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  BFH-Urteil vom 15.12.1989 (VI R 151/86) BStBl. 1990 II S. 526

Durch eine Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber wird die Festsetzungsfrist in bezug auf den Einkommensteueranspruch gegen den Arbeitnehmer nicht gehemmt (Änderung der Rechtsprechung).

AO 1977 § 171 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr 1977 als technische Angestellte bei der Firma P-GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt, an der sie auch als Gesellschafterin beteiligt war.

Ihre Einkommensteuererklärung 1977 reichte die Klägerin am 7. November 1978 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ein. Mit Bescheid vom 24. August 1979 setzte das FA die Einkommensteuer 1977 unter Zugrundelegung der erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 8.593 DM fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Jahre 1981 führte das Betriebs-FA bei der Arbeitgeberin eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Dabei wurde festgestellt, daß u.a. auch der Klägerin gewährte Zuschläge zu Unrecht nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei belassen worden waren.

Nach einer entsprechenden Mitteilung des Betriebs-FA erließ das FA am 31. Mai 1983 gegenüber der Klägerin einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid, in dem die Einkommensteuer 1977 auf 9.438 DM heraufgesetzt wurde.

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es hob den Änderungsbescheid vom 31. Mai 1983 und die Einspruchsentscheidung auf und führte unter anderem aus, die in dem angefochtenen Änderungsbescheid festgesetzte Mehrsteuer sei bei dessen Erlaß am 31. Mai 1983 bereits verjährt gewesen. Die hier maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) habe mit Ablauf des Jahres 1978 begonnen, dem Jahr, in dem die Einkommensteuererklärung abgegeben worden sei (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977), und demgemäß mit Ablauf des Jahres 1982 geendet. Die im Jahre 1981 bei der Arbeitgeberin durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung habe den Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Klägerin nicht hemmen können. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO 1977 gelte nach dessen klaren Wortlaut nur für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstrecke (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Oktober 1983 VIII R 11/82, BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125). Die Lohnsteuer-Außenprüfung erstrecke sich auf die Einbehaltung oder Übernahme und Abführung von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber. Sie betreffe demgegenüber nicht die Einkommensteuer des Arbeitnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1984 VI R 157/83, BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191). Die steuerlichen Verhältnisse des einzelnen Arbeitnehmers würden bei der Lohnsteuer-Außenprüfung, wenn überhaupt, ausschließlich in bezug auf die Lohnsteuer (§ 38 Abs. 1 EStG) geprüft. Lohnsteuerverfahren und Einkommensteuerverfahren wiesen Verschiedenheiten auf (Urteil in BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191).

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 171 Abs. 4 AO 1977. Es bringt im wesentlichen vor: Die Lohnsteuer-Außenprüfung diene zwar dazu, die richtige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer beim Arbeitgeber zu überprüfen. Sie betreffe jedoch im eigentlichen Sinne die einkommensteuerlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer, die Steuerschuldner seien, während der Arbeitgeber lediglich als Haftender in Betracht komme. Bei der Lohnsteuer-Außenprüfung habe der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer gerade nicht - wie das FG annehme - die Position eines "Dritten". Denn Gegenstand der Prüfung sei letztlich zwangsläufig auch die Steuerschuld des Arbeitnehmers. Die Lohnsteuer sei kein aliud zur Einkommensteuer, sondern diese selbst (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unterliege lediglich einem besonderen Abzugsverfahren. Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien Gesamtschuldner. Wenn auch mit bestimmter Priorität, könnten beide zur Nachentrichtung der Mehrsteuern herangezogen werden. Der Arbeitnehmer sei sogar vorrangig in den Fällen in Anspruch zu nehmen, in denen er zur Einkommensteuer veranlagt werde.

Grundsätzlich müsse jeder Arbeitnehmer damit rechnen, daß der für ihn vom Arbeitgeber durchgeführte Lohnsteuerabzug der Überprüfung durch die Finanzbehörden unterliege. Als Schuldner der Lohnsteuer müsse er auch damit rechnen, für die sich als Folge einer Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber ergebende höhere Lohnsteuer in Anspruch genommen zu werden. Mithin hemme die Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 auch den Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Arbeitnehmer. Diese könnten grundsätzlich nach § 194 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 in die Lohnsteuer-Außenprüfung einbezogen werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Ohne Rechtsverstoß ist das FG davon ausgegangen, daß der dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1977 zugrunde liegende Steueranspruch zum Zeitpunkt des Ergehens dieses Bescheids bereits verjährt war.

