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  BFH-Urteil vom 14.12.1989 (III R 87/88) BStBl. 1990 II S. 393

Für die Anschaffung eines Fahrschulwagens ist auch dann eine Investitionszulage nach dem BerlinFG a.F. zu gewähren, wenn die Fahrschule freiberuflich betrieben wird.

BerlinFG a.F. § 19 Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1986 eine Fahrschule in Berlin (West) und erzielte daraus Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie schaffte im Streitjahr zwei Fahrschulwagen an und beantragte hierfür eine 10%ige Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (BerlinFG a.F.).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte das FA aus, gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. sei nur einer gewerblich betriebenen Fahrschule eine Investitionszulage zu gewähren. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die anschließend erhobene Klage hatte hingegen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die beantragte Investitionszulage zu gewähren sei, und führte dazu u.a. aus: Zwar sei nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Investitionszulageanspruch für Personenkraftfahrzeuge nur gegeben, wenn sie im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich für Fahrschulzwecke verwendet würden. Diese Regelung enthalte jedoch eine verdeckte Gesetzeslücke, die im Wege einer teleologischen Reduktion geschlossen werden müsse. Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, daß Fahrschulbetriebe generell gefördert werden sollen. Die Beschränkung der Zulageberechtigung auf gewerblich betriebene Fahrschulen würde diese besser stellen als freiberuflich geführte. Dies würde einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) bedeuten. Eine Ungleichbehandlung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsplatzbeschaffung zu rechtfertigen, denn freiberuflich geführte Fahrschulen könnten ebenso wie gewerblich betriebene Arbeitskräfte einstellen.

Das FA rügt mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Ansicht, eine verdeckte Regelungslücke sei nicht gegeben. Den Materialien über die Entstehung des Gesetzes könne nicht entnommen werden, daß der Gesetzgeber eine generelle Förderung der Fahrschulunternehmen beabsichtigt habe. Die Gesetzesbegründung spreche ausdrücklich von Gewerbezweigen und gewerblichen Betrieben. Hieraus müsse geschlossen werden, daß der Gesetzgeber lediglich gewerbliche Fahrschulen habe fördern wollen. Ferner stünde der von ihm, dem FA, vertretenen Meinung auch nicht § 19 BerlinFG in der Fassung des Steuerreformgesetzes vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) entgegen. Zwar sei nunmehr auch die Anschaffung oder Herstellung von Personenkraftfahrzeugen im Rahmen einer freiberuflich geführten Fahrschule begünstigt, jedoch folge aus diesem Umstand nicht, daß der Gesetzgeber mit dieser Gesetzesänderung eine vormals bestehende Regelungslücke habe schließen wollen. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG zu erkennen, wenn nur die gewerblich betriebenen Fahrschulen begünstigt würden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zutreffend die Verpflichtung zur Gewährung einer Investitionszulage bejaht.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. ist für Personenkraftfahrzeuge eine Investitionszulage zu gewähren, wenn sie u.a. im eigenen Betrieb ausschließlich für Fahrschulzwecke verwendet werden. Diese Voraussetzungen sind, wie unter den Beteiligten unstreitig ist, gegeben.

2. a) Zwar soll nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. eine Investitionszulage für Personenkraftfahrzeuge nur gewährt werden, wenn diese im eigenen gewerblichen Betrieb verwendet werden. Das Tatbestandsmerkmal im eigenen gewerblichen Betrieb bezieht sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur auf den Verwendungszweck der Beförderung von Personen gegen Entgelt, sondern auch auf die Fälle der Vermietung an Selbstfahrer und der Verwendung zu Fahrschulzwecken.

