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  BFH-Urteil vom 6.7.1989 (IV R 27/87) BStBl. 1990 II S. 126

Ein Flächenbeitrag (§ 58 Abs. 1 BBauG bzw. BauGB) kann zu nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens führen, und zwar auch dann, wenn ein förmliches Umlegungsverfahren durch privatrechtliche Vereinbarungen vermieden wurde.

EStG § 13a Abs. 8 Nr. 4, § 4 Abs. 3, § 55, BBauG/BauGB § 58 Abs. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Streitig ist die Höhe eines gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980, BGBl I, 732) zu erfassenden Entnahmegewinns.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann, den sie allein beerbt hat, eine Land- und Forstwirtschaft betrieben. Der Gewinn wurde nach Durchschnittsätzen ermittelt. Für die Betriebsflächen FlNr. 1.262(a) in der Größe von 6.414 qm und die FlNrn. 1.262/10 bzw. 12(b) in der Größe von zusammen 4.852 qm hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) - seinerzeit unter der einheitlichen FlNr. 1.262 - gemäß § 55 Abs. 5 EStG höhere Teilwerte zum 1. Juli 1970 festgestellt, und zwar mit Bescheid vom 19. November 1982 für das Grundstück a) 160.375 DM und mit Bescheid vom 30. November 1978 für die Grundstücke b) 679.280 DM.

Bereits im Jahr 1975 war aus den Grundstücken b) an die Gemeinde eine Teilfläche von 1.373 qm überlassen worden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Grundstücksabtretung zur Vermeidung eines Umlegungsverfahrens gemäß §§ 45 ff. des Bundesbaugesetzes (BBauG) erfolgt sei. Die Abtretung sei Voraussetzung für die Aufstellung des Bebauungsplans gewesen. Die Überlassung sei unentgeltlich in entsprechender Anwendung des § 58 BBauG zum Ausgleich der Vorteile erfolgt, die dem Veräußerer durch die Aufstellung des Bebauungsplans erwachsen sind.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) übergab die Klägerin am 18. Dezember 1980 mit Wirkung vom 1. Dezember 1980 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ihrem Sohn, behielt aber die Grundstücke a) (6.414 qm) und b) (nunmehr 3.479 qm) zurück.

Das FA ist der Berechnung des Entnahmegewinns durch die Klägerin in dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1980 vom 7. September 1982 bzw. der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung insoweit nicht gefolgt, als es den bezüglich der Grundstücke b) für die ursprüngliche Grundstücksgröße festgestellten Teilwert auf die Größe der entnommenen Grundstücke umgerechnet und lediglich einen (fiktiven) Buchwert von 487.060 DM berücksichtigt hat.

Die Klage ist erfolglos geblieben.

Das FG vertrat im wesentlichen die Auffassung, daß nach § 55 Abs. 5 Satz 5 EStG zwar die ursprüngliche Teilwertfeststellung für die Einkommensteuerfestsetzung bindend sei, dies bezüglich der Grundstücke b) aber nur mit der Maßgabe, daß der Wert der an die Gemeinde abgetretenen Teilfläche aus dem festgestellten Teilwert auszuscheiden sei. Die Teilwertfeststellung gemäß § 55 Abs. 5 EStG beruhe auf der Grundstücksgröße und dem Wert pro qm als wertbestimmenden Faktoren, weswegen eine Veränderung der Grundstücksgröße ohne weiteres auch eine Veränderung des Wertes zur Folge habe.

Die unentgeltliche Überlassung von Teilflächen an die Gemeinde könne auch nicht nachträglich zu einem wertmäßigen Ausgleich dergestalt führen, daß nunmehr die Wertansätze der verbliebenen Grundstücke zu erhöhen seien, sei es aus dem Gesichtspunkt der bei ihnen aufgrund der nunmehr wegen der Baulandqualität erzielten Wertsteigerung, sei es aus dem Gesichtspunkt nachträglicher Anschaffungskosten.

Im Rahmen des gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 4 EStG zu berücksichtigenden § 4 Abs. 3 EStG sei für den Ansatz von Wertveränderungen - von Absetzung für Abnutzung (AfA) abgesehen - kein Raum. Eine etwaige durchaus denkbare Erhöhung der Grundstückswerte könne sich deshalb nicht auswirken. Denn der Ansatz eines höheren Teilwerts wäre nur im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs möglich. Bei der Überschußrechnung des § 4 Abs. 3 EStG könne allein der gemäß § 55 Abs. 5 EStG festgestellte Teilwert berücksichtigt werden. Dieser Wert sei bindend und könne durch spätere Veränderungen nicht berührt werden.

Da die Klage schon deshalb keinen Erfolg habe, komme es nicht mehr darauf an, ob der angesetzte Entnahmewert tatsächlich, wie vom FA behauptet, zu niedrig sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von Bundesrecht.

