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  BFH-Urteil vom 19.1.1990 (VI R 119/86) BStBl. 1990 II S. 572

Die Aufwendungen eines in einem Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen angestellten Diplom-Kaufmanns zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung einschließlich der Ausgaben für die Teilnahme an der Prüfung stellen Fortbildungskosten (Werbungskosten) dar (Anschluß an BFH-Urteil vom 9. April 1965 VI 94/64, HFR 1965, 507).

EStG 1982 § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1986, 597)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Examen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Im Streitjahr 1982 war sie bei einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft nichtselbständig tätig. Gleichzeitig bereitete sie sich auf die Steuerberaterprüfung vor. In der Zeit vom 10. Juni bis zum 26. August 1982 nahm sie an einem Steuerlehrgang in D teil. Noch im selben Jahr legte sie die Steuerberaterprüfung ab.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1982 machte sie die ihr im Zusammenhang mit dem genannten Vorbereitungslehrgang entstandenen Kosten sowie die aus Anlaß der Steuerberaterprüfung getätigten Aufwendungen in Höhe von 9.249 DM als Werbungskosten (Fortbildungskosten) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

In dem gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1982 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Aufwendungen zwar dem Grunde nach als Werbungskosten an, kürzte aber den abziehbaren Betrag unter Anwendung der Grundsätze über die Berücksichtigung von Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung auf 6.683 DM.

Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin weiterhin den vollen Abzug von 9.249 DM und begründete dies damit, daß die Kosten entgegen der Auffassung des FA nach Dienstreisegrundsätzen und nicht nach den Grundsätzen einer doppelten Haushaltsführung zu beurteilen seien.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf und erhöhte - nach vorherigem Hinweis - die Einkommensteuer um 2.316 DM. Es vertrat dabei die Auffassung, daß die streitigen Aufwendungen lediglich als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (Ausbildungskosten) in Höhe von 1.200 DM abzugsfähig seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 597 veröffentlichten Urteil im wesentlichen folgendes aus:

Bei den streitigen Aufwendungen handele es sich um Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Denn durch die Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die anschließende Prüfung habe die Klägerin nicht lediglich ihre Kenntnisse im bereits ausgeübten Beruf vertieft und erweitert, sondern erstmals die Voraussetzungen für die Ausübung eines neuen und anderen Berufs geschaffen. Zu den Ausbildungskosten gehörten auch solche Ausgaben, die ein berufstätiger Steuerpflichtiger aufwende, um seine Lebensstellung durch den Übergang in einen anderen Beruf zu verbessern (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. August 1967 VI R 262/66, BFHE 90, 21, BStBl III 1967, 774, und vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94).

Den BFH-Urteilen vom 20. Februar 1969 IV R 119/66 (BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433, betreffend die Aufwendungen einer Bilanzbuchhalterin für die Steuerbevollmächtigtenprüfung) und vom 9. April 1965 VI 94/64 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 507, betreffend die Kosten eines angestellten Diplomkaufmanns für die Steuerberaterprüfung), in denen der BFH jeweils den Wechsel in eine andere Berufsgruppe verneint habe, vermöge sich das Gericht nicht anzuschließen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Zu Unrecht habe das FG die streitigen Aufwendungen als Ausbildungskosten angesehen. Solche kämen nur dann in Betracht, wenn die Kosten der Ausbildung zu einem künftigen - ersten - Beruf oder der Vorbereitung auf einen Berufswechsel dienten. In ihrem, der Klägerin, Fall sei ein Berufswechsel nicht erfolgt, da ihre Ausbildung durch die Ablegung des Examens als Diplomkaufmann abgeschlossen gewesen sei. Nach Ablegung der Steuerberaterprüfung sei sie weiterhin als Angestellte tätig gewesen und habe die gleiche Arbeit wie vor dem Examen verrichtet.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in der Form der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß das zu versteuernde Einkommen auf 30.241 DM herabgesetzt werde.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stellen die geltend gemachten Aufwendungen dem Grunde nach Werbungskosten dar.

a) Die Rechtsprechung unterscheidet seit jeher zwischen den der allgemeinen Lebensführung zuzurechnenden Berufsausbildungskosten einerseits und den Berufsfortbildungskosten (einschließlich der Aufwendungen für die berufliche Weiterbildung) andererseits, die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt werden (vgl. schon Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 24. Juni 1937 IV A 20/36, RStBl 1937, 1089).

Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, ferner Ausgaben, die dazu dienen, daß der Steuerpflichtige in dem ausgeübten Beruf - ohne Wechsel der Berufs - oder Erwerbsart - besser vorwärtskommt (BFH in BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94, m.w.N.).