1. Die Festsetzungsverjährung des hier streitigen Einkommensteueranspruchs 1977 richtet sich nach den Vorschriften der AO 1977. Deren Bestimmungen gelten erstmals für die Festsetzung, Aufhebung und Änderung der Festsetzung von Steuern, die nach dem 31. Dezember 1976 entstanden sind (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -).

Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Einkommensteuer im Regelfall vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Die Einkommensteuer entsteht gemäß § 36 Abs. 1 EStG grundsätzlich mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.

Bei der Einkommensteuer beginnt freilich die Festsetzungsfrist abweichend von diesem Grundsatz mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das FG zutreffend angenommen, daß die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1977 mit Ablauf des Jahres 1982 verstrichen war. Sie begann mit Ablauf des Jahres, in dem die Klägerin ihre Einkommensteuererklärung 1977 abgegeben hatte (1978), und endete folglich mit Ablauf des Jahres 1982. Dies galt auch insoweit, als der Einkommensteueranspruch gegen die Klägerin auf dem im Jahr 1977 zugeflossenen Arbeitslohn beruhte (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1989 VI R 78/85, BFH/NV 1989, 686 zur vergleichbaren Rechtslage nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -).

2. Zu Recht hat das FG die Auffassung vertreten, daß die im Jahre 1981 bei der Arbeitgeberin durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung den Ablauf der Verjährung des Einkommensteueranspruchs 1977 gegenüber der Klägerin nicht hemmen konnte.

a) Gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 läuft die Festsetzungsfrist, wenn vor deren Ablauf mit einer Außenprüfung begonnen oder der Beginn der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird, für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Falle der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Diese Regelung entspricht in ihrem sachlichen Gehalt im wesentlichen der vorher gültigen Bestimmung des § 146a Abs. 3 AO. § 146a Abs. 3 AO ist durch das Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 - AOÄG - (BGBl I, 1356, BStBl I, 643) mit dem Ziel der Einschränkung der vorher weitergehenden Möglichkeiten der Verjährungsunterbrechung geschaffen worden (vgl. von Groll, Jahrbuch der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. - JDStJG - 1986, 431, 437).

Entsprechend dieser nach wie vor maßgeblichen Zielsetzung hat der BFH eine Betriebsprüfung im Sinne des § 146a Abs. 3 AO (jetzt: § 171 Abs. 4 AO 1977) nur bei einer besonders qualifizierten Maßnahme angenommen, die für den Steuerpflichtigen als Betriebsprüfung erkennbar ist (vgl. z.B. Urteile vom 3. Juni 1975 VII R 46/72, BFHE 116, 95, BStBl II 1975, 786, und vom 7. August 1980 II R 119/77, BFHE 131, 437, BStBl II 1981, 409) und geeignet erscheint, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (Urteile vom 21. Februar 1978 VII R 117/74, BFHE 124, 416, BStBl II 1978, 360, und vom 11. Juli 1979 VII R 64/76, BFHE 128, 567, BStBl II 1980, 33). Aus der sowohl in § 146a Abs. 3 AO als auch in § 171 Abs. 4 AO 1977 verwendeten Formulierung "Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt" bzw. "Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt" hat die Rechtsprechung Beschränkungen der verjährungshemmenden Wirkung der Betriebsprüfung (Außenprüfung) in sachlicher wie personeller Hinsicht abgeleitet.

In sachlicher Hinsicht entfaltet sich die verjährungshemmende Wirkung nur hinsichtlich solcher Ansprüche, auf die sich die Außenprüfung tatsächlich erstreckt hat und die den Gegenstand der Außenprüfung gebildet haben (BFH-Urteile vom 26. März 1974 VII R 133/71, BFHE 112, 324; vom 22. April 1977 III R 122/74, BFHE 122, 229, BStBl II 1977, 681; in BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125).

