| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 17.2.1989 (III R 36/85) BStBl. 1989 II S. 664

1. Im Zeitpunkt der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft endet die persönliche Gewerbesteuerpflicht des Einzelunternehmers auch dann, wenn er an der aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt ist.

2. Findet der Rechtsformwechsel während des Erhebungszeitraums (Kalenderjahres) statt, so ist der für den gesamten Erhebungszeitraum ermittelte Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag selbst für den Fall dem jeweiligen Steuerschuldner zeitanteilig zuzurechnen und getrennt festzusetzen, daß die sachliche Steuerpflicht unverändert fortbesteht.

GewStG § 2 Abs. 5, § 5 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2; GewStG a.F. § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 6; AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb bis zum 30. Juni 1981 eine Apotheke als Einzelunternehmen. Wirtschaftsjahr war das Kalenderjahr.

Am 1. Juli 1981 gründete der Kläger zusammen mit einem weiteren Gesellschafter eine OHG, in die er sein Unternehmen einbrachte. Wirtschaftsjahr der Gesellschaft war der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni.

In seiner Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger der Gewinn des Einzelunternehmens (1. Halbjahr 1981) mit 130.457 DM an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte zunächst den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag für das Streitjahr in einem an den Kläger adressierten Gewerbesteuermeßbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend der eingereichten Erklärung fest. Das FA rechnete hierbei den Gewerbeertrag des 1. Halbjahres 1981 nach § 10 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 19. Dezember 1985 geltenden Fassung - GewStG a. F. - (BGBl I 1985, 2.436) auf einen Jahresbetrag um. Den sich hiernach ergebenden Meßbetrag von 11.525 DM kürzte es gemäß § 11 Abs. 6 GewStG a. F. auf 6/12 (5.762 DM). Der Meßbetrag nach dem Gewerbekapital betrug 0 DM.

Bei einer nachfolgenden Änderungsveranlagung sah das FA dagegen von einer Kürzung nach § 11 Abs. 6 GewStG a. F. ab und setzte den Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag auf 11.525 DM fest. Es vertrat hierbei unter Hinweis auf Abschn. 22a Abs. 1 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) die Auffassung, daß die Steuerpflicht während des gesamten Erhebungszeitraums (Kalenderjahrs) bestanden habe.

Das Finanzgericht (FG), das die OHG zum Verfahren beigeladen hat, gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt und setzte den Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag unter Anwendung des § 11 Abs. 6 GewStG a. F. auf die ursprüngliche Höhe von 5.762 DM herab.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Während des Revisionsverfahrens ist am 11. August 1986 ein Änderungsbescheid ergangen (Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag nunmehr 11.865 DM), der auf Antrag des Klägers Verfahrensgegenstand geworden ist (§ 123 Satz 2 und § 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1988 II R 241/84, BFHE 155, 245, BStBl II 1989, 370).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Zurückweisung der Revision im übrigen den Gewerbesteuer-Meßbetrag auf 5.932 DM festzusetzen.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben und der Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag unter Abänderung des Änderungsbescheids vom 11. August 1986 auf 5.932 DM herabzusetzen.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß gegen den Kläger ein Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag nur für die Dauer seines Einzelunternehmens festzusetzen ist.

1. Zweifelhaft ist allerdings, ob im Streitfall, wie das FG angenommen hat, die Kürzungsvorschrift des § 11 Abs. 6 GewStG a. F. eingreift.

a) Nach § 11 Abs. 6 GewStG a. F. ermäßigt sich der Steuermeßbetrag zeitanteilig, wenn die Steuerpflicht nicht während des ganzen Erhebungszeitraums (§ 14 Abs. 2 GewStG) bestanden hat.

Die Vorschriften über die Ermittlung des Gewerbeertrags knüpfen unmittelbar an die Bestimmung des Steuergegenstandes in § 2 GewStG an. Die Systematik des Gesetzes spricht deshalb dafür, daß sich § 11 Abs. 6 GewStG a. F. unbeschadet der Frage, ob es sich um eine Vorschrift mit verfahrensrechtlichem Charakter handelt (vgl. hierzu Urteil des FG München vom 22. September 1982 IX 43/80 G, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 569), ausschließlich auf das Erlöschen der sachlichen Steuerpflicht während des Erhebungszeitraums bezieht und die Regelung über die Steuerschuldnerschaft in § 5 GewStG insoweit ohne Belang ist.

