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  BFH-Urteil vom 14.3.1990 (II R 31/87) BStBl. 1990 II S. 531

Auch eine Raumeinheit, deren Nutzung ertragsteuerrechtlich zu gewerblichen Einkünften führt, kann eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne sein.

BewG § 75 Abs. 4 bis 6.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin errichtete 1982 auf ihrem (etwa 1.000 qm großen) Grundstück ein Wohngebäude. Es enthält neben einer Wohnung (152,32 qm) im Erdgeschoß und Obergeschoß und gewerblich genutzten Räumen (72,06 qm) im Untergeschoß eine weitere baulich abgeschlossene, aus Bad mit WC, Küche und Zimmer bestehende 31,29 qm große Raumeinheit im Erdgeschoß. Sie ist an eine GmbH vermietet. Diese bringt nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) dort ihre Geschäftsfreunde unter, die sich für längere Zeit in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) aufhalten und für die sich wegen der längeren Aufenthaltsdauer eine Hotelunterbringung nicht besonders eignet.

Das Finanzamt (FA) bewertete das Grundstück durch Artfortschreibung (bei gleichzeitiger Wertfortschreibung) zum 1. Januar 1983 als Einfamilienhaus. Seines Erachtens wird die an die GmbH vermietete Raumeinheit gewerblich genutzt, so daß das Gebäude nicht zwei Wohnungen, sondern nur eine Wohnung enthält. Die Klägerin ist dagegen der Auffassung, daß auch diese Raumeinheit eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne und das Grundstück daher gemäß § 75 Abs. 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Zweifamilienhaus zu bewerten sei.

Beim FG hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruch sinngemäß beantragt, das FA zu verpflichten, den Einheitswertbescheid dahin abzuändern, daß das Grundstück als Zweifamilienhaus bewertet werde.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Klageziel.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Nach Ansicht des FG sei die 31,29 qm große Raumeinheit keine zweite Wohnung gewesen. Sie habe nicht dem Wohnbedürfnis der jeweiligen Benutzer (Geschäftsfreunde der GmbH), sondern nur deren vorübergehender Unterbringung gedient. Daher stehe nicht der Wohnzweck - der hierfür zweifelsohne geeigneten Räume - im Vordergrund, sondern die betriebliche Nutzung durch die GmbH.

Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. Die genannte Raumeinheit wurde nach dem festgestellten Sachverhalt am Stichtag als Wohnung i.S. des § 75 Abs. 5 und 6 BewG genutzt, so daß das aufstehende Gebäude mehr als nur eine Wohnung enthielt und das Grundstück daher nicht als Einfamilienhaus bewertet werden konnte. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden.

Das BewG stellt in § 75 Abs. 5 den Wohnzwecken die eigenen oder fremden gewerblichen Zwecke gegenüber. Für diese Abgrenzung kommt es nicht darauf an, wie die Einkünfte aus dieser Nutzung ertragsteuerrechtlich zu qualifizieren sind. Andernfalls könnten einer Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) oder einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) weder Ein- oder Zweifamilienhäuser noch Mietwohngrundstücke im bewertungsrechtlichen Sinne zugerechnet werden. Das würde § 75 BewG widersprechen. Dessen Sinn kann nur darin liegen, Grundstücke ausschließlich nach ihrer tatsächlichen Nutzung zu klassifizieren. Dies folgt auch aus § 99 BewG. Danach sind Betriebsgrundstücke, die aufgrund der Rechtsform des Eigentümers nur gewerbliches Betriebsvermögen sein können (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 4 BewG), für die Bewertung in eine der Grundstücksarten des § 75 BewG einzuordnen (§ 99 Abs. 3 BewG). Das bedeutet, daß trotz der Eigenschaft als Betriebsvermögen die tatsächliche Nutzung maßgebend bleibt.

Demnach kann die Nutzung zu Wohnzwecken im bewertungsrechtlichen Sinne erst dort enden, wo der Aufenthalt von Menschen in den betreffenden Räumen nicht mehr als bloßes "Wohnen" bezeichnet werden kann. Das ist bei an einen Dritten überlassenen Räumen dann der Fall, wenn die Überlassung über ein Miet- oder Leihverhältnis hinausgeht, d.h. wenn in bezug auf die Wohnung "besondere Umstände hinzutreten, die der Betätigung des Vermieters (oder Verleihers) als ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen" (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Januar 1973 IV R 196/71, BFHE 109, 194, BStBl II 1973, 561). Der vorliegende vom FG festgestellte Sachverhalt erfüllt derartige Voraussetzungen nicht. Die GmbH brachte in dieser Raumeinheit ihre Geschäftsfreunde unter. Diese - entgeltliche oder unentgeltliche - Überlassung der Raumeinheit geht ebensowenig über den Rahmen einer bloßen Vermietung oder Leihe hinaus wie die Überlassung einer Wohnung an einen Arbeitnehmer. Die Vermietung oder Verleihung von Wohnungen ist so sehr im Bereich der Vermögensverwaltung angesiedelt, daß sie nur durch ins Gewicht fallende Merkmale der vorgenannten Art zu einer gewerblichen Tätigkeit werden kann (vgl. das BFH-Urteil vom 25. Juni 1976 III R 167/73, BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728). Solche Merkmale sind hier nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, daß sich die GmbH gegenüber den Geschäftsfreunden zu irgendwelchen aus dem Rahmen eines Miet- oder Leihverhältnisses fallenden Leistungen verpflichtet hatte.

Die betreffende Raumeinheit diente daher am Stichtag im bewertungsrechtlichen Sinne nicht fremden gewerblichen Zwecken, d.h. gewerblichen Zwecken der GmbH. Ob die Nutzung dieser Raumeinheit im ertragsteuerrechtlichen Sinne zu gewerblichen Einkünften führt, ist unerheblich.

Erst recht diente die Raumeinheit nicht eigenen gewerblichen Zwecken, d.h. gewerblichen Zwecken der Klägerin. Daß die Vermietung der Raumeinheit durch die Klägerin an die GmbH über den Rahmen eines bloßen Mietverhältnisses und damit der Vermögensverwaltung hinaus ging, ist nicht ersichtlich.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet daher selbst in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Für das Grundstück ist die Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen. Denn es enthielt am Stichtag zwei Wohnungen und wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des FG in seiner Eigenart als Wohngebäude durch die gewerbliche Mitbenutzung der 72,06 qm großen Räume im Untergeschoß nicht wesentlich beeinträchtigt. Das FA ist daher entsprechend dem Klageantrag zu verpflichten, für das Grundstück zum 1. Januar 1983 die Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen.