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BFH-Urteil vom 22.3.1989 (II R 15/86) BStBl. 1989 II S. 644

Entgeltlich erworbene Güterfernverkehrsgenehmigungen sind auch nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Oktober 1975 (BVerfGE 40, 196, 232) und der Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 9. Juli 1979 als immaterielle Wirtschaftsgüter mit firmenwertähnlichem Charakter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu berücksichtigen und in der Regel mit den Erwerbskosten anzusetzen.

BewG § 95 Abs. 1, § 98a; GüKG § 10 Abs. 3, 4; GG Art. 3, Art. 12 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte in den Jahren 1954 bis 1974 Transportunternehmen mit Güterfernverkehrsgenehmigungen erworben. Für die Genehmigungen zahlte sie insgesamt X DM. In der Steuerbilanz waren diese Genehmigungen ab 1. Januar 1978 nur noch mit 1 DM ausgewiesen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte sie bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1980 mit den Erwerbskosten von X DM an.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Konzessionen seien nach Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Oktober 1975 (BVerfGE 40, 196, 232) nicht mehr bewertungsfähig, weil seitdem der früher übliche Handel mit diesen Genehmigungen nicht mehr zulässig sei, hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß zumindest zum 1. Januar 1980 der verbotene Konzessionshandel noch stattgefunden habe und nicht "effektiv" unterbunden gewesen sei.

Mit der Revision beantragt die Klägerin,

1. unter Änderung des Einheitswertsbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung den Einheitswert auf den 1. Januar 1980 auf Y DM herabzusetzen,

2. hilfsweise das Verfahren zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts an das Niedersächsische FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zumindest im Ergebnis zutreffend entschieden, daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1980 die von der Klägerin entgeltlich erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigungen als Wirtschaftsgut zu berücksichtigen und mit den Erwerbskosten anzusetzen sind.

Gemäß § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gehören zum Betriebsvermögen alle Teile einer wirtschaftlichen Einheit, die dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, soweit die Wirtschaftsgüter dem Betriebsinhaber gehören. Dabei können Wirtschaftsgüter körperliche aber auch unkörperliche (immaterielle) sein. Die von der Klägerin entgeltlich erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigungen sind zu berücksichtigende immaterielle Wirtschaftsgüter.

Der erkennende Senat hat in Fortführung der Rechtsprechung des III. Senates den mit der Güterfernverkehrsgenehmigung verbundenen wirtschaftlichen Vorteil, auf dem behördlich begrenzten Markt des Güterfernverkehrs Gewinne zu machen, als immaterielles Wirtschaftsgut mit firmenwertähnlichem Charakter angesehen, auf das die Rechtsprechung über die Erfassung des Firmenwertes anzuwenden ist; er hat sich insoweit der Rechtsprechung der Ertragsteuer-Senate angeschlossen (vgl. z.B. Urteile vom 8. Mai 1985 II R 184/80, BFHE 144, 268, BStBl II 1985, 608; vom 23. Juni 1978 III R 22/76, BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521, und vom 30. Mai 1974 III R 75/73, BFHE 113, 50, 54, BStBl II 1974, 654). Der Firmenwert ist aber nur dann als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut anzusehen, wenn er als geldwerte Realität in Erscheinung getreten und damit konkretisiert worden ist. Hierzu ist regelmäßig erforderlich, daß er eine Wertbestätigung durch den Markt erhalten hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn das immaterielle Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wurde oder die selbständige Bewertungsfähigkeit durch Aufwendungen anerkannt wurde, die auf das zu bewertende Wirtschaftsgut gemacht wurden (vgl. BFHE 113, 50, BStBl II 1974, 654). Als immaterielles Wirtschaftsgut erfaßt wird demnach nur die von einem anderen Konzessionsinhaber entgeltlich erworbene, derivative, nicht aber die ausschließlich originär von der Genehmigungsbehörde verliehene Konzession (vgl. BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich an dieser Beurteilung weder durch den Beschluß des BVerfG vom 14. Oktober 1975 noch durch die Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) vom 9. Juli 1979 sowie die hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen etwas geändert. Dabei ist entscheidend, daß das immaterielle Wirtschaftsgut nicht nur zu erfassen ist, wenn es selbständig verkehrsfähig ist, d.h. losgelöst vom Unternehmen veräußert werden kann, sondern auch dann, wenn die Veräußerung zusammen mit dem Betrieb möglich ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. November 1988 II R 209/82, BFHE 155, 132, BStBl II 1989, 82, und vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13, 14).