In personeller Hinsicht geht die Wirkung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 (§ 146a Abs. 3 AO) nicht über den Kreis der von der Außenprüfung betroffenen Adressaten hinaus. Außenprüfungen, die nicht beim Steuerpflichtigen, sondern bei einem Dritten durchgeführt werden, hemmen den Ablauf der Verjährung gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht (BFH-Urteile vom 6. Mai 1975 VII R 109/72, BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723; vom 18. Mai 1977 I R 36/75, BFHE 122, 248, BStBl II 1977, 652; vom 24. April 1979 VIII R 64/77, BFHE 128, 139, BStBl II 1979, 744; in BFHE 131, 437, BStBl II 1981, 409, und vom 22. Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen vermochte die bei der Arbeitgeberin im Jahre 1981 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung die Verjährung des Einkommensteueranspruchs gegen die Klägerin nicht zu hemmen.

aa) Zwar stellt auch die Lohnsteuer-Außenprüfung eine besonders qualifizierte Maßnahme der Finanzbehörde zur Überprüfung des betreffenden Steuerfalles und damit eine Außenprüfung im Sinne der §§ 193 ff. AO 1977 dar (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 171 AO 1977 Anm. 14). Eine solche Maßnahme richtet sich indessen unmittelbar und zielgerichtet allein gegen den Arbeitgeber. Daran vermögen auch die den Arbeitnehmern im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflichten (§ 42f Abs. 2 Satz 2 EStG) nichts zu ändern, die lediglich ergänzender Art sind und die Prüfung beim Arbeitgeber erleichtern sollen (FG Düsseldorf, Urteil vom 15. September 1988 11 K 72/85 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 48). Nur dem Arbeitgeber gegenüber ergeht die Prüfungsanordnung (§§ 196 f. AO 1977), die neben den tatsächlichen Prüfungshandlungen den sachlichen Umfang der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO 1977 bestimmt (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 171 AO 1977 Tz. 16; Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 171 AO 1977 Anm. 21). Nur ihm gegenüber wird die Prüfungsanordnung bekanntgegeben.

Die Lohnsteuer-Außenprüfung erstreckt sich auf die zutreffende Einbehaltung oder Übernahme und die richtige Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber (§ 42f Abs. 1 EStG). Sie dient der Überwachung der dem Arbeitgeber im Rahmen der Lohnbesteuerung gesetzlich auferlegten Pflichten (vgl. § 38 Abs. 3, § 40 Abs. 3, § 41a EStG). Wenn bei einer solchen Prüfung - ihrer Natur nach zwangsläufig - auch die steuerlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer (mit-)überprüft werden (vgl. § 194 Abs. 1 Satz 4 AO 1977), so geschieht dies nur insoweit, als die Entrichtungs-, Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Arbeitgebers reicht (vgl. auch von Groll, JDStJG 1986, 431, 438 f.). Ziel der Lohnsteuer-Außenprüfung ist es nicht, die zutreffende individuelle Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers zu ermitteln. Diesem Ziel dient vielmehr erst das Veranlagungsverfahren (§ 46 EStG) bzw. das vom FA auf Antrag des Arbeitnehmers durchgeführte Verfahren über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (§ 42 EStG).

Lohnsteuer-Außenprüfung einerseits und Veranlagungs- bzw. Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren andererseits verfolgen mithin unterschiedliche Ziele und betreffen verschiedene Steuerrechtsverhältnisse (vgl. auch BFH in BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28. Februar 1984 V 81/83, EFG 1984, 477; von Groll, JDStJG 1986, 431, 439). Daraus konnte das FG mit Recht folgern, daß die allein das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und FA betreffende Lohnsteuer-Außenprüfung lediglich geeignet ist, die Verjährung der aus diesem Rechtsverhältnis begründeten (Haftungs-)Ansprüche gegen den Arbeitgeber zu hemmen, nicht hingegen die Verjährung des (individuellen) Steueranspruchs gegen den Arbeitnehmer.

