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BFH-Urteil vom 5.2.1986 (II R 31/85) BStBl. 1986 II S. 448

1. Für die Einreihung in die Grundstücksart "Einfamilienhaus" ist es unerheblich, ob die Mitbenutzung des Grundstücks zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken sich innerhalb der Wohnung oder aber in Räumen vollzieht, die zu selbständigen Einheiten innerhalb des Baukörpers zusammengefaßt sind.

2. Der bewertungsrechtliche Einfamilienhausbegriff ist nicht ein von der Verkehrsauffassung bestimmter Begriff, sondern ein durch die Umschreibung in § 75 Abs. 5 BewG gekennzeichneter Rechtsbegriff. Die Frage der wesentlichen Beeinträchtigung durch die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken ist deshalb nicht nach der Verkehrsauffassung zu beantworten (insoweit Aufgabe des BFH-Urteils vom 7. Dezember 1973 III R 158/72, BFHE 111, 264, BStBl II 1974, 195).

BewG 1965 § 75.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 5. Mai 1978 erwarben die Kläger ein bebautes Grundstück. Das Grundstück war als Zweifamilienhaus bewertet.

Anläßlich einer Betriebsprüfung war festgestellt worden, daß die Erdgeschoßwohnung als Familienwohnung und die Wohnung im Obergeschoß durch den Kläger zu 1, der Masseur und Bademeister ist, als Praxis genutzt wurde. Bauliche Veränderungen waren nicht vorgenommen worden. Der Anteil der betrieblichen Nutzung am Gebäude belief sich auf 32,31 v. H. Mit Bescheid vom 30. März 1984 nahm das Finanzamt (FA) eine Artfortschreibung auf den 1. Januar 1979 vor und stellte die Grundstücksart Einfamilienhaus fest.

Der Klage, mit der die Kläger die Aufhebung der Artfortschreibung begehren, hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Für die Artfeststellung Ein- oder Zweifamilienhaus sei in erster Linie darauf abzustellen, ob ein oder zwei Zusammenfassungen von Räumen vorlägen, die die Führung eines Haushalts ermöglichten, also der bauliche Bestand und nicht die Nutzung. Da keine baulichen Veränderungen vorgenommen worden seien, sei davon auszugehen, daß die Räume im Dachgeschoß die Führung eines eigenen Haushalts ermöglichten und deshalb nach der Verkehrsauffassung noch als selbständige Wohnung angesehen werden könnten.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung von § 75 des Bewertungsgesetzes (BewG). Entgegen der Auffassung des FG, so führt das FA in seiner Revisionsbegründung aus, setzten § 75 Abs. 5 und 6 BewG eine Übereinstimmung zwischen dem Bestand an zusammengefaßten Räumlichkeiten und dem Dienen zu Wohnzwecken voraus.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.

Die Entscheidung des FG, die der Zweckbestimmung des Obergeschosses gegenüber der tatsächlichen Nutzung den Vorrang einräumt, verletzt § 75 Abs. 5 und 6 BewG.

I. In § 75 Abs. 1 BewG werden die Arten der bebauten Grundstücke abschließend aufgezählt und in § 75 Abs. 2 bis 6 BewG die für die Einreihung in eine der Arten maßgebenden Kriterien aufgeführt. Neben den hier nicht relevanten sonstigen bebauten Grundstücken enthält die Vorschrift eine grundsätzliche Einteilung in zwei Gruppen:

1. Die Geschäftsgrundstücke (§ 75 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BewG).

Das sind diejenigen bebauten Grundstücke, die zu mehr als 80 v. H. eigenen oder fremden gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dienen. Bei dieser Grundstücksart wird lediglich nach der Art der Nutzung gefragt, die Anzahl der selbständigen in sich abgeschlossenen Raumeinheiten ist hier ohne Bedeutung.

