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BFH-Urteil vom 22.07.1987 (I R 54/85) BStBl. 1988 II S. 203

Der Abrundungsbetrag des § 23 Abs. 6 KStG 1977 (jetzt § 23 Abs. 4 KStG 1977) ist nicht als Vermögensmehrung i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1977 (EK 02) anzusehen, die der Körperschaftsteuer nicht unterlegen hat (Abweichung von Abschn. 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStR 1977).

KStG 1977 §§ 23, 30.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1979 wurde nach § 47 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) gesondert festgestellt.

Von der Erklärung der Klägerin wurde abgewichen. Es wurde ein Betrag in Höhe von 2 DM, der sich aus der Abrundung des zu versteuernden Einkommens ergeben hat, dem EK 02 zugerechnet.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage beantragte die Klägerin, unter Änderung des Feststellungsbescheides und Aufhebung der Einspruchsentscheidung den Abrundungsbetrag von 2 DM nicht dem verwendbaren Eigenkapital nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977, sondern dem nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 zuzuordnen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 23, 30 und 31 KStG 1977.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA-) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Revisionsbegründung ausdrücklich keinen bestimmten Antrag enthält (§ 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Ziel der Revision ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionsbegründung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz. 51). Danach will die Klägerin die Aufhebung des Urteils des FG erreichen und eine Änderung des Feststellungsbescheides in dem Sinne, daß der Abrundungsbetrag dem EK 56 zugewiesen wird. Daß die Klägerin die Aufhebung des Urteils des FG begehrt, ergibt sich aus ihrem Begehren auf Zuweisung des Abrundungsbetrag zum EK 56; denn das Urteil des FG ist ihrem in die gleiche Richtung gehenden Klageantrag nicht gefolgt.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben. Der Feststellungsbescheid wird geändert. Der Abrundungsbetrag von 2 DM wird als Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KStG 1977 (EK 56) ausgewiesen.

Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 sind die nach § 30 KStG 1977 zu gliedernden Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gesondert festzustellen. Das Eigenkapital und seine Tarifbelastung sind gemäß § 28 Abs. 1 KStG 1977 nach den Vorschriften der §§ 29 bis 39 KStG 1977 zu ermitteln. Gemäß § 29 Abs. 1 KStG 1977 in der für das Streitjahr gültigen Fassung ist Eigenkapital im Sinne des Ersten Kapitels des Vierten Teils des KStG 1977 der Unterschiedsbetrag zwischen dem auf der Aktivseite und dem auf der Passivseite der Steuerbilanz ausgewiesenen Betriebsvermögen, das sich ohne Änderung der Körperschaftsteuer nach § 27 KStG 1977 ergeben würde. Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 ist das verwendbare Eigenkapital der das Nennkapital übersteigende Teil des Eigenkapitals. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, ist im Streitfall von einem verwendbaren Eigenkapital von 28.884 DM auszugehen; denn nach dem Bescheid über die gesonderte Feststellung zum 31. Dezember 1979 beträgt das verwendbare Eigenkapital 28.884 DM.

Das verwendbare Eigenkapital ist zum Schluß jedes Wirtschaftsjahres entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern (§ 30 Abs. 1 Satz 1 KStG 1977). Dabei sind vorbehaltlich des § 32 KStG 1977 die Teilbeträge getrennt auszuweisen, die entstanden sind aus Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1976 der Körperschaftsteuer ungemildert unterliegen, aus Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1976 ermäßigter Körperschaftsteuer unterliegen und aus Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen oder die das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft in vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben (§ 30 Abs. 1 Satz 3 KStG 1977).

Der Abrundungsbetrag in Höhe von 2 DM entstand aus Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1976 ungemildert der Körperschaftsteuer unterlagen. Das zu versteuernde Einkommen der Klägerin betrug 65.642 DM. Es unterlag in vollem Umfange einer Körperschaftsteuer von 56 v.H. (§ 23 Abs. 1 KStG 1977). Wenn nach § 23 Abs. 6 KStG 1977 in der für das Streitjahr gültigen Fassung (entspricht § 23 Abs. 4 KStG 1977 jetziger Fassung) zur Berechnung der Körperschaftsteuer das zu versteuernde Einkommen auf volle Zehn Deutsche Mark nach unten abzurunden ist, verbleibt es für die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals bei einer Tarifbelastung in Höhe von 56 v.H. (§ 30 Abs. 1 Satz 1 KStG 1977).

Die Anwendung des § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977 führt nicht dazu, daß der Abrundungsbetrag als Vermögensmehrung i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1977 anzusehen ist, die der Körperschaftsteuer nicht unterlegen hat. § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977 steht in der den Steuersatz regelnden Vorschrift des § 23 KStG 1977. Vorschriften über die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens finden sich im Zweiten Teil des KStG 1977 und in den §§ 24 und 25 KStG 1977. Dort sind die Vermögensmehrungen geregelt, die bei der Kapitalgesellschaft nicht in das zu versteuernde Einkommen eingehen und damit nicht der Körperschaftsteuer unterliegen.

