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BFH-Urteil vom 25.1.1989 (X R 168/87) BStBl. 1989 II S. 453

Zahlungen der Eltern für Aushilfstätigkeiten erwachsener Kinder im Betrieb sind nicht schon deshalb vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen, weil die Kinder familienrechtlich aufgrund von § 1619 BGB zur Mithilfe im Betrieb verpflichtet sind (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 17. März 1988 IV R 188/85, BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632).

BGB § 1619; EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1988, 223)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb einen Lebensmittel- und Kolonialwaren-Einzelhandel, bei dem in den Streitjahren 1980 bis 1982 auch seine drei Töchter neben ihrem Studium oder neben ihrem Beruf aushalfen.

Die 1954 geborene Tochter G wohnte und studierte vom 1. Januar 1980 bis zum 31. Januar 1981 in K. Anschließend lebte sie wieder im Haushalt der Eltern und war vom 1. März 1981 an bei einer Bank in K angestellt. Nach den Angaben der Kläger arbeitete sie während des Studiums und während ihrer anschließenden Tätigkeit bei der Bank regelmäßig freitags und samstags im elterlichen Betrieb als Verkaufshilfe mit.

Die 1958 geborene Tochter W wohnte in den Streitjahren bei den Eltern und war als Steuerfachgehilfin tätig. Neben ihrer beruflichen Arbeit erledigte sie nach dem Vortrag der Kläger die Buchführung des Betriebs.

Die 1960 geborene Tochter C leistete bis Juli 1980 ein freiwilliges soziales Jahr in B und studierte anschließend in S. Sie kam nach Darstellung der Kläger am Wochenende von ihrem Studienort nach Hause und arbeitete 1980 bis 1981 freitags und samstags regelmäßig im Betrieb mit. Aufgrund einer Änderung des Studienplans habe sie ab 1982 bereits donnerstags nach Hause fahren und von da an verstärkt im Betrieb mitarbeiten können.

Der Kläger zog in den Streitjahren folgende an seine Töchter gezahlten Arbeitslöhne als Betriebsausgaben ab:

...

Nach den Erklärungen der Kläger wurden die Vergütungen zunächst aufgrund mündlicher Vereinbarungen gezahlt. Für die Töchter - wie für alle anderen Teilzeitbeschäftigten - habe man die geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet und mit einem festen Stundensatz vergütet. Der Verdienst sei jeweils am Ende des Monats gegen Quittung bar ausbezahlt worden.

Am 31. Dezember 1981 schloß der Kläger mit seinen Töchtern G und C schriftliche Arbeitsverträge ab. Danach wurde die Tochter G rückwirkend ab 1. Januar 1978 als Aushilfskraft (Verkäuferin) gegen eine monatliche Vergütung von 390 DM bei einer Arbeitszeit von 39 Stunden im Monat angestellt. Die Tochter C wurde laut Vertrag ab 1. Januar 1982 als Verkaufshilfe beschäftigt. Als Arbeitszeit wurden 14 Stunden in der Woche vereinbart. Bei der monatlichen Gehaltsabrechnung sollten regelmäßig 56 Stunden mit je 10 DM zugrunde gelegt werden. Mit der Tochter W schloß der Kläger ab 1. Mai 1982 einen schriftlichen Vertrag über ihre Tätigkeit als Buchhalterin. Die monatliche Arbeitszeit war mit 39 Stunden, die monatliche Vergütung mit 390 DM festgelegt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte in den aufgrund einer Außenprüfung geänderten Einkommensteuerbescheiden 1980 bis 1982 die Zahlungen an die Töchter nicht als Betriebsausgaben, weil die Töchter familienrechtlich aufgrund von § 1.619 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Mithilfe im Betrieb verpflichtet gewesen seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 223 veröffentlichten Urteil führte es aus: Auch wenn die zwischen Eltern und Kindern getroffenen Vereinbarungen nach Form und tatsächlicher Durchführung vergleichbaren Verträgen zwischen Fremden entsprächen, seien Zuwendungen an die Kinder für die Mitarbeit im Betrieb nicht als Betriebsausgaben abziehbar, sofern die Mitarbeit der Kinder nach Art und Umfang noch im Bereich der Dienstleistungspflicht nach § 1.619 BGB liege. Die Zahlungen seien dann - anders als bei Arbeitsverhältnissen zwischen Fremden - keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit, sondern erfüllten eine familienrechtliche Unterhaltspflicht. Bei Zahlungen - wie im Streitfall - zwischen 100 DM und 560 DM monatlich und einer Mitarbeit bis zu 14 Stunden wöchentlich liege noch eine unter § 1.619 BGB fallende Tätigkeit vor.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 1.619 BGB. Sie führen aus, durch die Mitarbeit der Töchter im Betrieb seien mindestens zwei Aushilfskräfte ersetzt worden. Es habe sich somit nicht um unbedeutende Hilfeleistungen gehandelt. Angesichts der Belastung durch Beruf und Studium seien die Kinder zu Tätigkeiten in diesem Umfang nicht familienrechtlich verpflichtet. Die volljährigen Töchter hätten lediglich durch ein entsprechendes Entgelt zur Mitarbeit veranlaßt werden können. Darüber hinaus gingen wirksam vereinbarte schuldrechtliche Verpflichtungen familienrechtlichen Verpflichtungen vor.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die in den Streitjahren an die Töchter gezahlten Arbeitslöhne als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Vertragsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie rechtswirksam vereinbart worden sind, inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und auch tatsächlich durchgeführt werden (z.B. Urteil vom 17. März 1988 IV R 188/85, BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632).