Auch nach der Änderung des GüKG - insbesondere des § 10 durch das Gesetz vom 9. Juli 1979 - besteht die Möglichkeit, "zur Weiterführung eines Unternehmens oder eines selbständigen, abgrenzbaren Unternehmensteils im Einzelfall unter Anlegung eines strengen Maßstabes" die Güterfernverkehrsgenehmigung zusammen mit dem Betrieb einer Spedition zu veräußern bzw. zu erwerben (vgl. § 10 Abs. 4 GüKG). Denn die auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) beruhenden verfassungsrechtlichen Bedenken des BVerfG richteten sich erkennbar nicht gegen die Übertragung von Güterfernverkehrsgenehmigungen zusammen mit der Übertragung eines Unternehmens im Ganzen, sondern gegen den Handel mit Güterfernverkehrsgenehmigungen unter Mitwirkung der Behörden im Wege des Verzichts unter der Bedingung der Erteilung der Genehmigung an den vom Verzichtenden benannten Erwerber (vgl. BVerfGE 40, 196, 232; Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsgesetz, Kommentar, Erläuterungen zu § 10 Anm. 4 S. 10). Deshalb wurde durch § 10 Abs. 3 GüKG in der ab dem 9. Juli 1979 geltenden Fassung mit der öffentlichen Ausschreibung neu zu erteilender Genehmigungen ein Vergabeverfahren eingeführt, das eine möglichst gerechte, die Gleichheit der Zugangschancen für alle Erwerber wahrende Verteilung ermöglichen soll. Die für den Fall der Weiterführung eines Unternehmens oder eines selbständigen, abgrenzbaren Unternehmensteils durch den Bewerber in § 10 Abs. 4 GüKG geregelte Ausnahme läßt sich vor Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG deshalb rechtfertigen; denn die Grundlage der nach § 11 Abs. 1 GüKG personengebundenen, nicht übertragbaren Genehmigung, nämlich das konkrete Güterfernverkehrsunternehmen, besteht insgesamt oder teilweise fort; deshalb soll zur Erhaltung dieses Unternehmens oder Unternehmensteils die Möglichkeit geschaffen werden, die betreffende Genehmigung nicht wieder dem allgemeinen Vergabekontingent zuzuführen, sondern für den Betriebsnachfolger bereit zu halten (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. September 1987 7 C 15.85, BVerwGE 78, 114, 116, 117). Im Regelfall kann der Erwerber eines ganzen Speditionsunternehmens, soweit er die Absicht hat, dieses weiterzuführen, damit rechnen, außerhalb des allgemeinen Vergabeverfahrens nach § 10 Abs. 3 GüKG im vereinfachten Verfahren nach § 10 Abs. 4 GüKG die diesem Unternehmen bislang erteilten Genehmigungen übernehmen zu können. Die Regelung des § 10 Abs. 4 GüKG in der ab dem 9. Juli 1979 geltenden Fassung läßt somit bei Übertragung eines ganzen Unternehmens oder eines selbständigen, abgrenzbaren Unternehmensteils zur Weiterführung durch den Erwerber wirtschaftlich auch die Übertragung der Güterfernverkehrsgenehmigung auf einen anderen Transportunternehmer, nämlich den Erwerber zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bei dem Verkauf eines Unternehmens bei der Ermittlung des Kaufpreises die Güterfernverkehrsgenehmigungen einzeln bewertet werden. Vielmehr genügt es, daß diese Bewertung möglich ist (vgl. BFH in BFHE 115, 243, 246, BStBl II 1976, 13, 14). Eine solche Bewertung ist bei der Veräußerung eines Speditionsunternehmens möglich, da die Höhe des Kaufpreises entscheidend vom Vorhandensein einer oder mehrerer Güterfernverkehrsgenehmigungen abhängig ist und dieser maßgeblich von dem Bestehen der Güterfernverkehrsgenehmigungen beeinflußt wird.

Da es im Streitfall auf die selbständige Verkehrsfähigkeit der Güterfernverkehrsgenehmigungen nicht ankommt, kam auch der Frage keine weitere Bedeutung zu, ob es den zuständigen Behörden nach dem Beschluß des BVerfG vom 14. Oktober 1975 aufgrund des zweiten Gesetzes zur Änderung des GüKG vom 9. Juli 1979 gelungen ist, dem gesetzwidrigen Handel mit einzelnen Konzessionen wirksam entgegenzutreten. Der diesbezüglich von der Klägerin erhobenen Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG brauchte deshalb nicht nachgegangen zu werden.

Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß der nach § 98a BewG maßgebliche Teilwert der von der Klägerin derivativ erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigungen mit den Erwerbspreisen anzusetzen ist. Denn nach der Rechtsprechung des Senats, die der ertragsteuerlichen Behandlung des Geschäftswerts und derivativ erworbener firmenwertähnlicher Wirtschaftsgüter entspricht, ist der derivativ erworbene Geschäftswert in der Regel mit dem von den Parteien im Vertrag ziffernmäßig bestimmten Betrag, d.h. mit den Anschaffungskosten anzusetzen (vgl. BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521). Insoweit gilt die Teilwertvermutung bei nichtabschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern fort, wenn - wie im Streitfall - keine konkreten Tatsachen für einen geringeren Teilwert vorgetragen werden.

Offenbleiben mußte die Frage, ob nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der durch Art. 10 Abs. 15 des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom 19. Dezember 1985 geänderten Fassung, wonach der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert ab dem Wirtschaftsjahr 1987 zu den der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gehört, Güterfernverkehrsgenehmigungen abschreibbar sind, da im Streitfall die Verhältnisse zum Bewertungsstichtag 1. Januar 1980 maßgeblich sind (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 20. November 1986, BStBl I 1986, 532; Niehues, Betriebs-Berater - BB - 1987, 1429; Buciek, BB 1987, 1979; Brandenberg, Der Betrieb - DB - 1986, 1791, 1792; Küting/Kessler, BB 1989, 25, 33, 34; Diers, DB 1987, 1064, 1065; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 EStG Rdnr. 198e).