Demgegenüber liegen Berufsausbildungskosten vor, wenn die Aufwendungen dem Zweck dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind und die ggf. Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 141/77, BFHE 127, 210, BStBl II 1979, 337).

b) Entsprechend diesen Grundsätzen liegen im Streitfall Berufsfortbildungskosten vor.

Bereits in seinem Urteil in HFR 1965, 507 hat der erkennende Senat in einem gleichgelagerten Fall die Ausgaben eines bei einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer angestellten Diplomkaufmanns für die Teilnahme an Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung sowie die Aufwendungen für die Teilnahme an der Prüfung als Werbungskosten angesehen. Er hat dabei darauf hingewiesen, daß bei der oftmals schwierigen Abgrenzung der Ausbildungskosten von den Fortbildungskosten der Begriff der Berufsfortbildungskosten nicht zu eng gefaßt werden dürfe (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 7. November 1980 VI R 50/79, BFHE 132, 49, BStBl II 1981, 216, 218; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. 1989, § 19 Anm. 12, Stichwort: "Ausbildungskosten a)", m.w.N.; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 276, m.w.N.). Entsprechendes gelte wegen des allgemeinen Interesses an der Förderung beruflichen Strebens in bezug auf den Begriff des "Berufswechsels". Die Ausbildung als Diplomkaufmann eröffne viele Wege der Berufsausübung, darunter auch die Mitarbeit bei einem Steuerberater oder einem Wirtschaftsprüfer. Die Aneignung zusätzlicher Fachkenntnisse für einen dieser Berufe sei ein Akt der Berufsfortbildung, auch wenn es dem Steuerpflichtigen in erster Linie darauf ankomme, die Steuerberaterprüfung abzulegen. Ein Berufswechsel liege in einem solchen Fall nicht vor. Es sei auch nicht entscheidend, ob der Steuerpflichtige nach Ablegung der Steuerberaterprüfung die bisherige nichtselbständige Tätigkeit aufgeben und freiberuflich tätig sein wolle. An diesen Grundsätzen hält der Senat trotz der von einigen FG geübten Kritik (neben der Vorentscheidung vgl. z.B. Hessisches FG, Urteil vom 6. August 1987 7 K 66/87, EFG 1987, 551; FG Bremen, Urteil vom 28. Juli 1988 II 220/85 K, EFG 1988, 631) auch unter der Geltung des zwischenzeitlich neugefaßten Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vom 4. November 1975 fest.

Mit der erfolgreichen Beendigung ihres Universitätsstudiums erlangte die Klägerin den berufsqualifizierenden Abschluß des "Diplom-Kaufmanns". Die sich daran anschließende praktische Tätigkeit in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die damit verbundene Spezialisierung insbesondere auf dem Gebiet der Steuerberatung beinhaltete nicht eine Fortsetzung der mit Erwerb des Diploms abgeschlossenen Berufsausbildung. Soweit die Klägerin aufgrund dieser praktischen Tätigkeit ihre steuerlichen Kenntnisse und Erfahrungen zunehmend erweiterte, lag darin lediglich eine Fortbildung innerhalb des von ihr ausgeübten Berufs als auf dem Gebiet des Steuerwesens tätige Diplom-Kauffrau. An dieser Sichtweise änderte sich auch zu dem Zeitpunkt nichts, als die Klägerin den Steuerlehrgang in D besuchte. Dies läge auf der Hand, wenn die Klägerin diesen Kurs - ohne Examensabsicht - lediglich zur (theoretischen) Erweiterung ihrer steuerlichen Kenntnisse besucht hätte. Nichts anderes kann aber auch dann gelten, wenn sie mit dem Besuch dieses Lehrgangs die Absicht verband, sich auf die Steuerberaterprüfung vorzubereiten. Denn auch der Aufstieg zum Steuerberater stellt lediglich eine Fortbildung innerhalb der bereits von der Klägerin (freilich in untergeordneter Stellung) ausgeübten Tätigkeit auf dem steuerberatenden Sektor dar.

