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BFH-Urteil vom 26.11.1986 (II R 246/85) BStBl. 1987 II S. 135

§ 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG gilt auch nach dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 nicht für die Grunderwerbsteuer.

BBauG § 79 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1986, 84)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gemeinde, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. August 1983 ein Grundstück.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte Grunderwerbsteuer fest.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, das Grundstück solle "zur Durchführung der derzeit laufenden gesetzlichen Baulandumlegung für das Baugebiet X verwendet werden. Es soll dazu herangezogen werden, zu geringe Größen einzelner Zuteilungsansprüche aufzustocken, um damit zu vermeiden, daß diese verfahrensbeteiligten Eigentümer in Geld oder durch Miteigentum abgefunden werden müssen". Der Erwerb des Grundstückes diene damit der Durchführung einer Baulandumlegung nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes (BBauG). Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG seien Erwerbsvorgänge, die der Durchführung einer Baulandumlegung dienen, steuerfrei.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 84 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klagebegehren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

Der Kaufvertrag vom 11. August 1983 unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - 1983).

1. Steuerbefreiung nach § 79 Abs. 1 BBauG kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen.

a) Von dieser Steuerbefreiung "bleiben" nach dem Wortlaut des Gesetzes u. a. "unberührt" die Regelungen hinsichtlich der auf landesrechtlichen Vorschriften beruhenden Abgaben sowie hinsichtlich der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis. Der Gesetzgeber des BBauG schloß damit ausdrücklich die Anwendung des § 79 Abs. 1 auf solche Steuern aus, die im Zeitpunkt des Erlasses des BBauG nicht seiner Gesetzgebungskompetenz unterlagen und über welche er damit nicht bestimmen konnte.

Zu diesen Steuern, für welche der § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG nicht galt, gehörte auch die Grunderwerbsteuer. Denn sie wurde bei Erlaß des BBauG (am 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 341) aufgrund landesrechtlicher Vorschriften erhoben und war eine Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis im Sinne des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 des Grundgesetzes (GG) in der bis zum 31. Dezember 1969 geltenden Fassung.

b) An dieser Rechtslage hat sich weder durch das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359) noch durch das GrEStG 1983 etwas geändert.

aa) Durch Art. I Nr. 3 des Finanzreformgesetzes wurde zwar Art. 105 GG geändert und damit die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes erweitert; diese galt jetzt gemäß Art. 105 Abs. 2 GG u. a. auch für den Fall, daß die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorlagen. Trotzdem beruhte aber die Grunderwerbsteuer weiterhin im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 2 BBauG auf landesrechtlichen Vorschriften, nämlich auf den Grunderwerbsteuergesetzen der Länder.

bb) Mit dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 ab 1. Januar 1983 beruhte zwar die Grunderwerbsteuer nicht mehr auf landesrechtlichen, sondern auf bundesrechtlichen Vorschriften. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aber § 79 Abs. 1 BBauG nunmehr nicht - gleichsam automatisch - auf die Grunderwerbsteuer anwendbar. Galt diese Vorschrift - als sie vom Gesetzgeber geschaffen wurde - nach dem eindeutigen im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nicht für die Grunderwerbsteuer, so kann sie allenfalls dann auf diese Steuer ausgedehnt werden, wenn eine entsprechende Willensäußerung des Gesetzgebers sichtbar geworden ist. Irgendwelche in einem Gesetzestext erkennbare Äußerung einer solchen Willensänderung gibt es jedoch nicht.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 spricht vielmehr gegen eine solche Willensänderung. Hätte die umfassende Regelung des § 79 Abs. 1 Satz 1 BBauG jetzt auch für die Grunderwerbsteuer gelten sollen, dann wäre es unverständlich, weshalb die Steuerbefreiung im GrEStG 1983 für ein Teilgebiet, nämlich den Eigentumsübergang im förmlichen Umlegungsverfahren, nochmals geregelt wurde und diese Teilregelung überdies noch eine weitere Einschränkung enthält: Der neue Eigentümer muß in diesem Umlegungsverfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter sein. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 den Kreis der "Erwerbsvorgänge" einschränkt oder nur eine Steuerbefreiung enthält, die nach dem System des GrEStG 1983 nicht in § 1, sondern in den §§ 3 ff. dieses Gesetzes hätte geregelt werden müssen.

Daß der Gesetzgeber nach dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 keine außerhalb dieses Gesetzes geregelten bundesrechtlichen Grunderwerbsteuerbefreiungen zur Förderung von Grundstücksneuordnungen beibehalten wollte, zeigen auch die Nrn. 2 und 5 des § 24 Abs. 1 GrEStG 1983. Durch diese Vorschriften wurden § 108 Abs. 3 zweiter Halbsatz des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) und § 77 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) aufgehoben. Weiterhin geltende Steuervergünstigungen für Erwerbe in Flurbereinigungsverfahren wurden in den Buchst. a des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 übernommen, wie das gleichermaßen mit den fortgeltenden Steuervergünstigungen für die Umlegung durch die Übernahme in den Buchst. b des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG 1983 geschehen ist.

Selbst die Entwicklungsgeschichte des GrEStG 1983 gibt keinen Hinweis auf eine vom Gesetzgeber gewollte Ausdehnung des § 79 Abs. 1 BBauG auf die Grunderwerbsteuer. (Dabei läßt der Senat offen, ob ein solcher intern gebliebener Wille für die Entscheidung des Falles erheblich wäre.) Nach der Begründung des Entwurfes des Bundesrates zum GrEStG 1983 sollten mit Ausnahme eines begrenzten Kreises von Steuerbegünstigungen in Zukunft zahlreiche Steuerbefreiungen entfallen, u. a. "für Maßnahmen nach dem Bundesbaugesetz und dem Städtebauförderungsgesetz" (BT-Drucks. 9/251, S. 16 unter A VII Nr. 3). Der Finanzausschuß des Bundestages war dafür, daß "bestimmte Vorgänge im Rahmen von Umlegungsverfahren nach dem Bundesbaugesetz ausdrücklich ausgenommen werden". Es handele sich hier "um Vorgänge außerhalb des freien Marktgeschehens". Diese seien daher nicht besteuerungswürdig (BT-Drucks. 9/2114, S. 5 und 6 unter I 6 und II zu § 1). Die Steuerbefreiung sollte also nach dem Vorschlag des Finanzausschusses auf Vorgänge in dem vorgenannten förmlichen Verfahren beschränkt sein. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1983 entspricht dem Vorschlag des Finanzausschusses (BT-Drucks. 9/2104).

Unter diesen Umständen braucht der Senat nicht zu prüfen, wie jetzt der Begriff der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis zu verstehen ist, den Art. 105 GG seit dem 1. Januar 1970 im Gegensatz zu § 79 Abs. 1 Satz 2 BBauG nicht mehr verwendet.

2. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983, wonach bestimmte Arten des Eigentumsüberganges an Grundstücken nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen, ist auf den hier abgeschlossenen Kaufvertrag vom 11. August 1983 nicht anwendbar. Die Vorschrift betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut und - wie oben unter II.1.b), bb) ausgeführt - auch nach dem Willen des Gesetzgebers nur den Eigentumsübergang im (förmlichen) Umlegungsverfahren nach dem BBauG. Auf einen Kaufvertrag zur Vermeidung einer Umlegung ist sie nicht (analog) anwendbar.