b) Die Beendigung der sachlichen Steuerpflicht mit Ablauf des 1. Halbjahres 1981 würde voraussetzen, daß der Gewerbebetrieb des Klägers zu diesem Zeitpunkt im ganzen auf einen anderen Unternehmer übergegangen ist und damit als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt und durch einen anderen Unternehmer neu gegründet gilt (§ 2 Abs. 5 GewStG). Ob bei Einbringung eines Gewerbebetriebs durch einen Einzelunternehmer in eine von diesem gegründete Personengesellschaft ein Unternehmerwechsel im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, hängt davon ab, ob die Personengesellschaft selbst oder ihre Gesellschafter als Unternehmer im gewerbesteuerrechtlichen Sinn anzusehen sind. Diese insbesondere auch für die Anwendung des § 10a GewStG bedeutsame Frage wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind Unternehmer eines Gewerbebetriebs, der zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehört, die Gesellschafter der Personengesellschaft und nicht etwa die Personengesellschaft als solche (vgl. grundlegend: Urteil vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348, zu § 10a GewStG). Bereits im Urteil vom 18. Mai 1972 I R 153/70 (BFHE 106, 225, BStBl II 1972, 775) hatte der BFH für den Fall der Fortführung eines zum Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft gehörenden Gewerbebetriebs durch einen Ehegatten aus der fehlenden Unternehmereigenschaft der Personengesellschaft gefolgert, daß ein Gewerbebetrieb nicht auf einen anderen Unternehmer im ganzen übergeht, solange ihn mindestens einer der bisherigen Unternehmer (Gesellschafter) unverändert fortführt. Allerdings hat er im Urteil vom 24. Oktober 1972 VIII R 32/67 (BFHE 108, 39, BStBl II 1973, 233) bei der Fortführung eines Einzelunternehmens durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine Einstellung des Gewerbebetriebs des Einzelunternehmers angenommen.

In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, daß die Gesellschaft selbst Unternehmer im gewerbesteuerrechtlichen Sinn ist (vgl. insbesondere Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 1. und 6. Aufl., § 21 I S. 568; Blümich/von Twickel, Gewerbesteuergesetz, § 10a Rdnr. 81, m. w. N.; anderer Ansicht Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 2 Rdnr. 226; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 146 - anders jedoch § 5 Anm. 4 -). Das FG hat seinerseits die gegenteilige Rechtsprechung im Hinblick auf die Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 - EGAO 1977 - (BGBl I 1976, 3.341) als überholt angesehen. Im Urteil in BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348 hat der BFH allerdings dieser Änderung für die Auslegung des § 10a GewStG ausdrücklich keine Bedeutung beigemessen (unter 2.2a dd).

2. Der Streitfall erfordert keine abschließende Klärung der Anwendbarkeit des gewerbesteuerrechtlichen Unternehmerbegriffs auf Personengesellschaften und der Bedeutung des in § 11 Abs. 6 GewStG a. F. verwendeten Begriffs der Steuerpflicht.

a) Sieht man die Personengesellschaft selbst als Unternehmer im gewerbesteuerrechtlichen Sinne an, so löst die Einbringung eines Gewerbebetriebs durch einen Einzelunternehmer in eine Personengesellschaft die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 5 GewStG aus.

In diesem Fall hat mit der Einstellung des Gewerbebetriebs am 30. Juni 1981 die (sachliche) Gewerbesteuerpflicht der klägerischen Einzelfirma und auch die persönliche Steuerpflicht des Klägers geendet (vgl. § 5 Abs. 2 GewStG). Der Gewerbeertrag des 1. Halbjahres 1981 wäre gemäß § 10 Abs. 3 GewStG a. F. in einen Jahresbetrag umzurechnen und der sich hiernach ergebende Steuermeßbetrag nach § 11 Abs. 6 GewStG a. F., wie vom FG vorgenommen, zeitanteilig zu kürzen.

b) Die Auffassung des FG erweist sich jedoch im Ergebnis auch dann als zutreffend, wenn man mit der BFH-Rechtsprechung zu § 10a GewStG davon ausgeht, daß Unternehmer eines Gewerbebetriebs, der zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehört, deren Gesellschafter sind.

Zwar besteht in diesem Fall die sachliche Steuerpflicht trotz Wechsels der Rechtsform unverändert fort, so daß die wegen der Umstellung des Wirtschaftsjahres gebotene Verdoppelung des Gewerbeertrags des fortgeführten Betriebs gemäß § 10 Abs. 3 GewStG a. F. zu keiner entsprechenden Korrektur nach § 11 Abs. 6 GewStG a. F. führt, wenn diese Vorschrift sich nur auf das Erlöschen der sachlichen Steuerpflicht bezieht. Gleichwohl ist bei Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags nach dem Gewerbeertrag der Wechsel der Person des Steuerschuldners im Zeitpunkt der Einbringung des Gewerbebetriebs in die Personengesellschaft zu berücksichtigen. Soweit die Gewerbesteuer des Streitjahres auf der Erhöhung des Meßbetrags infolge der Umrechnung des Gewerbeertrags nach § 10 Abs. 3 GewStG a. F. beruht, wird sie vom Kläger nicht geschuldet.

