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BFH-Urteil vom 3.5.1989 (II R 49/86) BStBl. 1989 II S. 646

Ist nach tatsächlichen Veränderungen in einem Wohngrundstück die Anerkennung als grundsteuerbegünstigt wegen Überschreitens der Höchstgrenzen widerrufen, so bleibt kein Raum dafür, die Jahresrohmiete (zum 1. Januar 1964) unter Berücksichtigung fortwirkender Elemente der unter anderen tatsächlichen Verhältnissen gewährten Steuervergünstigung zu schätzen.

BewG § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Sätze 2 und 3, §§ 27, 79 Abs. 5.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger errichteten im Jahre 1971 auf einem ihnen gehörenden Grundstück ein Wohnhaus mit Einliegerwohnung. Das Finanzamt (FA) bewertete das Wohngrundstück im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1974 als Zweifamilienhaus und stellte den Einheitswert auf 52.200 DM fest. Es ging dabei von einer Wohnfläche von 184 qm und einer Mietspiegelmiete von 1,90 DM (gute Ausstattung, Wohnung mit laufender Steuervergünstigung) aus.

Im Jahre 1979 errichteten die Kläger eine Garage. Im Laufe des Jahres 1980 gaben sie die Vermietung der Wohnung im Untergeschoß auf und entfernten die dortige zweite Küche. Die Kläger bewohnen das Wohnhaus seither alleine. Die Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) wurde (wegen Überschreitung der Wohnfläche für ein Familienheim) mit Wirkung zum 31. Dezember 1980 widerrufen.

Antragsgemäß führte das FA auf den 1. Januar 1981 durch Bescheid vom 9. Juni 1981 Artfortschreibung zum Einfamilienhaus durch. Gleichzeitig nahm es eine Wertfortschreibung vor und stellte den Einheitswert nunmehr auf 69.400 DM fest. Es ging dabei von einer (um 10 v.H. gekürzten) Wohnfläche von 166 qm und einer Mietspiegelmiete von 2,55 DM (sehr gute Ausstattung, freifinanzierte Wohnung) aus.

Der auf Aufhebung der Wertfortschreibung zum 1. Januar 1981 gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Beim Grundbesitz wird der Einheitswert im Wege der Wertfortschreibung u.a. dann neu festgestellt, wenn der nach § 30 des Bewertungsgesetzes (BewG) abgerundete Einheitswert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber 5.000 DM abweicht (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Der Fortschreibung sind nach § 22 Abs. 4 Satz 2 BewG zwar die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (dem 1. Januar 1964) entsprechend § 27 BewG zugrunde zu legen, im übrigen aber die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt. Fortschreibungszeitpunkt ist bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Die Fixierung auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt wird bei einer Bewertung im Ertragswertverfahren (vgl. §§ 78 ff. BewG) in bezug auf den Ansatz der Jahresrohmiete in § 79 Abs. 5 BewG dahin verdeutlicht, daß dieses Wertniveau auch für die Höhe der Miete gilt.

Zwar hat sich das FG bezüglich des Ansatzes der notwendigerweise zu schätzenden im Hauptfeststellungszeitpunkt zu erzielenden Miete zutreffend an dem Mietspiegel orientiert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. August 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, BStBl II 1985, 36), es hat jedoch an nicht mehr bestehende tatsächliche Verhältnisse angeknüpft. Das FG hat nämlich die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG deshalb als nicht erreicht angesehen, weil es die Auffassung vertreten hat, der Wertfindung sei diejenige Miete zugrunde zu legen, die der Mietspiegel für steuerbegünstigte Wohnungen nach Ablauf der Grundsteuervergünstigung ausweist. Es hat dabei nicht beachtet, daß nach den maßgebenden tatsächlichen Verhältnissen am Stichtag (§ 22 Abs. 4 Satz 2 BewG) die Wohnung wegen Überschreitens der Höchstfläche für ein Familienheim nicht grundsteuerbegünstigungsfähig war, weshalb auch die Anerkennung widerrufen wurde. Damit blieb aber kein Raum mehr dafür, die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung fortwirkender Elemente der einstmals unter anderen tatsächlichen Verhältnissen gewährten Steuervergünstigung zu schätzen. Die tatsächlichen Verhältnisse forderten vielmehr eine Schätzung in Anlehnung an die für freifinanzierten nichtbegünstigten Wohnraum aufgeführte Spiegelmiete.

2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG entsprechend seiner Auffassung weder festgestellt hat, welche Ausstattungsmerkmale das Gebäude des Wohngrundstücks der Kläger aufweist, noch die Spiegelmiete für freifinanzierten Wohnraum von (nur) guter Ausstattung festgestellt hat. Denn auch in bezug auf die Ausstattungsmerkmale kann sich die tatsächliche Änderung (z.B. nur eine Wohnung mit ursprünglich auf zwei Wohnungen ausgerichteten Sanitäranlagen) auswirken. Darüber hinaus kann dem FA bezüglich der Schätzung anhand des Mietspiegels bei der auf den 1. Januar 1974 vorgenommenen Nachfeststellung ein Fehler unterlaufen sein, der im Zuge der Wertfortschreibung - auch wenn nur unter Berücksichtigung dieses Fehlers die Wertgrenzen nicht erreicht wären - nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG beseitigt werden kann.