| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 12.12.1985 (V R 15/80) BStBl. 1986 II S. 499

Die Lieferungen von Lehr- und Lernmaterial durch Schulen oder andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen an ihre Schüler dienen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dieser Einrichtungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a oder b UStG 1967 (Abweichung vom Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Juli 1979 V R 114/75, BFHE 128, 418, BStBl II 1979, 720). Sie sind nur insoweit von der Umsatzsteuer nach dieser Vorschrift befreit, als es sich um unselbständige Nebenleistungen handelt.

UStG 1967 § 4 Nr. 21 Buchst. a und b.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine staatlich anerkannte private kaufmännische Berufsfachschule. In den Jahren 1968 bis 1970 führte er Lehrgänge durch, in denen Erwachsene zu Kaufmannsgehilfen ausgebildet wurden. Den Lehrgangsteilnehmern verkaufte der Kläger Lehrbücher und andere Lernmittel (Hefte, Aufgabensammlungen und Skripten) und vermietete ihnen Schreibmaschinen zur Erledigung schulischer und häuslicher Übungsarbeiten. Ein Teil der abgegebenen Lernmittel, insbesondere Formulare, Buchführungsunterlagen, Aufgabensammlungen und Skripten, waren vom Kläger selbst entworfen und auf einem Umdrucker hergestellt worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers beurteilte das Finanzamt die Abgabe dieser Lernmittel und die Vermietung der Schreibmaschinen nicht als steuerfreie Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 und setzte die Umsatzsteuer in entsprechender Höhe fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der Verkauf von Lernmitteln und die Vermietung von Schreibmaschinen durch den Kläger, so führt das Finanzgericht aus, habe dem Schul- und Bildungszweck der vom Kläger betriebenen kaufmännischen Berufsfachschule nicht unmittelbar gedient. Durch diese Leistungen sei nicht der begünstigte Zweck selbst erreicht worden, sie hätten ihn vielmehr nur vorbereitet oder unterstützt.

Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers. Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuerbescheide ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Nach § 4 Nr. 21 UStG 1967 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 fallenden Umsätzen bestimmter privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen steuerfrei. Hierunter fallen nicht die vom Kläger getätigten Lieferungen von Lehrbüchern und anderen Lernmitteln und die Vermietung von Schreibmaschinen. Diese Lieferungen und sonstigen Leistungen des Klägers dienen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck; denn weder die entgeltliche Abgabe von Lehr- und Lernmaterial noch die Vermietung von Schreibmaschinen bewirkt die vom Gesetz begünstigte Zweckerfüllung.

Der im Urteil vom 12. Juli 1979 V R 114/75 (BFHE 128, 418, BStBl II 1979, 720) vertretenen weitergehenden Auffassung, auf die sich der Kläger beruft, folgt der erkennende Senat nicht. Dort wurde die Unmittelbarkeit einer dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistung bereits bejaht, wenn die Schule von ihr nicht absehen könne, ohne ihre Ziele zu beeinträchtigen. Zwar ist der genannten Entscheidung zuzustimmen, daß es - was auch der Kläger hervorhebt - für einen geordneten Unterricht mitunter unumgänglich sein kann, daß die Schule das Lehr- und Lernmaterial besorgt, weil andernfalls die gleichzeitige und zeitgerechte Versorgung der Schüler nicht gewährleistet wäre. Daraus folgt aber nur, daß die Versorgung mit Lehr- und Lernmaterial Mittel dazu ist, den Schul- und Bildungszweck zu ermöglichen; unmittelbar dienen würde die Abgabe des Lehr- und Lernmaterials dem Schul- und Bildungszweck nur, wenn dieser Zweck gerade durch die entgeltliche Überlassung selbst erfüllt würde. Das ist aber nicht der Fall, denn nicht der Verkauf des Lehr- und Lernmaterials und die Vermietung der Schreibmaschinen, sondern erst deren Verwendung dient dem Schulzweck unmittelbar. Die entgeltliche Überlassung stellt sich lediglich als eine mittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistung dar. Hieran ändert nichts, wenn, was das Finanzgericht offengelassen hat, die Überlassung teilweise zum Selbstkostenpreis erfolgt sein sollte.

2. Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob die streitigen Umsätze als unselbständige Nebenleistungen das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der nach § 4 Nr. 21 UStG 1967 von der Steuer befreiten Unterrichtsleistungen - als Hauptleistungen - des Klägers teilen. Zur Annahme einer Nebenleistung ist erforderlich, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 13. August 1970 V R 69/66, BFHE 99, 507; vom 4. Dezember 1980 V R 60/79, BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231, und Beschluß vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197). Dies kommt für den vorliegenden Sachverhalt in Betracht, soweit das den Lehrgangsteilnehmern gegen Entgelt überlassene Lehr- und Lernmaterial inhaltlich den Unterricht ergänzt, zum Einsatz im Unterricht bestimmt ist, von der Schule oder der Bildungseinrichtung für diese Zwecke selbst entworfen worden ist und bei Dritten nicht bezogen werden kann. Denn nur unter diesen Voraussetzungen wird die - mündliche - Unterrichtsleistung als solche ergänzt, abgerundet oder verbessert (Urteil des Bundesfinanzhofs in BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231).

Das Finanzgericht wird die hiernach erforderlichen Feststellungen zur Annahme einer unselbständigen Nebenleistung zu treffen haben und sie seiner erneuten Entscheidung zugrunde legen.