aa) Die Beendigung der persönlichen Steuerpflicht des Klägers während des Erhebungszeitraums ist Folge der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG angeordneten Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft. Bei Personengesellschaften mit Gesellschaftsvermögen ist ausschließlich die Gesellschaft als solche Schuldnerin der Gewerbesteuer. Zwar diente die Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG durch das EGAO 1977 vor allem dem Ziel, die Bekanntgabe der Gewerbesteuermeß- und der Gewerbesteuerbescheide an die Gesellschaft und die unmittelbare Vollstreckung rückständiger Steuerbeträge in das Gesellschaftsvermögen zu ermöglichen (vgl. die Gesetzesbegründung in BTDrucks 7/5.458 S. 11). Mit dieser Neuregelung ist jedoch zugleich die bis dahin bestehende persönliche Steuerschuldnerschaft der einzelnen Mitunternehmer entfallen. Die Gesellschafter können nur noch als Haftungsschuldner gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Gewerbesteuerschuld der Gesellschaft in Anspruch genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 unter IV 2b).

bb) Eine Fortdauer der persönlichen Steuerpflicht des Klägers über den 30. Juni 1981 hinaus kann auch nicht auf § 5 Abs. 2 GewStG gestützt werden, der einen Wechsel der persönlichen Steuerpflicht bei einem fortgeführten Gewerbebetrieb lediglich für den Fall des Übergangs des ganzen Betriebs auf einen anderen Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 5 GewStG vorsieht. Der Vorschrift kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu, da sich die dort angeordnete Rechtsfolge unmittelbar aus dem Zusammenhang der sonstigen Bestimmungen (insbesondere § 5 Abs. 1 i.V. m. § 2 Abs. 5 GewStG) ergibt und der Wechsel der sachlichen Steuerpflicht während des Kalenderjahres ohnehin eine gesonderte Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags für die Zeit nach dem Übergang des Gewerbebetriebs erfordert; ihr läßt sich im Umkehrschluß deshalb auch nicht der allgemeine Grundsatz entnehmen, daß in anderen Fällen ein Wechsel der persönlichen Steuerpflicht während des Kalenderjahres unbeachtlich ist (vgl. auch Glanegger/Güroff, a.a.O., § 5 Rdnr. 10). Soweit die Verwaltung eine andere Auffassung vertreten sollte (vgl. die Verweisung in Abschn. 37 GewStR auf Abschn. 22a GewStR), könnte ihr der erkennende Senat nicht folgen.

cc) Beschränkt sich die Bedeutung der persönlichen Steuerpflicht bei der Gewerbesteuer wegen deren Objektcharakters auch darauf, die Zahlungspflicht zu bestimmen (vgl. Petzold, Gewerbesteuer, 3. Aufl., S. 96), so legt sie damit aber auch für diese Steuer zugleich das Rechtssubjekt fest, dem der Steuergegenstand und die damit verbundene Steuerschuld zugerechnet werden (vgl. Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., § 9 Das Steuerrechtsverhältnis Tz. 3.531). Wird das Besteuerungsgut für die Ermittlung der Steuer zeitlich abgegrenzt und zeitraumbezogen erfaßt, so kann dem Steuerschuldner vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regelungen grundsätzlich auch nur der Teil der Steuerschuld zugerechnet werden, der auf die Dauer seiner persönlichen Steuerpflicht entfällt.

dd) Der Steuerschuldnerwechsel muß bereits im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags berücksichtigt werden; denn nach § 184 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 wird in diesem Verfahren auch über die persönliche Steuerpflicht abschließend entschieden. Der für den Erhebungszeitraum ermittelte Meßbetrag ist folglich dem jeweiligen Steuerschuldner anteilig zuzurechnen und getrennt festzusetzen (so auch Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Rdnr. 228).

§ 5 GewStG selbst enthält für die Aufteilung des Meßbetrags im Fall des Wechsels der persönlichen Steuerpflicht während des laufenden Erhebungszeitraums keine Regelung. Ob im Streitfall insoweit auch auf § 11 Abs. 6 GewStG a. F. zurückgegriffen werden könnte, ist zweifelhaft. Doch braucht dies nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die vom FG vorgenommene zeitanteilige (hälftige) Zurechnung des Meßbetrags auf den Kläger entspricht im Hinblick auf die zuvor erfolgte Umrechnung des Gewerbeertrags auf einen Jahresbetrag gemäß § 10 Abs. 3 GewStG a. F. sowohl dem im Einzelunternehmen des Klägers erzielten Gewerbeertrag als auch der Zwölftelung des § 11 Abs. 6 GewStG a. F.

3. Die Sache ist spruchreif, da nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten das Revisionsbegehren durch den Änderungsbescheid vom 11. August 1986 sachlich nicht berührt wird. Der in diesem Bescheid festgesetzte Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag in Höhe von 11.865 DM ist auf 5.932 DM herabzusetzen.