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  BFH-Urteil vom 14.3.1990 (I R 79/87) BStBl. 1990 II S. 651

1. Fällt eine verdeckte Gewinnausschüttung, die bei der Kapitalgesellschaft im Jahre 1982 abfließt, mit einer sog. offenen Ausschüttung zusammen, die im Jahre 1983 abfließt, jedoch die Verteilung des Gewinns 1981 zum Inhalt hat, so sind beide Ausschüttungen, falls der Antrag nach § 54 Abs. 7 KStG 1984 gestellt wurde, mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1982 zu verrechnen.

2. Führt die Verrechnung sowohl zu einer Körperschaftsteuer-Minderung als auch zu einer Körperschaftsteuer-Erhöhung, so sind beide Beträge anteilig entsprechend dem Verhältnis der Ausschüttungen zueinander auf die Veranlagungszeiträume 1981 und 1982 aufzuteilen.

KStG 1977 § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 2 Sätze 2 und 3.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1972 gegründete GmbH. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war im Streitjahr 1982 A. A war von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit.

Die Klägerin schloß am 3. Mai 1975 mit A einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach hatte A Anspruch auf ein Monatsgehalt von 3.000 DM. Dafür mußte er an fünf Arbeitstagen in der Woche von 8.00 bis 17.00 Uhr für die Klägerin tätig sein. Am 15. Dezember 1978 änderten A und die Klägerin den Arbeitsvertrag dahingehend, daß A ab dem 1. Januar 1979 10,5 Stunden pro Arbeitstag und samstags fünf Stunden arbeiten sollte. Dafür erhielt er ein Gehalt von 4.500 DM pro Monat, das durch Vereinbarung vom 16. Dezember 1981 für die Zeit ab dem 1. Januar 1982 auf 7.800 DM angehoben wurde. Am 16. März 1982 wurde das Monatsgehalt mit Wirkung ab dem 1. April 1982 "aufgrund Mehrarbeit" auf 10.000 DM monatlich angehoben. Vereinbarungen über ein 13. Monatsgehalt wurden nicht getroffen.

Die Klägerin mietete außerdem von A und dessen Ehefrau E das sog. Betriebsgrundstück. Dazu schloß sie unter dem 30. November 1977 einen schriftlichen Pachtvertrag ab, wonach der Pachtzins 1.980 DM monatlich zuzüglich Umsatzsteuer betragen sollte. Zu diesem Vertrag existiert ein nicht unterschriebener Nachtrag vom 30. Oktober 1979, wonach die monatliche Pacht für die Lagerhalle einschließlich zweier Garagen ab dem 1. November 1979 800 DM zusätzlich betragen soll. Nach einem weiteren Nachtrag vom 15. Dezember 1980 wurde die monatliche Pacht für das Betriebsgrundstück auf 3.100 DM und für die Lagerhalle einschließlich der Garagen auf 1.400 DM erhöht. Außerdem sollte die Klägerin sich an den Kosten für Wasser, Kanal-, Fäkalien- und Straßenreinigung, für Müllabfuhr und Schornsteinfeger mit monatlich 450 DM beteiligen. Der Nachtrag vom 15. Dezember 1980 ist mit dem Stempelaufdruck der Klägerin und der Unterschrift des A versehen. Am 17. Dezember 1981 und am 16. März 1982 wurden weitere Nachträge zum Pachtvertrag niedergelegt. Danach wurde der Pachtzins für das Betriebsgrundstück zunächst auf 3.800 DM und später auf 4.000 DM und der für die Lagerhalle einschließlich der Garagen zunächst auf 1.500 DM und später auf 2.000 DM angehoben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah im Körperschaftsteuerbescheid 1982 vom 23. August 1984 nur zwölf Monatsgehälter á 7.800 DM und eine Monatspacht von insgesamt 3.500 DM als angemessen an. Die Differenzbeträge zum tatsächlich gezahlten Gehalt (123.400 DM ./. 93.600 DM = 29.800 DM) und zur tatsächlich gezahlten Pacht (69.900 DM ./. 42.000 DM = 27.900 DM) sah er sowohl als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 als auch als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 an. Der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 führte zu einer Minderung des Steuerbilanzverlustes in Höhe von 57.700 DM. Er wirkte sich auf die tarifliche Körperschaftsteuer nicht weiter aus. Der Ansatz einer anderen Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 führte laut Körperschaftsteuerbescheid ausschließlich zu einer Körperschaftsteuererhöhung von 32.456 DM.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage der Klägerin erhob das Finanzgericht (FG) Beweis über die Angemessenheit der Pachtzinszahlungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nach Abschluß der Beweisaufnahme wies es die Klage ab.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.

