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BFH-Urteil vom 22.7.1987 (I R 224/83) BStBl. 1987 II S. 842

Einkünfte eines Gastlehrers aus Großbritannien aus einer Lehrtätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland sind nur dann gemäß Art. XIII DBA-Großbritannien steuerfrei, wenn der Aufenthalt des Gastlehrers in der Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre nicht übersteigt. Bei längerem Aufenthalt gewährt Art. XIII DBA- Großbritannien auch für die in den ersten beiden Aufenthaltsjahren erzielten Einkünfte aus Lehrtätigkeit keine Steuerbefreiung.

DBA-Großbritannien Art. XIII.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob Einkünfte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus ihrer Lehrtätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nach dem deutsch-britischen Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei zu belassen sind.

Die Klägerin verlegte im Jahre 1975 ihren Wohnsitz aus Großbritannien in die Bundesrepublik. Sie ist seit 19. Juli 1975 mit dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) verheiratet.

Am 18. Mai 1975 schloß die Klägerin mit dem Centre For British Teachers In Europe Limited für die Zeit vom 27. August 1975 bis 26. August 1976 einen Vertrag als Gastlehrkraft für Englisch an deutschen Schulen. Im Folgejahr schloß sie mit dem gleichen Vertragspartner einen weiteren Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, vom 27. August 1976 bis 26. August 1977 wiederum als Lehrerin tätig zu sein. In beiden Jahren war die Klägerin in einem Gymnasium in A als Englischlehrerin beschäftigt. Nach Ablauf des Vertragsverhältnisses mit dem Centre For British Teachers Limited setzte sie ihre Tätigkeit an der gleichen Schule aufgrund eines vom 1. August 1977 bis 31. Juli 1978 befristeten Anstellungsverhältnisses mit dem Erzbischöflichen Generalvikariat in B fort.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ im - vorläufigen - Einkommensteuerbescheid 1975 die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Lehrtätigkeit steuerfrei. Es begründete die Vorläufigkeit des Bescheides mit der ungeklärten Steuerpflicht der Lehrvergütungen nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien vom 26. November 1964 i. d. F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1966, 358, und BGBl II 1971, 46 - DBA-Großbritannien -).

Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hatte die FÄ mit Erlaß vom 21. August 1970 (S 1301 - Großbritannien 4 - VB 3, abgedruckt bei Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Verwaltungsverlautbarungen Anhang B I, 12) angewiesen, die Lehrvergütungen britischer Gastlehrer für die ersten zwei Aufenthaltsjahre auch dann steuerfrei zu belassen, wenn der Aufenthalt über zwei Jahre ausgedehnt wurde. Diese Verwaltungsanweisung wurde mit Erlaß vom 3. Mai 1976 - S 1301 - Großbritannien 4 - VB 2 (abgedruckt bei Korn/Dietz/Debatin, a. a. O., Verwaltungsverlautbarungen Anhang B I, 13) wieder aufgehoben.

In den endgültigen Steuerbescheiden 1975 und 1977 unterwarf das FA die Bezüge der Klägerin aus ihrer Lehrtätigkeit der deutschen Einkommensteuer.

Die Klage der Kläger blieb erfolglos.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung von Bundesrecht.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 19. Oktober 1982 aufzuheben und das FA zu verurteilen, in Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1975 und 1977 die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steuerfrei zu belassen, hilfsweise, das Urteil des FG Münster vom 19. Oktober 1982 aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision der Kläger gegen das Urteil des FG Münster vom 19. Oktober 1982 zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Lehrtätigkeit in der Bundesrepublik in den Jahren 1975 und 1977 unterliegen der deutschen Einkommensteuer.

1. Die Klägerin war in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Sie hatte vor Beginn ihrer Lehrtätigkeit einen Wohnsitz in der Bundesrepublik begründet. Damit unterlagen ihre während der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 EStG).