Dem steht nicht entgegen, daß ungeachtet dieser verschiedenen Rechtsverhältnisse der Arbeitgeber, soweit seine Haftung reicht, neben dem Arbeitnehmer (Steuerschuldner) Gesamtschuldner der Lohnsteuer ist (§ 42d Abs. 3 EStG, § 44 AO 1977). In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Verjährungsfristen gegen Steuer- und Haftungsschuldner unabhängig voneinander laufen (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1976 I R 116/74, BFHE 121, 5, BStBl II 1977, 257, und in BFHE 128, 567, BStBl II 1980, 33). Die Verjährung gehört nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 - anders als etwa die Erfüllung und die Aufrechnung (vgl. § 44 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO 1977) - zu den subjektiven Umständen, die nur für und gegen den Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil in EFG 1984, 477; von Groll, JDStJG 1986, 431, 439). An dieser grundsätzlichen Regelung des Gesetzes vermag auch nichts der Umstand zu ändern, daß infolge der Akzessorietät des Haftungsanspruchs (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) dieser gegen den Arbeitgeber im Regelfall nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn der Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer bereits verjährt ist.

bb) Davon abgesehen würde eine Erstreckung der verjährungshemmenden Wirkung der Lohnsteuer-Außenprüfung über den Haftungsanspruch gegen den Arbeitgeber hinaus auf den Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer dem Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften der §§ 169 f. AO 1977 zuwiderlaufen.

Die Verjährung dient in besonderem Maße der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Mit fortschreitender Zeit erschwert sich die Erweislichkeit von Ansprüchen. Aufzeichnungen und Belege können nicht unbegrenzt aufbewahrt werden, eine Rekonstruktion von Vorgängen aus dem Gedächtnis der Beteiligten wird immer schwieriger.

Mit den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens ist es nicht vereinbar, die Verjährung des Steueranspruchs aus Gründen hinauszuschieben, die der Arbeitnehmer nicht kennt. So liegt es aber jedenfalls in aller Regel bei der Lohnsteuer-Außenprüfung. Deren Anordnung (§§ 196 f. AO 1977) wird dem Arbeitnehmer nicht bekanntgegeben. Dasselbe gilt auch für den Prüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) oder die schriftliche Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977. Von der tatsächlichen Durchführung der Lohnsteuer-Außenprüfung erfährt der Arbeitnehmer regelmäßig ebenfalls nichts. Selbst wenn er ausnahmsweise von den Prüfungsmaßnahmen Kenntnis erlangt, so erreichen diese Informationen doch in den seltensten Fällen ein Ausmaß, das eine zuverlässige Beurteilung darüber ermöglicht, hinsichtlich welcher - in der Prüfungsanordnung vorgesehenen und den tatsächlichen Prüfungsgegenstand bildenden - Ansprüche die Verjährung gehemmt sein könnte. Eine evtl. allgemeine Kenntnis des Arbeitnehmers darüber, daß bei seinem Arbeitgeber eine Lohnsteuer-Außenprüfung stattfindet, reicht für die Hemmung der Verjährung des Steueranspruchs nicht aus (FG Köln, Urteil vom 18. April 1986 V K 483/85, EFG 1986, 431).

Die gegenteilige Auffassung führte zu nicht hinnehmbaren Unsicherheiten und Unwägbarkeiten in bezug auf die Verjährung des Steueranspruchs gegen den Arbeitnehmer und widerspräche damit dem vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 146a Abs. 3 AO beabsichtigten und nach Inkrafttreten des § 171 Abs. 4 AO 1977 fortgeltenden Zweck, die Verjährungsfrage im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes klar und eindeutig zu regeln (vgl. BFH in BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723; vom 16. Januar 1979 VIII R 149/77, BFHE 127, 128, BStBl II 1979, 453, und in BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125). Die Arbeitnehmer könnten im Regelfall nicht feststellen, wann die Einkommensteueransprüche aus ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verjährten. Unter Umständen gerieten sie bei der Abwehr von Nachforderungsansprüchen der Finanzbehörden in Beweisnot, weil sie steuererhebliche Unterlagen und Belege nach Ablauf der normalen Verjährungsfrist im Vertrauen auf die eingetretene Verjährung vernichtet haben (vgl. auch FG Köln in EFG 1986, 431).