Dementsprechend hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 11. Dezember 1970 VI R 387/69 (BFHE 101, 9, BStBl II 1971, 173) entschieden, Voraussetzung für die Gewährung einer Investitionszulage im Bereich des Mietwagenverleihs sei, daß der Verleih im eigenen gewerblichen Betrieb ausgeübt werde. Dies sei nur dann anzunehmen, wenn der Mietwagenverleih für sich allein einen Gewerbebetrieb darstelle. Auch der erkennende Senat ist in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 1989 III R 144/84 (BFHE 158, 293) davon ausgegangen, daß gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. Personenkraftfahrzeuge unter anderem nur dann zulagebegünstigt sind, wenn sie im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich an Selbstfahrer vermietet werden.

b) Der erkennende Senat ist jedoch der Ansicht, daß es die Auslegung nach Sinn und Zweck des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. gebietet, bei Fahrschulbetrieben die Verwendung der Fahrzeuge für Fahrschulzwecke im eigenen (auch freiberuflichen) Betrieb genügen zu lassen; es ist nicht erforderlich, daß die Fahrzeuge in einem eigenen gewerblichen Betrieb eingesetzt werden. Der Gesetzgeber wollte Fahrschulunternehmen allgemein, also unabhängig von der Art der hierbei erzielten Einkünfte, fördern. Dieser weitgreifende Förderungszweck ist den Gesetzesmaterialien (BTDrucks IV/2267, 7), d.h. der Begründung zu Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) zu entnehmen. Ziel der Änderung des § 21 Abs. 2 Satz 2 des Berlinhilfegesetzes 1962 - BHG 1962 - (BGBl I 1962, 493), dem Vorläufer des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F., war es unter anderem, eine bestehende Benachteiligung der Taxi-, Mietwagen- und Fahrschulunternehmen zu beseitigen (BTDrucks IV/2267 unter A. 4.). Die Taxi-, Mietwagen- und Fahrschulunternehmen sollten ebenso wie alle anderen Unternehmen in den Genuß der Investitionszulage gelangen (BTDrucks IV/2267, 7 zu Art. 1 Nr. 11 zu Buchst. b). Nach der vorher geltenden Fassung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 wurde für Personenkraftfahrzeuge ausnahmslos eine Investitionszulage nicht gewährt. Gleichzeitig mit der Erweiterung der Investitionszulagengewährung auf Personenkraftfahrzeuge wollte der Gesetzgeber durch das einschränkende Tatbestandsmerkmal "im eigenen gewerblichen Betrieb" Mißbräuche verhindern und Investitionen nur dort begünstigen, wo sie der Zielsetzung des BerlinFG entsprechen. Für die üblichen Geschäftswagen, insbesondere die Personenkraftfahrzeuge, die der Beförderung des Unternehmers selbst oder seiner Betriebsangehörigen dienen, sollte auch weiterhin keine Investitionszulage gewährt werden (BTDrucks IV/2267, 5, 8 zu Art. 1 Nr. 11 zu Buchst. b).

Der mit der Änderung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 übereinstimmende Förderungszweck des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. kommt nur dann uneingeschränkt zum Tragen, wenn die Fahrschulunternehmen allgemein, also unabhängig von der Art der hierbei erzielten Einkünfte, begünstigt werden. Eine Beschränkung der Investitionszulage auf gewerblich betriebene Fahrschulunternehmen hätte die vor der Änderung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 bestehende Benachteiligung nur zu einem geringen Teil beseitigt. Aus ertragsteuerrechtlicher Sicht üben Fahrlehrer, die eine Fahrschule betreiben, nämlich in den weitaus meisten Fällen, eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und keinen Gewerbebetrieb aus. Hauptsächlich in den verhältnismäßig wenigen Fällen, in denen eine juristische Person (GmbH) die Fahrschule betreibt (s. § 11 Abs. 2 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen vom 25. August 1969 - FahrlG -, BGBl I 1969, 1336, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Mai 1986, BGBl I 1986, 700) oder in denen die sog. Witwenregelung des § 15 FahrlG zum Zuge kommt, können gewerblich betriebene Fahrschulen gegeben sein.