2. Die Einkünfte sind nicht gemäß Art. XIII DBA-Großbritannien steuerbefreit. Nach Art. XIII DBA-Großbritannien sind Hochschullehrer oder Lehrer aus einem der Gebiete, die während eines vorübergehenden Aufenthalts von höchstens zwei Jahren für eine Lehrtätigkeit an einer Universität, Hochschule, Schule oder einer anderen Lehranstalt in dem anderen Gebiet eine Vergütung erhalten, hinsichtlich dieser Vergütung in dem anderen Gebiet nicht steuerpflichtig. Die Klägerin hat sich in der Bundesrepublik nicht nur vorübergehend höchstens zwei Jahre aufgehalten. Sie hielt sich in der Bundesrepublik länger als zwei Jahre auf und hat während der Zeit vom 27. August 1975 bis 31. Juli 1978 Vergütungen für ihre Lehrtätigkeit an einer deutschen Schule erhalten. Damit sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. XIII DBA-Großbritannien nicht erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1985 I R 86/80, BFHE 143, 455, BStBl II 1985, 500, zum gleichlautenden Art. XIV DBA-Kanada a. F.). Auf die ursprüngliche Aufenthaltsabsicht kommt es nach dem insoweit klaren Wortlaut des Art. XIII DBA-Großbritannien nicht an. Er stellt auf die objektiv feststellbare Verweildauer ab.

3. Die Besteuerung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Eine auf dem Gleichheitssatz beruhende Selbstbindung der Verwaltung an eigene Verwaltungsregelungen kann allenfalls in Betracht kommen, wenn der Verwaltung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht, der durch eine Verwaltungsanweisung ausgefüllt werden kann (vgl. BFH- Urteil vom 18. März 1982 I R 165/78, BFHE 135, 470, BStBl II 1982, 518, 521, m. w. N.). Ein derartiger Beurteilungs- oder Ermessensspielraum bestand nicht.

Sollte der Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. August 1970 (a. a. O.) gesetzesauslegenden Charakter besessen haben, stand er in Widerspruch zu Art. XIII DBA-Großbritannien, da er Einkünfte aus Lehrtätigkeit auch bei über zwei Jahre hinausgehendem Aufenthalt freistellte. Ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum bestand insoweit nicht.

Sollte der Erlaß eine Billigkeitsregelung enthalten haben, bestand ebenfalls kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Besteuerung der Einkünfte aus Lehrtätigkeit bei einem zwei Jahre überschreitenden Aufenthalt britischer Gastlehrer allgemein als unbillig anzusehen sein sollte (§ 131 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

4. Auch Grundsätze von Treu und Glauben führen zu keiner anderen Beurteilung.

Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige und die Finanzbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstehen (BFH-Urteil vom 18. März 1986 VII R 55/83, BFHE 146, 294, m. w. N.). Ein konkretes Rechtsverhältnis konnte im Streitfall nur zwischen den Klägern und dem beklagten FA gegeben sein. Aus den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ergibt sich, daß den Klägern keine Zusage über die steuerliche Behandlung der Lohneinkünfte der Klägerin erteilt wurde. Die Freistellung der Einkünfte im Rahmen der vorläufigen Einkommensteuerveranlagung 1975 begründet keinen Vertrauensschutz, da die Vorläufigkeit in der Anlage zum Bescheid mit der noch offenen Frage der Steuerpflicht der Einkünfte aus der Gastlehrtätigkeit begründet wurde. Die Kläger konnten sich bei dieser Sachlage nicht auf eine fortdauernde Steuerbefreiung verlassen.

5. Schließlich steht auch § 176 Abs. 2 AO 1977 einer Nachversteuerung der Lohneinkünfte nicht entgegen.

Nach § 176 Abs. 2 AO 1977 darf bei Änderung eines Steuerbescheides zuungunsten des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt werden, daß ein oberster Gerichtshof des Bundes eine allgemeine Verwaltungsregelung einer obersten Landesbehörde als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet hat. § 176 Abs. 2 AO 1977 gewährt somit einen begrenzten Vertrauensschutz in die Fortgeltung allgemeiner Verwaltungsregelungen. Der Tatbestand des § 176 Abs. 2 AO 1977 liegt jedoch nicht vor, da der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen den Erlaß vom 21. August 1970 bereits ohne richterliche Überprüfung aufgehoben hat.