Die Klägerin habe mit Vertrag vom 31. Oktober 1975 der Gemeinde 1.373 qm Rohbauland zur Vermeidung eines förmlichen Umlegungsverfahrens unentgeltlich abgetreten, damit schneller ein Bebauungsplan aufgestellt werden konnte. Dieses Verfahren könne einem förmlichen Umlegungsverfahren gleichgestellt werden, da wirtschaftlich das gleiche Ergebnis gewollt sei. Entsprechend dem Senatsurteil vom 13. März 1986 IV R 1/84 (BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711) seien die in einem Umlegungsverfahren erhaltenen Grundstücke mit den bisherigen Grundstücken als wirtschaftlich identisch anzusehen. Die Bewertung der bisherigen Grundstücke, hier die Teilwerte gemäß § 55 EStG, sei für die erhaltenen Grundstücke fortzuführen. Im Streitfall müßte demnach der für das Grundstück b) höhere Teilwert in Höhe von 679.280 DM bei der Grundstücksentnahme berücksichtigt werden. Insofern bestehe bei der Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 1 bzw. 3 EStG kein Unterschied.

Die Grundstücksabtretung sei Voraussetzung für die Aufstellung eines Bebauungsplanes gewesen. Die Grundstücksüberlassung habe dem Ausgleich der Vorteile dieses Bebauungsplanes für die der Klägerin verbliebenen Flächen dargestellt. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BStBl I 1972, 102, 106) könnten nachträgliche Herstellungskosten die steuerlichen Teilwerte gemäß § 55 EStG erhöhen, wie das Beispiel der Erschließungskosten eines Grundstücks zeige. Es müsse deshalb jedenfalls der Wert der unentgeltlich an die Gemeinde abgetretenen Fläche dem verbliebenen Bodenwert zugeschlagen werden. Das in der Klagebegründung angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 14. März 1933 I A 501/31 (RStBl 1933, 651) könne zumindest analog angewandt werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1980 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer 1980 unter Berücksichtigung eines um 192.220 DM geminderten Entnahmegewinns festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juni 1980 (BGBl I, 732, BStBl I, 400) ist in den Durchschnittsatzgewinn ein Gewinn aus der Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden einzubeziehen. Bei der Ermittlung des Entnahmegewinns sind vom Entnahmewert des Grund und Bodens dessen Anschaffungskosten als Betriebsausgabe abzuziehen (§ 4 Abs. 3 Satz 4 i.V. m. § 13a Abs. 8 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG). Bei vor dem 1. Juli 1970 angeschafftem Grund und Boden gilt der nach der Vorschrift des § 55 EStG ermittelte Betrag als Anschaffungskosten (§ 55 Abs. 1 EStG). Im Streitfall war hiernach für die Ermittlung des Entnahmegewinns von dem nach § 55 Abs. 5 EStG festgestellten Teilwert auszugehen, und zwar vom anteiligen Teilwert der im Streitjahr von der Klägerin bei der Betriebsübertragung auf ihren Sohn zurückbehaltenen und damit entnommenen Flächen.

2. Die unentgeltliche Abgabe von Grundstücksflächen an die Gemeinde im Jahre 1975 kann jedoch entgegen der Auffassung des FG zu nachträglichen Anschaffungskosten anderer Grundstücke, möglicherweise auch bei den später, nämlich im Streitjahr entnommenen Grundstücksflächen geführt haben, die bei der Ermittlung des Entnahmegewinns dieser Grundstücke ebenfalls als Betriebsausgaben abgezogen werden müßten.

a) Zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gehören nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z.B. Urteile vom 12. April 1984 IV R 137/80, BFHE 140, 573, BStBl II 1984, 489, und vom 13. September 1984 IV R 101/82, BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49) nicht nur die dem Veräußerer geschuldete Gegenleistung, sondern auch sonstige Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, insbesondere zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung anfallen und zu einer Erhöhung des Werts des Wirtschaftsguts führen. Fallen nachträgliche Anschaffungskosten in diesem Sinne bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens an, so dürfen sie auch bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erst bei der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts abgezogen werden und mindern dann den Veräußerungs- oder Entnahmegewinn. Als nachträgliche Anschaffungskosten von Grund und Boden sind von der Rechtsprechung des BFH insbesondere auch grundstücksbezogene Erschließungsbeiträge angesehen worden, sofern sie die genannten Voraussetzungen erfüllen (vgl. z.B. Urteile vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111; vom 19. Februar 1974 VIII R 65/72, BFHE 111, 496, BStBl II 1974, 337; Urteile in BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49, und in BFHE 140, 573, BStBl II 1984, 489).

