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BFH-Beschluß vom 24.10.1986 (VI B 114/85) BStBl. 1987 II S. 138

Auch für Dienstreisen innerhalb des Großraums Berlin (West) sind entgegen anders lautenden Verwaltungsanweisungen die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen grundsätzlich ungekürzt zu gewähren.

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 9 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1986, 17)

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist als Außendienstmitarbeiter einer Versicherungsgesellschaft in Berlin tätig. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1982 begehrte er für seine unstreitig gegebenen Dienstreisen Mehraufwendungen für Verpflegung nach den Pauschbeträgen des Abschn. 25 Abs. 6 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR). Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte demgegenüber die Verpflegungsmehraufwendungen für eintägige Dienstreisen unter Berufung auf die Erlasse des Senators für Finanzen vom 17. Januar 1973 (Steuer- und Zollblatt Berlin - StZBl. Bln. - 1973, 99) und vom 29. Dezember 1982 (StZBl. Bln. 1983, 89) nur in Höhe von 5 DM je Tag.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in diesem Punkt statt. Es führte u. a. aus: In Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien die Pauschbeträge des Abschn. 25 LStR regelmäßig anzuwenden. Es handele sich in tatsächlicher Hinsicht um Beträge, die von der Zielsetzung der Anwendung her nicht in allen Einzelheiten den konkret zu entscheidenden Fällen gerecht würden. Daher biete auch nicht jede durch eine Besonderheit des Sachverhalts angezeigte Möglichkeit einer unzutreffenden Besteuerung einen Grund für die Nichtanwendung der Pauschbeträge. Die Pauschbeträge seien - wie im übrigen Bundesgebiet auch bei Fahrten in ein nur wenige Gemeinden umfassendes Gebiet in der Umgebung des Ortes, in dem der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte habe - auch bei eintägigen Dienstreisen in Berlin anzuwenden, soweit deren Anwendung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Hierfür bestehe im Streitfall aber kein Anhaltspunkt. Der Kläger habe zur Überzeugung des Gerichts im Verlauf seiner fast täglichen Abwesenheiten übliche Mehraufwendungen für Verpflegung gehabt, die jedenfalls nicht die Annahme einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung bei Ansatz der nach Abwesenheitszeiten gestaffelten Pauschbeträge rechtfertige. Die Erlasse des Senators für Finanzen stünden im Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80 (BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302), wonach von den allgemeinen Pauschalen abweichende Regelungen begründet werden und insbesondere erkennen lassen müßten, daß die niedrigeren Beträge auf konkreten Erfahrungswerten beruhten. Dies könne im vorliegenden Fall für die vom Senator für Finanzen angeordneten Pauschbeträge nicht festgestellt werden.

Das FA begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liege darin, daß das FG von den seit Jahren in Berlin angewendeten Erlassen des Senators für Finanzen abgewichen sei. Es handele sich dabei um eine Regelung, die nicht etwa einen Nichtanwendungserlaß in bezug auf die LStR darstelle, sondern die Erlasse beinhalteten eine auf die allgemeine Lebenserfahrung gegründete spezielle Regelung, die den tatsächlichen Gegebenheiten in einem Ballungsgebiet Rechnung trügen. Die Frage, in welcher Höhe Mehraufwendungen für Verpflegung anläßlich einer Dienstreise innerhalb Berlins als Werbungskosten abziehbar seien, sei in einer Vielzahl von Fällen zu entscheiden, so daß ein Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung gegeben sei.

Die Kläger sind der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die streitige Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt worden ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine weitere Prüfung und Entscheidung durch den Senat erforderlich machen. Es entspricht der durch das Urteil vom 23. April 1982 VI R 30/80 (BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500) eingeleiteten und mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats, daß die Anwendung der in den LStR für Verpflegungsmehraufwendungen bei eintägigen Dienstreisen vorgesehenen Pauschbeträge in der Regel auch dann zu keiner offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, wenn es sich überwiegend um Fahrten in ein nur wenige Gemeinden umfassendes Gebiet in der Umgebung des Ortes handelt, in dem der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte hat. Das regelmäßige Aufsuchen eines eng begrenzten Reisegebietes läßt noch keine Rückschlüsse auf erheblich niedrigere Verpflegungsmehraufwendungen zu.

Demgemäß hat der Senat durch Urteil vom 21. August 1985 VI R 104/82 (BFH/NV 1986, 95) entschieden, es bestehe kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, daß innerhalb des Großraums München besonders günstige Verpflegungsmöglichkeiten vorhanden seien, die es rechtfertigten, von den vom Richtliniengeber aufgestellten Pauschbeträgen abzuweichen. Ähnliches hatte der Senat bereits durch Urteil vom 19. April 1985 VI R 150/81 (BFH/NV 1986, 201) für Dienstreisen in den S-Bahn-Bereich von München ausgesprochen. Diese zum Randbereich der Stadt München entwickelten Grundsätze gelten in gleicher Weise auch für den Großraum Berlin. Auch dort kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß ein Dienstreisender seinen Verpflegungsmehraufwand im allgemeinen so gering halten kann, daß er die in den LStR angegebenen Obergrenzen in einem Maße unterschreitet, das nicht mehr als unerheblich angesehen werden kann. Die Frage, ob ein Ansatz der in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, ist damit stets im Einzelfall zu entscheiden. Diese Entscheidung kann nicht allgemein durch Erlaß des Senators für Finanzen im vorhinein bestimmt werden.