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BFH-Urteil vom 10.12.1987 (IV R 77/86) BStBl. 1988 II S. 322

1. Wird gemäß § 195 Satz 2 AO 1977 ein anderes FA mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt, kann dieses auch die Prüfungsanordnung erlassen. Aus der Anordnung müssen sich die Gründe für die Beauftragung ergeben.

2. Die Zuständigkeit des FA wird durch den innerdienstlichen Auftrag begründet. Dieser Auftrag muß den zu prüfenden Steuerpflichtigen sowie den sachlichen und zeitlichen Prüfungsumfang erkennen lassen. Ob ein Auftrag vorliegt und dieser die genannten Voraussetzungen erfüllt, kann nach Anfechtung der Prüfungsanordnung vom Steuergericht überprüft werden.

AO 1977 § 121 Abs. 1, § 127, § 195 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Steuerberatersozietät, der bis 1983 auch der Beigeladene angehörte. Sie hat ihre Geschäftsräume im Bereich des Finanzamts A. Im Dezember 1984 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1982 an. Zuvor hatte das Finanzamt A die Klägerin dem beklagten FA zur Prüfung vorgeschlagen. Die Bezirke beider FÄ grenzen aneinander. Zwischen ihnen ist vereinbart, daß die im Bezirk des einen FA ansässigen Steuerberater jeweils vom anderen FA geprüft werden; hierdurch sollen "Reibungen" vermieden werden.

Die Klägerin focht die Prüfungsanordnung an und wandte ein, daß aufgrund von § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zwar ein anderes FA mit der Durchführung der Außenprüfung beauftragt werden könne; die Prüfungsanordnung müsse jedoch seitens des zuständigen FA ergehen. Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die Prüfungsanordnung gerichtete Klage jedoch ab.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision. Sie macht fehlerhafte Anwendung der AO 1977 geltend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Außenprüfung ist als Ermittlungsmaßnahme Teil des Besteuerungsverfahrens. Deshalb sieht § 195 Satz 1 AO 1977 vor, daß sie von der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde durchgeführt wird. Dies ist im Streitfall das FA A als örtliche Landesbehörde (§ 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes - FVG -). Aufgrund von § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG kann allerdings die Prüfungszuständigkeit dem örtlich zuständigen FA genommen und bei einem FA konzentriert werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1984 I R 269/81, BFHE 140, 509, BStBl II 1984, 563).

Darüber hinaus kann das örtlich zuständige FA nach § 195 Satz 2 AO 1977 auch von sich aus eine andere Finanzbehörde mit der Außenprüfung beauftragen. Durch einen derartigen Auftrag wird die Prüfungszuständigkeit des an sich zur Prüfung berufenen FA nicht verlagert; es nimmt diese Zuständigkeit lediglich für eine bestimmte Prüfung nicht in Anspruch. Dies bedeutet, daß dem beauftragten FA nicht die Entscheidung überlassen werden kann, ob und in welchem Umfang eine Außenprüfung durchgeführt wird. Dies muß vielmehr in der innerdienstlichen Beauftragung des prüfenden FA festgelegt werden. Welche Maßnahmen zur Erledigung des Auftrags ergriffen werden, liegt dagegen in der Entscheidung des beauftragten FA.

2. Gegenüber dem Steuerpflichtigen tritt die Absicht der Finanzbehörde, eine Außenprüfung durchzuführen, im Erlaß einer Prüfungsanordnung hervor (§ 196 AO 1977). Die Prüfungsanordnung kann vom beauftragenden FA erlassen werden; von dieser Möglichkeit wird ersichtlich Gebrauch gemacht (vgl. BFH-Beschluß vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656; Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 109/86, BFHE 149, 101, BStBl II 1987, 361). In diesem Fall enthält die Prüfungsanordnung auch die Regelung, daß die Prüfung vom beauftragten FA durchgeführt wird.