cc) Angesichts der dargelegten Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse (vgl. oben unter 2.b aa), im Interesse der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer und mit Rücksicht auf die gebotene klare, voraussehbare und praktikable Handhabung der Verjährungsvorschriften hält der Senat eine Ausnahme von diesen Grundsätzen auch nicht für die seltenen und daher zu vernachlässigenden Fälle geboten, in denen ein Arbeitnehmer über die zur Beurteilung der Verjährungsfrage erforderlichen Detailkenntnisse verfügt, zumal diese Kenntnisse - wie dargelegt - i.d.R. nur auf informellem Wege und nicht über eine ordnungsmäßige Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (§§ 196, 197 AO 1977) erlangt werden können. Die Zulassung von Ausnahmen würde bedeuten, daß unter Umständen zeitraubende und unpraktikable Untersuchungen darüber angestellt werden müßten, welche Arbeitnehmer von der Lohnsteuer-Außenprüfung wußten und ob ihre Kenntnisse detailliert genug waren, um das Vertrauen in den ungestörten Ablauf der Verjährungsfrist zu zerstören.

dd) Soweit der Senat zur Frage der verjährungshemmenden Wirkung einer Lohnsteuer-Außenprüfung auf den Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer in früheren Entscheidungen einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen hat (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1960 VI 33/60 U, BFHE 71, 72, BStBl III 1960, 275; vom 13. August 1975 VI R 90/73, BFHE 116, 568, BStBl II 1976, 3; a.A. Schleswig-Holsteinisches FG in EFG 1984, 477; FG Köln in EFG 1986, 431; FG Bremen, Urteil vom 25. Februar 1988 II 234/86 K, EFG 1988, 275; FG Düsseldorf in EFG 1989, 48; von Groll, JDStJG 1986, 431, 437 ff.; Meier, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1986, 283; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 171 Tz. 7; Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO 1977 Tz. 16 b) hält er daran insbesondere auch im Hinblick auf seine Entscheidung in BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191 nicht mehr fest.

Schon in diesem Urteil hat der Senat - in anderem Zusammenhang - auf die Verschiedenheiten der maßgeblichen Rechtsverhältnisse bei der Lohnsteuer-Außenprüfung einerseits und dem Einkommensteuerveranlagungs- bzw. Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren andererseits hingewiesen und daraus hergeleitet, ein Verwertungsverbot zugunsten des Arbeitgebers erstrecke sich nicht auch auf das den Arbeitnehmer betreffende Lohnsteuer-Jahresausgleichs- und Einkommensteuerveranlagungsverfahren. Hier wie dort ging es letztlich um die Frage nach dem Anwendungsbereich des Vertrauensschutzgedankens.

Die Entscheidung des Senats stimmt überdies mit der Rechtsprechung des BFH überein, wonach eine Außenprüfung beim Schuldner von Kapitalerträgen (z.B. GmbH), die sich auf die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer erstreckt, nicht auch die Verjährung des Einkommensteueranspruchs gegen den Gläubiger der Kapitalerträge (z.B. GmbH-Gesellschafter) hemmt (vgl. Urteil in BFHE 128, 139, BStBl II 1979, 744). Die sich auf die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer erstreckende Außenprüfung und die Lohnsteuer-Außenprüfung weisen infolge der in vieler Hinsicht vergleichbaren rechtlichen Ausgestaltung der jeweils an der Quelle erhobenen Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer (vgl. §§ 38 ff. EStG einerseits, §§ 43 ff. EStG andererseits) Parallelen auf, die es rechtfertigen, Arbeitnehmer und Gläubiger der Kapitalerträge in bezug auf die Anwendung des § 171 Abs. 4 AO 1977 gleich zu behandeln. Ebenso wie bei der Lohnsteuer besteht auch bei der Kapitalertragsteuer eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Steuerschuldner (Arbeitnehmer bzw. Gläubiger der Kapitalerträge; vgl. § 38 Abs. 2 Satz 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) und Haftendem (Arbeitgeber bzw. Schuldner der Kapitalerträge; vgl. § 42d Abs. 1, § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG) mit den bereits beschriebenen Rechtsfolgen der § 44 Abs. 2 Satz 3, § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977.

ee) Der Senat verkennt nicht, daß die von ihm abgelehnte Erstreckung des § 171 Abs. 4 AO 1977 auf den Steueranspruch gegen den Arbeitnehmer wegen der Akzessorietät der Haftung (vgl. § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) auch dem Arbeitgeber zugute kommen kann, hält dieses Ergebnis aber aus den dargelegten Gründen nach geltendem Recht für unumgänglich.