b) Nachträgliche Anschaffungskosten bleiben nicht deshalb unberücksichtigt, weil der Grund und Boden nach § 55 EStG bewertet worden ist. Die Finanzverwaltung vertritt zwar die Ansicht, daß Anschaffungsnebenkosten (z.B. Vermessungskosten, Gerichts- und Notariatskosten, Grunderwerbsteuer) den nach § 55 EStG maßgeblichen Wert auch dann nicht erhöhen, wenn sie nachträglich anfallen (Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen vom 29. Februar 1972 F/IV B 2 - S 2.000 - 5/72 unter Nr. 12). Dem liegt die zutreffende Erwägung zugrunde, daß Anschaffungsnebenkosten mit dem nach § 55 EStG angesetzten Wert abgegolten sind, weil sie durch den Erwerbsvorgang als solchen verursacht sind. Auf später anfallende nachträgliche Anschaffungskosten trifft diese Erwägung aber nicht zu.

c) Zu den nachträglichen Anschaffungskosten in diesem Sinne kann auch der Flächenbeitrag im Umlegungsverfahren gemäß §§ 45 ff., 58 BBauG gehören.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BBauG hatte die Umlegungsstelle unter bestimmten Voraussetzungen bei Verteilung im Umlegungsverfahren nach Flächen auf Verlangen der Gemeinde von den eingeworfenen Grundstücken einen Flächenbeitrag in einem solchen Umfang abzuziehen, daß die Vorteile ausgeglichen wurden, die durch die Umlegung erwuchsen. Dazu wurde die Auffassung vertreten, daß insoweit der Umlegungsstelle kein Ermessen eingeräumt und der Vorgang auch nicht mitwirkungsbedürftig war, auch wenn die Gemeinde ein Verlangen nach einem Flächenbeitrag nicht gestellt hatte (Brügelmann/Stahnke, Bundesbaugesetz, § 58 Anm. 2b; vgl. jetzt auch den Wortlaut von § 58 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuches - BauGB - vom 8. Dezember 1986, BGBl I 1986, 2.253, 2.272: "die Umlegungsstelle hat ..."). Der Flächenbeitrag nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BBauG ist zwar kein Erschließungsbeitrag, beruht aber wie dieser auf der Überlegung, daß die Gemeinde von den Grundeigentümern, denen aus einem Umlegungsverfahren besondere wirtschaftliche Vorteile entstanden, eine Ausgleichsleistung verlangen darf. Als wirtschaftlicher Vorteil ist insbesondere der Wertzuwachs anzusehen, den ein Grundstück durch die Bauplanung und das damit untrennbar verknüpfte Umlegungsverfahren erfährt. Hieraus folgt, daß der Flächenbeitrag im Umlegungsverfahren den Wert der zuzuteilenden Parzellen entscheidend erhöht. Denn er ist grundsätzlich eine Voraussetzung der Umlegung, die ihrerseits wechselbezüglich mit der Bebauungsplanung untrennbar verflochten ist. Der Flächenbeitrag muß daher wie der (erstmalige) Erschließungsbeitrag den nachträglichen Anschaffungskosten zugerechnet werden. Dafür ist unerheblich, daß er nicht in einer Geld-, sondern in einer Sachleistung besteht.

Die vorstehenden Grundsätze müssen auch dann Beachtung finden, wenn die Entscheidung im Umlegungsverfahren i. S. von § 76 BBauG vorweggenommen wurde, oder wenn das Verfahren überhaupt mit Hilfe entsprechender privatrechtlicher Vereinbarungen vermieden wurde (vgl. zum Verhältnis des förmlichen Umlegungsverfahrens zu einem "privaten Umlegungsverfahren" Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. April 1981 III ZR 131/79, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 2.124). Ein "privates" Umlegungsverfahren vermag ein förmliches Umlegungsverfahren nur zu vermeiden, wenn es der Zwecksetzung dieses förmlichen Verfahrens voll Rechnung trägt.

3. Da die Vorentscheidung die vorstehenden entscheidungserheblichen Rechtsgrundsätze außer Betracht gelassen hat, muß sie aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen keine Aussage darüber zu, ob im Streitfall nach den aufgezeigten Grundsätzen die Annahme nachträglicher Anschaffungskosten gerechtfertigt ist oder nicht. Da der Sachvortrag der Klägerin dahin zielt, besteht Anlaß zu Ermittlungen in dieser Hinsicht; dies um so mehr, als von vornherein kein sonstiger wirtschaftlich vernünftiger Grund erkennbar ist, der eine unentgeltliche Flächenabtretung an die Gemeinde gerechtfertigt hätte.

Für die Ermittlung des Entnahmegewinns wird das FG auch festzustellen haben, auf welche Grundstücke der Klägerin sich der Flächenbeitrag bezogen hat und inwieweit er anteilig auf die im Streitjahr entnommenen Grundstücke möglicherweise entfiel.

Ergeben die Ermittlungen des FG, daß nachträgliche Anschaffungskosten für die streitgegenständlichen Grundstücke vorliegen, bleibt die vom FA aufgeworfene Frage der zutreffenden Höhe des Entnahmewerts zu klären. Wegen der Grundsätze der Ermittlung dieses Werts wird u.a. auf das Senatsurteil vom 26. November 1987 IV R 171/85 (BFHE 152, 95, BStBl II 1988, 490, m. w. N.) Bezug genommen.