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BFH-Urteil vom 25.6.1986 (II R 213/83) BStBl. 1986 II S. 785

Finanzmittel, die einer inländischen Zweigniederlassung als Dotationskapital zugewiesen werden, für das auch keine Zinsen berechnet werden, sind regelmäßig dem Eigenkapital zuzurechnen.

BewG § 103 Abs. 1, § 121 Abs. 2 Nr. 3.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein französisches Kreditinstitut, das seit 1977 in Frankfurt am Main eine Zweigstelle (Zweigniederlassung) unterhält. Sie stellte dieser Zweigstelle ein Betriebskapital (Dotationskapital) von zunächst ... Mio DM zur Verfügung, das zum 15. September 1977 auf ... Mio DM erhöht wurde.

Strittig ist die Nachfeststellung des inländischen Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978. Die Klägerin vertrat bei Einreichung der Vermögensaufstellung die Auffassung, daß das von ihr ausgewiesene sogenannte Dotationskapital insoweit Fremdkapital sei, als es 1/18 der Ausleihungen übersteige. Dabei berief sie sich auf die Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute (abgedruckt bei Bähre- Schneider, Kommentar zum Gesetz über das Kreditwesen, 2. Aufl., Anhang zu § 10), wonach die Kredite und Beteiligungen eines Kreditinstituts abzüglich der Wertberichtigungen sowie abzüglich der passiven Rechnungsposten aus Gebührenabgrenzung im Teilfinanzierungsgeschäft das 18fache des haftenden Eigenkapitals nicht übersteigen sollen.

Das beklagte Finanzamt (FA) folgte dieser Auffassung nicht und stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978 unter Vorbehalt der Nachprüfung auf ... DM fest.

Der Einspruch, durch den die Klägerin in Anwendung der sogenannten Kapitalspiegeltheorie (vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebstätten von Steuerausländern, S. 149, m.w.N.) über das bisherige Begehren hinaus 99,004 v.H. des zur Verfügung gestellten Betriebskapitals als Fremdkapital anerkannt wissen wollte, blieb ohne Erfolg. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978 dahin festzustellen, daß 99 v.H. des der Zweigstelle von der Zentrale zur Verfügung gestellten Betriebskapitals als Betriebsschulden abgezogen werden. Im einzelnen hat sie vorgetragen:

Es sei nicht zulässig, das gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) als haftendes Eigenkapital geltende Betriebskapital als steuerpflichtiges Vermögen anzusehen. Dieses Kapital sei vielmehr entsprechend der Finanzstruktur des Gesamtunternehmens in Eigen- und Fremdkapital aufzuteilen. Bei dem Stammhaus sei die Kapitalstruktur so beschaffen, daß 0,996 v.H. auf Eigenkapital und 99,004 v.H. auf Fremdkapital entfielen. Diese Struktur müsse auf das der inländischen Zweigstelle gewidmete Vermögen übertragen werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 440). Es hat die Auffassung vertreten, es sei unzulässig, einen Teil des haftenden Eigenkapitals i.S. des § 53 Abs. 2 Nr. 4 KWG als Betriebsschulden abzuziehen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und nunmehr beantragt, den Fremdkapitalanteil des haftenden Eigenkapitals von ... DM mit ... DM anzusetzen. Diesem Antrag liegt die von ihr so genannte Nettomethode der Kapitalspiegeltheorie zugrunde.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das FG hat frei von Rechtsfehlern entschieden, daß nur die vom FA zum Abzug zugelassenen Schulden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte der Klägerin stehen (vgl. § 121 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der inländischen Betriebsstätte und einem aufgrund der sogenannten Kapitalspiegeltheorie ermittelten Anteil an den Verpflichtungen des Stammhauses ist jedenfalls im vorliegenden Fall zu verneinen.

Die Frage, inwieweit Vermögen der inländischen Niederlassung dient (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG) bzw. inwieweit ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der inländischen Betriebsstätte und den Schulden der Klägerin besteht (vgl. § 103 Abs. 1 BewG), ist grundsätzlich nach der sogenannten direkten Methode zu entscheiden, die im vorliegenden Fall zur Anwendung gekommen ist (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1965 I 110/63 S, BFHE 84, 69, BStBl III 1966, 24, und vom 21. Januar 1972 III R 57/71, BFHE 104, 471, BStBl II 1972, 374). Das maßgebliche deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geht ebenfalls von dieser Auffassung aus (vgl. Art. 19 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 4 Abs. 2). Auch die Klägerin ist dieser Auffassung.