2. Die Wohngrundstücke (§ 75 Abs. 1 Nrn. 1, 3 bis 5, Abs. 2, 4 bis 6 BewG).

Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie - wenn auch in unterschiedlichem Umfang - Wohnzwecken dienen. Die Art der Wohngrundstücke wird ausgehend von der Anzahl der Wohnungen bestimmt. Wohngrundstücke mit nur einer Wohnung sind Einfamilienhäuser (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG), Wohngrundstücke mit zwei Wohnungen sind Zweifamilienhäuser (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG). Ist ein Wohngrundstück weder ein Einfamilien- noch ein Zweifamilienhaus, so stellt sich erst die Frage, ob es ein Mietwohngrundstück oder ein gemischtgenutztes Grundstück ist (so schon Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1973 III R 158/72, BFHE 111, 264, 266, BStBl II 1974, 195, und auch Urteil vom 22. Februar 1985 III R 78/81, BFHE 142, 570, 572, BStBl II 1985, 284). Hieraus folgt, daß eine Wohnung im Sinne eines bewertungsrechtlichen Ein- oder Zweifamilienhauses nur dann vorliegt, wenn diese Wohnung auch tatsächlich Wohnzwecken dient. Denn es wäre mit dem Aufbau von § 75 BewG nicht zu vereinbaren, daß die Gruppe der Wohngrundstücke einerseits dadurch gekennzeichnet ist, daß sie Wohnzwecken dienen, die Wohnung eines Einfamilienhauses bzw. die Wohnungen eines Zweifamilienhauses aber nicht Wohnzwecken zu dienen bräuchten. Wäre dies so, dann müßte es auch innerhalb der Geschäftsgrundstücke Ein- und Zweifamilienhäuser geben, wenn die räumliche Einteilung des Grundstücks so gestaltet ist, daß (wie beispielsweise bei Bürohäusern möglich) Einheiten vorhanden sind, die als Wohnungen anzusehen wären, falls sie zu Wohnzwecken genutzt würden. Im Bereich der Geschäftsgrundstücke gibt es aber ungeachtet der räumlichen Gestaltung keine Ein- und Zweifamilienhäuser.

Die Grundstücksart Einfamilienhaus wird vom BewG dahin beschrieben, daß das Wohngrundstück nur eine Wohnung enthält (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG). Dabei zählen nach § 75 Abs. 5 Satz 2 BewG Wohnungen des Hauspersonals nicht zu den für die bewertungsrechtliche Abgrenzung maßgebenden Wohnungen. Auch Wohnungen, die zu gewerblichen, freiberuflichen (vgl. § 96 BewG) oder öffentlichen Zwecken genutzt werden, sind nicht Wohnungen im Sinne der bewertungsrechtlichen Abgrenzung (s. oben). Stellt sich ein Wohngrundstück unter Berücksichtigung dieser Abgrenzungsmerkmale bewertungsrechtlich als Einfamilienhaus dar, so gilt es auch dann als Einfamilienhaus, wenn es zwar zu gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken mitbenutzt wird, diese Mitbenutzung die Eigenart als Einfamilienhaus aber nicht wesentlich beeinträchtigt (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG). Daraus folgt auch, daß es für die Einreihung eines Grundstücks mit nur einer Wohnung in die Grundstücksart Einfamilienhaus nach dem BewG ohne Bedeutung ist, ob sich die auf das Grundstück bezogene Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken innerhalb der einen Wohnung des Einfamilienhauses oder in Räumen vollzieht, die zu selbständigen Einheiten innerhalb des Baukörpers zusammengefaßt sind (vgl. auch schon die Entscheidung des BFH vom 2. Juli 1976 III R 54/75, BFHE 119, 294, BStBl II 1976, 640; der gegenteiligen Auffassung von Schrimpf in Der Betrieb 1985, 2174 ff. vermag der Senat nicht zu folgen, weil sie der Systematik des BewG widerspricht). Entsprechendes gilt für die Zweifamilienhäuser im Sinne des BewG.

Mit der Begriffsbestimmung des bewertungsrechtlichen Einfamilienhauses in § 75 Abs. 5 BewG gibt das Gesetz drei Entscheidungsmerkmale an die Hand, deren Vorliegen in folgender Reihenfolge zu prüfen ist:

a) Das Grundstück darf nur eine Wohnung enthalten.

b) Wohnungen des Hauspersonals und baulich als Wohnungen anzusehende Raumeinheiten, die zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken benutzt werden, bleiben zunächst außer Betracht.

c) Wird ein Wohngrundstück, das nach den vorstehenden Kriterien als Einfamilienhaus im Sinne des BewG zu beurteilen ist, zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt, so gilt es (auch dann) als Einfamilienhaus, wenn durch diese Mitbenutzung die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Diese Frage ist in erster Linie nach dem äußeren Erscheinungsbild unter Berücksichtigung von bewertungsrechtlichen Einfamilienhäusern zu beantworten, die nicht zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt werden (so auch Senatsurteil vom 9. Oktober 1985 II R 249/81, BFHE 145, 232, BStBl II 1986, 172). Dabei kann nicht auf die Verkehrsanschauung abgestellt werden, denn der Begriff des Einfamilienhauses im bewertungsrechtlichen Sinn ist nicht ein von der Verkehrsauffassung bestimmter Begriff, sondern ein durch die Umschreibung in § 75 Abs. 5 BewG gekennzeichneter Rechtsbegriff, von dem ausgehend die Frage der wesentlichen Beeinträchtigung durch die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken zu beantworten ist. An der Entscheidung des III. Senats in BFHE 111, 264, BStBl II 1974, 195 hält der nunmehr zuständige erkennende Senat insoweit nicht mehr fest.

II. Die Entscheidung des FG, die allein auf die Zweckbestimmung der Räume im Obergeschoß, nicht aber auf deren Nutzung abgestellt hat, ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.