Zwar sprechen - wie das FA zutreffend ausführt - die Gesetzesmaterialien im Zusammenhang mit den Taxi-, Mietwagen- und Fahrschulunternehmen von "Gewerbezweigen". Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber habe allein die (im ertragsteuerrechtlichen Sinne) gewerblich betriebenen Fahrschulunternehmen in die Investitionszulagebegünstigung einbeziehen wollen. Der Begriff "Gewerbezweig" ist dem Ertragsteuerrecht unbekannt (s. zum ähnlich gelagerten Fall der Auslegung des Begriffs "verarbeitendes Gewerbe" BFH-Urteil vom 17. Oktober 1973 VIII R 149/71, BFHE 111, 392, BStBl II 1974, 321, 323). Es liegt nahe, diesen Begriff gewerberechtlich zu verstehen, da es sich bei § 19 BerlinFG um ein Wirtschaftsförderungsgesetz (s. George, Der Betrieb - DB - 1987, 1912, 1914) und nicht um ein reines Steuergesetz handelt.

Wenn in den Gesetzesmaterialien ausgeführt wird: "daß die Investitionszulage künftig auch für Personenkraftfahrzeuge gewährt wird, wenn sie im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich der Beförderung .... .", so kann aus dieser Formulierung für die Ableitung des gesetzgeberischen Willens, entgegen der Auffassung der Revision, keine Schlußfolgerung gezogen werden. Denn damit wurde lediglich der Gesetzestext wiederholt.

3. Zudem findet die am Sinn und Zweck ausgerichtete Auslegung des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG a.F. in der allgemeinen Entstehungsgeschichte des § 19 BerlinFG eine Stütze. Dieser Vorschrift ist grundsätzlich eine Beschränkung der Förderungsabsicht auf den Bereich der Gewerbebetriebe fremd. Dies zeigt die Entstehungsgeschichte der Vorläufervorschrift des § 21 BHG 1962. Anlaß, eine Investitionszulage für Investitionen in Berlin (West) einzuführen, waren der Bau der Berliner Mauer und die dadurch entstandenen Erschwernisse für die Wirtschaft in Berlin (West). Dabei sah der in das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) vom 26. Juli 1962 (BGBl I 1962, 481) neu eingefügte § 14e (§ 21 der Bekanntmachung der Neufassung des BHG 1962) allgemein eine Zulagengewährung für die Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor. Ausgenommen hiervon waren nur geringwertige Wirtschaftsgüter und Personenkraftfahrzeuge. Eine Anspruchsberechtigung bestand im übrigen für alle Gewerbetreibende, selbständig Tätige und Land- und Forstwirte; denn nach § 14e Abs. 1 des Gesetzes waren Unternehmer im Sinne des § 2 des Umsatzsteuergesetzes, die in Berlin (West) einen Betrieb (eine Betriebsstätte) hatten, anspruchsberechtigt. Es kann daher nicht angenommen werden, daß mit der Ausdehnung der Zulagengewährung auf für Fahrschulzwecke angeschaffte Personenkraftwagen gerade in diesem Bereich eine Beschränkung der Anspruchsberechtigung auf Gewerbetreibende eingeführt werden sollte.

4. Schließlich wird durch das oben dargelegte Gesetzesverständnis eine Übereinstimmung mit Art. 3 GG erreicht. Denn der gewerbliche Betrieb einer Fahrschule wird so der freiberuflich betriebenen Fahrschule gleichgestellt. Daß eine Ungleichbehandlung beider Sachverhalte sachgerecht sein könnte, ist nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang hat das FG zutreffend darauf hingewiesen, daß der im Investitionszulagenrecht im Vordergrund stehende Gesichtspunkt der Arbeitsplatzbeschaffung kein Grund für eine sachgerechte Ungleichbehandlung sein könne. Auch freiberuflich tätige Fahrschullehrer können - wenn auch nicht unbeschränkt - Arbeitskräfte, wie z.B. Fahrlehrer, einstellen, ohne daß ihre Tätigkeit als gewerbliche zu qualifizieren wäre (vgl. Urteil des FG Bremen vom 28. März 1985 II 96/82 K, Entscheidungen der Finanzgerichte 1985, 498). Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs i.S. der Sätze 1 und 2 auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient und er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.