Bei der direkten Methode ist die inländische Betriebsstätte als wirtschaftlich (wenn auch nicht rechtlich) selbständige Einheit zu sehen (vgl. Art. 4 Abs. 2 DBA). Daraus folgt z.B., daß die von der Betriebsstätte für ihre eigenen Bedürfnisse aufgenommenen Fremdmittel (Außentransaktionen) Schulden sind, die mit dieser Betriebsstätte im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und deshalb abgezogen werden dürfen. Hiernach ist auch im vorliegenden Fall verfahren worden. Das FA hat in diesem Zusammenhang auch den Verrechnungssaldo zugunsten der Zentrale und anderer Zweigstellen der Klägerin aus dem laufenden Geschäftsbetrieb abgezogen (vgl. hierzu auch BFHE 84, 69, BStBl III 1966, 24, 27, linke Spalte, sowie BFHE 104, 471, 474, BStBl II 1972, 374).

Die Betrachtung der inländischen Betriebsstätte als wirtschaftlich selbständige Einheit bedeutet aber nicht, daß darüber hinaus ohne weiteres auch die der inländischen Betriebsstätte von der Zentrale intern zugeführte Finanzausstattung ganz oder teilweise als Schuld abgezogen werden darf (vgl. BFHE 104, 471, 474, BStBl II 1972, 374).

In dem Urteil in BFHE 84, 69, BStBl III 1966, 24, 27 hat der I. Senat des BFH hierzu ausgeführt, daß für einen Schuldenabzug wegen der intern zugeführten Finanzmittel entscheidend sei, inwieweit eine vom Stammhaus aufgenommene Schuld an einen Dritten besteht und derart mit der inländischen Zweigniederlassung zusammenhängt, daß die gezahlten Zinsen die gesondert berechneten Einkünfte der inländischen Betriebsstätte (und somit das ihr gewidmete Aktivvermögen) berühren. Gegebenenfalls soll auch ein anteiliger Abzug einer derartigen Fremdschuld in Betracht kommen.

Bei der Entscheidung, inwieweit die interne Finanzausstattung der Zweigstelle aus Eigenkapital oder aus von der Zentrale weitergeleitetem Fremdkapital besteht, kommt der unternehmerischen Entscheidung der Zentrale eine besondere Bedeutung zu. Finanzmittel, die sie der Zweigstelle als Dotationskapital zuweist und für die die Zweigstelle keine Zinsen zu tragen hat, sind regelmäßig dem Eigenkapital zuzurechnen. Das gilt in besonderem Maße, wenn die inländische Gesetzgebung für die Zweigstelle ein bestimmtes Eigenkapital vorschreibt.

Im vorliegenden Fall ist für die inländische Zweigstelle der Klägerin durch § 10 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 4 KWG vorgeschrieben, daß das der Zweigstelle zur Verfügung gestellte Betriebskapital und belassene Überschüsse als haftendes Eigenkapital gelten. Damit ist deutlich gemacht, daß dem zur Verfügung gestellten Betriebskapital Eigenkapitalcharakter zukommen soll, und zwar im Interesse der Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der anvertrauten Vermögenswerte (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KWG). Das gilt auch insoweit, als die Zentrale Betriebskapital zur Verfügung stellt, das über die geforderten Mindestbeträge hinausgeht.

Intern weitergeleitete Fremdmittel können unter diesen Umständen regelmäßig nur im Bereich der passiven Rechnungssalden i.S. des § 53 KWG (vgl. auch § 16 Abs. 1 Satz 4 des Bundesbankgesetzes) angenommen werden, die im vorliegenden Fall auf den 31. Dezember 1977 mit ... DM ausgewiesen und vom FA auch als Schulden anerkannt worden sind.

Wenn das FA der aufsichtsrechtlich gebotenen Unterscheidung zwischen dem Betriebskapital und dem passiven Rechnungssaldo aus laufendem Geschäftsverkehr gefolgt ist, so entspricht dies der direkten Methode, wonach die Zweigstelle als wirtschaftlich selbständige Einheit zu sehen ist, die ein Eigenkapital haben muß, wie dies aufsichtsrechtlich vorgeschrieben ist. Es besteht auch nach der direkten Methode keine Veranlassung, eine über die erforderliche Mindesteigenkapitalausstattung hinausgehende Eigenkapitalausstattung auf die Mindesteigenkapitalausstattung zurückzuführen. Denn eine höhere Eigenkapitalausstattung ist durchweg wünschenswert. Es entspricht der direkten Methode, eine derartige unternehmerische Entscheidung anzuerkennen.

Die direkte Methode schreibt im übrigen auch nicht vor, daß das Stammhaus und eine inländische Betriebsstätte eine übereinstimmende Finanzstruktur ausweisen müssen (vgl. auch Kumpf, a.a.O., S. 151).