen Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1982 VI R 205/81, BFHE 137, 150, BStBl II 1983, 123).

Die für Blankounterschriften geltende Auslegung des § 126 BGB kann auch nicht im Wege der Analogie im Rahmen des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG zum Tragen kommen. Zu Unrecht sieht der Kläger in der Anerkennung von Blankounterschriften und des von ihm praktizierten Verfahrens mit Unterschriftszetteln eine zulässige Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "eigenhändigen" Unterschriftsleistung. Nach einem am Wortlaut orientierten Verständnis dieses vom Gesetzgeber verwendeten Begriffs muß die Unterschrift den Urkundentext räumlich abschließen (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 126 Anm. 3a, m. N.). Sie soll erkennen lassen, daß der von ihr gedeckte Text in den Erklärungswillen des Unterzeichnenden aufgenommen worden ist (vgl. zur Rechtsmittelbelehrung des Urteils das BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 242/75, BFHE 120, 7, BStBl II 1976, 787). Die Anerkennung von blanko vor Einfügung des Urkundentextes geleisteten Unterschriften muß dagegen als ausdehnende Anwendung des Merkmals Unterschrift aufgefaßt werden (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 2. Dezember 1911 V 266/11, RGZ 78, 26, 30, das darin eine "milde" Anwendung des § 126 BGB sieht). Diese zu § 126 BGB entwickelte Auslegung begründete die Zivilrechtsprechung u. a. mit den Bedürfnissen des Geschäftsverkehrs. Für den Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG kann eine so weitgehende Auslegung aber nicht zugelassen werden. Es ist anerkannt, daß die Eigenhändigkeit der Unterschriftsleistung bei Steuererklärungen - für den Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich gilt nichts anderes - dem Steuerpflichtigen die Bedeutung seiner Steuererklärung als Wissenserklärung bewußt machen soll (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1956 I 108/54 U, BFHE 62, 263, BStBl III 1956, 97, sowie vom 23. November 1961 IV 364/60 U, BFHE 74, 366, BStBl III 1962, 139, und vom 8. Juni 1971 VII R 75/68, BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726). Der Gesetzgeber hat die Eigenart der Steuererklärung als Wissenserklärung hervorgehoben. Denn er hat ihm nach § 150 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 AO 1977 persönlich die Verpflichtung auferlegt, Angaben in den Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen zu machen und dies unter den im Gesetz bezeichneten Voraussetzungen schriftlich zu versichern. Dementsprechend soll der Steuerpflichtige grundsätzlich erkennbar, d. h. durch seine eigenhändige Unterschrift, die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung übernehmen (vgl. auch Urteil in BFHE 103, 18, BStBl II 1971, 726). Zudem soll durch die unmittelbar auf dem Erklärungsvordruck geleistete Unterschrift sichergestellt werden, daß sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und die Richtigkeit der ggf. von einer dritten Person, insbesondere seinem steuerlichen Berater, vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissern kann.

Den vorgenannten Zielsetzungen widerspricht das hier angewendete Verfahren, durch das der Eindruck hervorgerufen wird, daß die unmittelbar von einer dritten Person stammenden Angaben durch die eigene Unterschrift und durch eine besondere Versicherung des Steuerpflichtigen als wahrheitsgemäß bestätigt werden, obgleich der Steuerpflichtige diese Angaben nicht zur Kenntnis genommen hat. Dabei bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob - wie vorgebracht wurde - der Kläger sich auch solche Angaben rechtlich zurechnen lassen müßte. Der Gesetzgeber hat nicht allein auf den Erfolg eines rechtlichen Gebundenseins des Unterzeichnenden abgehoben; denn sonst hätte die Vertretung bei der Unterschriftsleistung in § 150 Abs. 3 AO 1977 keine von dem Grundsatz des § 80 AO 1977 abweichende Einschränkung erfahren. Zutreffend verweist dagegen der BMF in diesem Zusammenhang auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Denn bei Zulässigkeit des im Streitfall gewählten Verfahrens könnte sich der Steuerpflichtige bei einem Antrag auf Änderung eines Steuerbescheids möglicherweise auf seine fehlende Kenntnis der tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung berufen.

In ihren Auswirkungen entspricht die vorliegende Art der Unterschriftsleistung auf Klebezetteln letztlich der nach § 150 Abs. 3 AO 1977 nur für einen hier nicht gegebenen Ausnahmesachverhalt zugelassenen Vertretung durch den Bevollmächtigten. Denn der Erklärende und der Unterzeichnende sind in beiden Fällen nicht identisch.