Für Kinder, die dem elterlichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen oder unterhalten werden, ist in § 1.619 BGB zwar vorgesehen, daß sie in einer ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten haben. Nach herrschender Meinung im Zivilrecht kann eine nach § 1.619 BGB familienrechtlich geschuldete Mitarbeit der Kinder aber auch auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht werden, so daß insoweit der Arbeitsvertrag das familienrechtliche Verhältnis ersetzt (z.B. Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 48. Aufl., § 1.619 Anm. 4; Hinz in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 1.619 Anm. 2, jeweils m. w. N.). Dementsprechend hat der BFH im Urteil in BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632 ausgeführt, daß Kinder trotz einer bestehenden Verpflichtung zur Mitarbeit nach § 1.619 BGB mit ihren Eltern ein Arbeitsverhältnis eingehen können, das auch steuerrechtlich anzuerkennen ist, wenn es so gestaltet und abgewickelt wird, wie dies sonst zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer üblich ist.

Entgegen der Auffassung des FG sind danach Zahlungen der Eltern für die Mitarbeit der Kinder im Betrieb nicht schon deshalb vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen, weil die Tätigkeiten der Kinder nach Art und Umfang noch in den Bereich der Dienstleistungspflichten nach § 1.619 BGB fallen. Vielmehr ist stets - auch wenn die Kinder nach § 1.619 BGB zu den Arbeiten verpflichtet waren - zu prüfen, ob die Mitarbeit aufgrund eines wirksam vereinbarten, tatsächlich durchgeführten Arbeitsverhältnisses erbracht wurde, das seinem Inhalt nach auch zwischen Fremden üblich ist.

Nach dem Urteil des IV. Senats in BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632, und dem Urteil vom 23. Juni 1988 IV R 129/86 (nicht veröffentlicht - n. v. -) eignen sich allerdings "gelegentliche" Hilfeleistungen bei "untergeordneten Tätigkeiten", die "üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage" erbracht werden, nicht als Inhalt eines mit einem Fremden zu begründenden Arbeitsverhältnisses. Nicht anerkannt hat der IV. Senat daher Arbeitsverträge eines Arztes mit seinen zum Teil noch minderjährigen Kindern, nach denen die Kinder Telefonanrufe bei Abwesenheit des Vaters entgegenzunehmen und den Vater bei seinen Patientenbesuchen zu chauffieren hatten (BFHE 153, 117, BStBl II 1988, 632).

Im Streitfall haben die volljährigen Töchter der Kläger keine Arbeiten übernommen, die wegen ihrer Geringfügigkeit oder Eigenart üblicherweise nicht auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht werden. Stundenweise Aushilfe beim Verkauf oder bei der Buchhaltung sind Tätigkeiten, die in vielen Branchen regelmäßig (besonders an Wochenenden im Lebensmittel-Einzelhandel) anfallen und häufig von Schülern, Studenten oder auch Hausfrauen gegen entsprechende Bezahlung ausgeführt werden.

Anders als bei dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil IV R 129/86 zugrunde liegt, kann im Streitfall ein Arbeitsverhältnis auch nicht ohne weiteres wegen fehlender Bestimmbarkeit der zu erbringenden Leistungen verneint werden. Dort war die Art der zu verrichtenden Leistungen in den Arbeitsverträgen mit den Kindern nicht näher festgelegt und auch im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht weiter erläutert worden. Im vorliegenden Fall tragen die Kläger dagegen vor, die zu erbringenden Leistungen (Aushilfe bei Verkauf und Buchhaltung) sowie das nach Stunden abgerechnete Entgelt seien eindeutig vereinbart worden.

2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung wird das FG prüfen, ob rechtswirksame Arbeitsverhältnisse - vor allem in den Jahren 1980 und 1981 vor Abschluß der schriftlichen Arbeitsverträge - vereinbart und tatsächlich durchgeführt wurden. Dabei wird es auch die - dem BFH mit den Akten nicht vorgelegten - Kalender zu würdigen haben, in denen nach Angaben der Kläger die geleisteten, der Abrechnung zugrunde gelegten Arbeitsstunden aufgezeichnet wurden. Bei der Entscheidung, ob die abgeschlossenen Arbeitsverträge inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen, wird das FG zu ermitteln haben, ob die an die Töchter gezahlten Löhne zusätzlich zum Unterhalt gezahlt wurden und ob sie dem ortsüblichen Lohn vergleichbarer fremder Arbeitskräfte entsprachen.