Als schriftlicher Verwaltungsakt muß die Prüfungsanordnung begründet werden, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs. 1 AO 1977). Bei einer Ermessensentscheidung muß die Finanzbehörde daher regelmäßig im Verwaltungsakt auf die von ihr angestellten Erwägungen hinweisen (BFH-Urteil vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493, m. w. N.). Um eine solche Ermessensentscheidung handelt es sich auch bei dem Entschluß der Finanzbehörde, die Außenprüfung nicht selbst durchzuführen, sondern einem anderen FA anzuvertrauen. Da hiervon auch die Belange des Steuerpflichtigen berührt werden, müssen in der Prüfungsanordnung die Gründe für die Übertragung der Prüfung genannt werden. Hierauf kann nur verzichtet werden, wenn diese Gründe dem Steuerpflichtigen bekannt oder doch ohne weiteres erkennbar sind (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). Will der Steuerpflichtige die Übertragung der Außenprüfung beanstanden, muß er die Prüfungsanordnung anfechten. Gegenüber nachfolgenden Verwaltungsakten des beauftragten FA, die der Durchführung der Prüfung dienen, kann er diese Beanstandung nicht mehr erheben.

3. Der Erlaß der Prüfungsanordnung kann aber auch dem beauftragten FA überlassen werden. § 195 Satz 2 AO 1977 steht dem nicht entgegen; hier ist nur die mögliche Beauftragung seitens des an sich zuständigen FA, d. h. ein innerdienstlicher Vorgang, geregelt. Mit der Beauftragung erlangt das FA die Befugnis zum Erlaß der Verwaltungsakte, die zur Durchführung des Auftrags erforderlich sind. Hierzu zählt auch der Erlaß der Prüfungsanordnung, wenn sich das beauftragende FA diese Befugnis nicht vorbehalten und die Anordnung selbst erlassen hat.

Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen wird durch ein derartiges Vorgehen nicht beeinträchtigt. Auch in diesem Fall müssen in der Prüfungsanordnung ein Hinweis auf den vom örtlich zuständigen FA erteilten Auftrag zur Vornahme der Prüfung und erforderlichenfalls auch die Gründe für die Übertragung der Prüfung angegeben werden. Beim Erlaß der Prüfungsanordnung ist das tätigwerdende FA an den Auftrag des zuständigen FA gebunden, aus dem sich der zu prüfende Steuerpflichtige und der Umfang der Prüfung der Zeit und der Sache nach ergeben müssen. Ob ein derartiger Auftrag vorhanden und damit die Prüfungsbefugnis des tätigwerdenden FA gegeben ist, kann nach Anfechtung der Prüfungsanordnung überprüft werden. Der Auftrag bedeutet zwar noch keine Regelung gegenüber dem Steuerpflichtigen und ist deshalb kein eigenständiger Verwaltungsakt i. S. von § 118 Satz 1 AO 1977. Doch handelt es sich um die Mitwirkungsmaßnahme einer anderen Behörde, die zum Erlaß des Verwaltungsakts erforderlich ist und im Rahmen der Anfechtung dieses Verwaltungsakts auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 77/82, BFHE 138, 373, BStBl II 1983, 506). Von ihr hängt die örtliche Zuständigkeit des tätigwerdenden FA zum Erlaß der Prüfungsanordnung ab.

§ 127 AO 1977 steht dieser Nachprüfung nicht entgegen. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit ergangen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können; das gilt aber nicht für eine Ermessensentscheidung. Der Entschluß des FA, eine Außenprüfung durchzuführen und diese einem anderen FA zu übertragen, stellt jedoch eine derartige Ermessensentscheidung dar.

4. Im Streitfall ergeben sich gegen die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung keine Bedenken. Die Anordnung enthält zwar keine Begründung für die Übertragung der Prüfung; diese ist zulässigerweise aber in der Beschwerdeentscheidung nachgeholt worden (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286). Das FG hat die angegebene Begründung, es sollten durch die Übertragung der Prüfung "Reibungen" zwischen dem an sich zuständigen FA und den Mitgliedern der Praxis bei der Vertretung von Steuerpflichtigen vermieden werden, für sachlich vertretbar gehalten; dem ist aus Rechtsgründen nicht zu widersprechen.

Auch der Prüfungsauftrag war mit hinreichender Bestimmtheit erteilt. In der Mitteilung des örtlich zuständigen FA waren die Klägerin als zu prüfende Steuerpflichtige, die Steuerarten und der Prüfungszeitraum bezeichnet. Dies ist zwar auf einem Vordruck geschehen, der für die Übermittlung lediglich eines Prüfungsvorschlags benutzt wird. Aus dem Übersendungsschreiben des zuständigen FA ergibt sich jedoch, daß die Prüfung in dem bezeichneten Umfang durchgeführt werden, das beauftragte FA hierüber also nicht in eigener Zuständigkeit entscheiden sollte.