Ein Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, welcher die Anerkennung von Werbungskosten ausschließen würde, findet durch die Ablegung der Steuerberaterprüfung entgegen der vom FG vertretenen Ansicht nicht statt. Ein solcher Wechsel ist nicht bereits mit jedem beruflichen Aufstieg verbunden, sondern - wie es schon der allgemeine Sprachgebrauch nahelegt - erst mit einem Überwechseln zu einem völlig anders gearteten Beruf (v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Rdnr. B 262, m.w.N.; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Anm. 12, Stichwort: "Ausbildungskosten a)"). Einen völlig anderen Beruf übte die Klägerin nach Ableistung des Steuerberaterexamens indessen nicht aus: Gemäß § 33 StBerG haben Steuerberater insbesondere die Aufgabe, ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten und ihnen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Entsprechende Aufgaben erfüllen - unter der Regie des verantwortlichen Unternehmensinhabers - auch die angestellten qualifizierten Hilfskräfte. Dahin geht denn auch der Hinweis der Klägerin, daß sie nach ihrem Steuerberaterexamen dieselben Arbeiten wie vorher verrichtet habe.

Die Annahme des Wechsels in eine andere Berufs- oder Erwerbsart im beschriebenen Sinne kann auch nicht allein daraus hergeleitet werden, daß es der Klägerin nach Bestehen der Steuerberaterprüfung möglich war, ihre bisher in untergeordneter Stellung nichtselbständig ausgeübte steuerberatende Tätigkeit in eigener Regie freiberuflich auszuüben (vgl. auch BFH-Urteil vom 10. September 1965 VI 152/65, HFR 1966, 74). Denn der materielle Inhalt der Beratungstätigkeit bleibt ohne Rücksicht auf deren selbständige oder nichtselbständige Verrichtung der gleiche.

Ebensowenig steht es dem Begriff der Fortbildung entgegen, daß die Klägerin durch das erfolgreiche Ablegen der Steuerberaterprüfung ihre berufliche und wirtschaftliche Position verbesserte (vgl. auch v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Rdnr. B 286). Solche Verbesserungen bilden das regelmäßige Motiv und die Folge einer Vielzahl von Fortbildungsmaßnahmen und vermögen an deren Charakter nichts zu ändern.

Eine neue berufliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung in dem Sinne, wie sie die Rechtsprechung des erkennenden Senats insbesondere bei erfolgreichem Abschluß eines akademischen Studiums bejaht hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 150/70, BFHE 104, 223, BStBl II 1972, 254, und die dort angeführten Entscheidungen), wurde der Klägerin, die schon bei Ausübung ihrer vorherigen Tätigkeit über einen akademischen Abschluß verfügte, durch die Steuerberaterprüfung nicht eröffnet.

Für den Fortbildungs- und gegen den Ausbildungscharakter der von der Klägerin zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung ergriffenen Maßnahmen spricht überdies, daß diesen Maßnahmen im Verhältnis zur vorausgehenden Universitätsausbildung und der sich anschließenden praktischen Tätigkeit lediglich eine ergänzende, aufbauende Funktion zukam. Dies verdeutlicht schon die relativ kurze Dauer des Steuerlehrgangs von nicht einmal drei Monaten.

c) Die streitigen Aufwendungen stellen folglich dem Grunde nach Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar. Dieses Ergebnis entspricht schon der bisherigen Rechtsprechung des BFH (siehe zu vergleichbaren Fällen neben der bereits zitierten Entscheidung in HFR 1965, 507 insbesondere die Urteile in HFR 1966, 74, betreffend die Aufwendungen eines Stundenbuchhalters zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 25. März 1965 IV 339/64 U, BFHE 82, 305, BStBl III 1965, 357, betreffend die Aufwendungen eines Steuerbevollmächtigten zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung; vom 5. Oktober 1966 VI R 75/66, BFHE 87, 521, BStBl III 1967, 230, betreffend die Ausgaben eines Steuerassistenten zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; in BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433, betreffend die Ausgaben einer Bilanzbuchhalterin zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 9. November 1971 VI R 109/69, BFHE 103, 516, BStBl II 1972, 147, betreffend die Aufwendungen eines Angestellten eines Wirtschaftsprüfers zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 4. März 1977 VI R 213/75, BFHE 122, 265, BStBl II 1977, 507, betreffend die Ausgaben eines Angestellten in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung; vom 4. August 1967 VI R 74/66, nicht veröffentlicht - NV -, betreffend die Kosten des Angestellten eines Steuerbevollmächtigten zur Vorbereitung auf die Steuerbevollmächtigtenprüfung; vom 9. Juli 1970 IV 167/65, NV, zu einem ähnlichen Sachverhalt).

2. Die Vorentscheidung war mithin aufzuheben, weil sie von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Die Sache mußte zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden, weil sie nicht entscheidungsreif ist; denn das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - zur Höhe der geltend gemachten Aufwendungen keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es wird diese Feststellungen nunmehr nachholen müssen.