Die Abrundung nach § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977 bewirkt nicht, daß das Einkommen der Klägerin von § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KStG 1977 erfaßt wird, weil es einer ermäßigten Körperschaftsteuer unterliegt. § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977 entspricht nicht den Vorschriften, die Grundlage für eine ermäßigte Körperschaftsteuer bilden (vgl. § 23 Abs. 2 bis Abs. 5 KStG 1977 in der für das Streitjahr gültigen Fassung, wonach sich die Körperschaftsteuer für bestimmte Steuerpflichtige auf einen unter 56 v.H. liegenden Satz ermäßigt). Insoweit läßt bereits der andere Wortlaut in den Absätzen der gleichen Vorschrift erkennen, daß das Gesetz in § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977 nicht von einer Ermäßigung der Körperschaftsteuer ausgeht. Hingewiesen sei auch auf die Vorschriften außerhalb des KStG 1977, nach denen eine Ermäßigung der Körperschaftsteuer eintritt, ohne daß ein besonderer Körperschaftsteuersatz vorgesehen ist (vgl. §§ 16, 17, 21 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -, § 14 des Dritten Vermögensbildungsgesetzes - 3. VermBG - und § 4 der Wasserkraftverordnung). In den angeführten Vorschriften wird jeweils von einer "Ermäßigung" der Körperschaftsteuer gesprochen und entweder von der Körperschaftsteuer ein bestimmter Betrag in Abzug gebracht oder die Körperschaftsteuer um einen bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Soweit infolge der Anrechnung ausländischer Steuern (§ 26 Abs. 1 und 2 KStG 1977) von Einkommensteilen ausgegangen wird, die einer ermäßigten Körperschaftsteuer unterliegen, ist dies mit den Auswirkungen der Abrundungsvorschrift nicht vergleichbar. Die Ermäßigung tritt insoweit ein, weil auf die auf die ausländischen Einkünfte entfallende Körperschaftsteuer ausländische Steuern angerechnet werden. Ausgangspunkt ist damit eine an sich anfallende Körperschaftsteuer. Demgegenüber ermäßigt sich infolge der Abrundung nicht die auf der Grundlage eines Körperschaftsteuersatzes von 56 v.H. errechnete Körperschaftsteuer; die Körperschaftsteuer wird hiernach durch Anwendung eines Körperschaftsteuersatzes von 56 v.H. ermittelt, wobei für den Rechenvorgang das zu versteuernde Einkommen abgerundet wird.

Liegen damit bei der Klägerin infolge des Abrundungsbetrages weder Einkommensteile i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1977 noch ermäßigt besteuerte Einkommensteile vor, stammen die Zugänge zum verwendbaren Eigenkapital im Streitjahr ausschließlich aus Einkommensteilen, die ungemildert der Körperschaftsteuer unterlagen. Damit ist der Abrundungsbetrag ebenfalls aus diesen Einkommensteilen entstanden und dem EK 56 zuzuordnen. Die Abrundungsvorschrift stellt zwar faktisch einen Teil des zu versteuernden Einkommens von der Körperschaftsteuer frei, ist jedoch nach dem System des Gesetzes lediglich eine Berechnungserleichterung. Das nicht abgerundete zu versteuernde Einkommen gilt nach den Wertungen des Gesetzes als zu einem Körperschaftsteuersatz von 56 v.H. belastet; lediglich zur Berechnung der Körperschaftsteuer wird auf der Grundlage des ungemilderten Körperschaftsteuersatzes eine vereinfachende Regelung getroffen, indem der Steuersatz auf das um den Abrundungsbetrag verminderte zu versteuernde Einkommen zur Anwendung kommt.

Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Vorschrift des § 23 Abs. 6/Abs. 4 KStG 1977, die erkennbar der Vereinfachung dient, indem das Rechnen mit Beträgen vermieden werden soll, die geringer sind als Zehn Deutsche Mark. Dem widerspräche es, wenn die Vorschrift bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals die Grundlage dafür böte, unter Zehn Deutsche Mark liegende Beträge gesondert auszuweisen. Eine andere Auslegung würde dazu führen, daß die vom Gesetz bei der Berechnung der Körperschaftsteuer gewollte Vereinfachung einen den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung belastenden höheren Verwaltungsaufwand bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals zur Folge hätte.

Der Senat folgt damit nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, wie sie in Abschn. 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien zum Ausdruck kommt, wonach Abrundungen gemäß § 23 Abs. 4 KStG 1977 (für das Streitjahr § 23 Abs. 6 KStG 1977) zu einer Erhöhung des Teilbetrags i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 führen und damit als Vermögensmehrungen angesehen werden, die nicht der Körperschaftsteuer unterlegen haben (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1977).