Sie beantragt, das Urteil des FG des Saarlandes vom 6. März 1987 1 K 260/85 aufzuheben und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1982 dahin zu ändern, daß sämtliche Gehaltszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer sowie sämtliche Pachtzahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer und dessen Ehefrau als Betriebsausgaben abgesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat in den Mittelpunkt seiner Entscheidung die Frage gestellt, ob die Gehalts- und Pachtzahlungen der Klägerin an A bzw. an E zu verdeckten Gewinnausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 führten. Diese Frage ist jedoch nur teilweise entscheidungserheblich. Auch bei Ansatz der von der Klägerin bestrittenen verdeckten Gewinnausschüttungen ergibt sich für das Streitjahr 1982 ein negatives Einkommen. Die Frage ist deshalb für die Höhe der tariflichen Körperschaftsteuer 1982 ohne Bedeutung. Diese beträgt in jedem Fall 0 DM. Die Frage ist allerdings von Bedeutung für die Höhe des vom FA in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid fingiert festgestellten Einkommens 1982. Das FG hätte deshalb das Klagebegehren der Klägerin dahin auslegen müssen, daß diese die anderweitige Feststellung des Einkommens 1982 und außerdem die Überprüfung der Körperschaftsteuerfestsetzung 1982 begehrte. Der Senat kann die entsprechende Auslegung des Klagebegehrens in eigener Zuständigkeit nachholen, weil der Klageantrag eine Prozeßhandlung ist, deren Nachprüfung zu den Aufgaben eines Revisionsgerichts gehört (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rdnr. 36).

2. FA und FG sind im Streitfall sachlich zutreffend von einem Einkommen 1982 der Klägerin in Höhe von ./. 70.971 DM ausgegangen (wird ausgeführt).

3. Das FG hat jedoch in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, um die Erhöhung der Körperschaftsteuer 1982 gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 um 32.456 DM dem Grunde und der Höhe nach revisionsrechtlich überprüfen zu können. Dies ist ein von Amts wegen zu beachtender materiell-rechtlicher Fehler der Vorentscheidung, der zu deren Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt.

a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist nur dann zugleich andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977, wenn die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel bei der Kapitalgesellschaft abfließen (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460, und in BFHE 157, 408, BStBl II 1989, 854). Außerdem ändert sich die Körperschaftsteuer nur für den Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in das die andere Ausschüttung fällt, d.h. in dem sie bei der Kapitalgesellschaft abfließt. Deshalb ist es erforderlich, in tatsächlicher Hinsicht festzustellen, wann die Gehalts- und Pachtzahlungen, die als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen sind, bei der Klägerin abflossen. Daran fehlt es im Streitfall.

b) Nach § 27 Abs. 1 KStG 1977 mindert oder erhöht sich im Falle einer Ausschüttung die Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen der eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1977 als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 36 vom Hundert des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt (Ausschüttungsbelastung). Die entsprechende Ermittlung der Körperschaftsteuer-Minderung bzw. -Erhöhung setzt in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung der eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung) voraus, das nach § 28 KStG 1977 als für die Ausschüttung verwendet gilt. Auch daran fehlt es im Streitfall.

c) Die Feststellungen nachzuholen, ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.

4. Für den zweiten Rechtszug weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

Fällt eine verdeckte Gewinnausschüttung, die bei der Kapitalgesellschaft im Jahre 1982 abfließt, mit einer sog. offenen Ausschüttung zusammen, die im Jahre 1983 beschlossen wird und bei der Kapitalgesellschaft abfließt, jedoch die Verteilung des Gewinns 1981 zum Inhalt hat, so sind beide Ausschüttungen, sofern die Kapitalgesellschaft einen Antrag gemäß § 54 Abs. 7 KStG 1984 stellt, mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1982 zu verrechnen (§ 29 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KStG 1977). Führt die Verrechnung sowohl zu einer Körperschaftsteuer-Minderung als auch zu einer Körperschaftsteuer-Erhöhung, so ist darüber zu befinden, für welchen Veranlagungszeitraum die Körperschaftsteuer-Minderung und für welchen die Körperschaftsteuer-Erhöhung eintritt. Im KStG 1977 ist diese Frage nicht unmittelbar geregelt. In Abschn. 78 Abs. 2 Satz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1985 geht die Finanzverwaltung von einer dem Umfang der Ausschüttungen entsprechenden anteiligen Minderung bzw. Erhöhung aus. Der erkennende Senat sieht in dieser Regelung eine sachgerechte Gesetzeslückenausfüllung, weil durch sie der Rechtsgedanke der in § 29 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KStG 1977 getroffenen Regelung konsequent zu Ende geführt wird.