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  BFH-Urteil vom 9.5.1990 (II R 19/88) BStBl. 1990 II S. 729

Das einem Land- und Forstwirt und seiner Familie zu Wohnzwecken dienende Wohngebäude ist regelmäßig auch dann in die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzubeziehen, wenn das Gebäude am Ortsrand in einem reinen Wohngebiet (Neubaugebiet) liegt und äußerlich weder nach seiner Gestaltung noch nach seiner Lage eine Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erkennen läßt.

BewG §§ 2, 33, 34.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1988, 159)

Sachverhalt

I.

Die Kläger - ein Ehepaar - unterhielten am Stichtag 1. Januar 1975 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ohne Viehhaltung. Sie hatten im Jahre 1972 den größten Teil ihres bis dahin rd. 55 ha umfassenden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes einschließlich der Hofstelle veräußert und nur eine Restfläche von rd. 5,33 ha zurückbehalten, die überwiegend im Eigentum des Ehemannes stand. Dieser hatte nach der Veräußerung die verkauften Flächen von rd. 50 ha einschließlich der Hofstelle mit Wohnung, Büro und Arbeitszimmer, Stallungen, Scheune und Schuppen auf die Dauer von 12 Jahren zurückgepachtet.

Die Kläger, die bis Mitte November 1974 in der alten Hofstelle gewohnt hatten, bezogen anschließend das im gleichen Jahr bezugsfertig gewordene Wohnhaus A-Weg 8, das auf einer Teilfläche eines im Alleineigentum des Ehemannes stehenden, 1.800 qm großen Flurstücks im Bungalowstil mit einer Wohnfläche von rd. 220 qm errichtet worden war. Die alte Wohnung wurde von den Klägern untervermietet. Das Grundstück A-Weg 8 befindet sich in ca. 1 km Entfernung von der Hofstelle am Ende eines reinen Wohngebiets, das keine äußerlich erkennbaren Bezüge zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben aufweist.

Das Finanzamt (FA) bezog das Wohnhaus A-Weg 8 zum 1. Januar 1975 in die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ein.

Die nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) schloß sich mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 159 veröffentlichten Urteil der Auffassung der Kläger an, daß das 1974 bezugsfertig gewordene Wohnhaus auf den 1. Januar 1975 nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen, sondern als gesonderte Einheit des Grundvermögens (Einfamilienhaus) zu bewerten sei.

Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 33 Abs. 1 und 2 und des § 34 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das von den Klägern im Jahre 1974 bezogene Wohngebäude A-Weg 8 ist in die wirtschaftliche Einheit ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einzubeziehen.

1. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BewG gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Hierzu gehören gemäß § 33 Abs. 2 BewG auch die Gebäude und Gebäudeteile, die dem Inhaber des Betriebs und seiner Familie zu Wohnzwecken dienen (vgl. § 34 Abs. 3 BewG), wenn der Betriebsinhaber oder eines der zu seinem Haushalt gehörenden Familienmitglieder durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit an den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gebunden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. November 1983 III R 73/80, BFHE 140, 295, 297, BStBl II 1984, 292, 293, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Davon geht auch das FG aus, das zu Recht darauf hinweist, daß bei einer bewirtschafteten Fläche von über 50 ha die dauerhafte Bindung des Betriebsinhabers und seiner Angehörigen an den Betrieb selbst dann außer Zweifel steht, wenn eine viehlose Bewirtschaftung erfolgt und auch keine Sonderkulturen vorliegen.

2. Entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung widerspricht es auch nicht der Verkehrsanschauung, das Wohngebäude A-Weg 8 mit den im Eigentum der Kläger stehenden Flächen und den ihnen gehörenden Betriebsmitteln zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen.

Dabei ist unbeachtlich, daß es sich bei dem im Bungalowstil errichteten Gebäude um ein reines Wohnhaus handelt, das nach seiner äußeren und inneren Gestaltung eine Zugehörigkeit zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Kläger nicht erkennen läßt, und in dem weder Maschinen, Geräte und land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse noch Büro - und Arbeitsräume untergebracht sind. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ist die Zuordnung eines Wohngebäudes zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nach dem baulichen Charakter angesichts der neueren Entwicklung des Wohngebäudebaues in der Landwirtschaft nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1975 III R 51/74, BFHE 118, 71, 75, BStBl II 1976, 281, 283).

Die Zurechnung zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Wohngebäude am Ortsrand in einem reinen Wohngebiet (Neubaugebiet) liegt, das keine äußerlich erkennbaren Bezüge zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ausweist. Dies entspricht der allgemeinen Entwicklung, wonach aus Raumgründen auch in ländlichen Gebieten Neubauten überwiegend nur am Ortsrand errichtet werden können, ohne daß hieraus zwingend auf die Zuordnung des Wohngebäudes zum Grundvermögen geschlossen werden kann. Auch steht die Tatsache, daß das Wohngebäude der Kläger nach Größe, Bauart und Ausstattung möglicherweise über die Erfordernisse der Bewirtschaftung des Betriebs hinausgeht, einer Einbeziehung in den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht entgegen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 26. März 1936 III A 161/35, RStBl 1936, 676).

Die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit zwischen dem Wohngebäude und dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb wird im Streitfall entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht dadurch aufgehoben, daß das Wohngebäude von der Hofstelle 1 km entfernt liegt. Eine Entfernung von 1 km zwischen den einzelnen Teilen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist nicht ungewöhnlich groß und erlaubt es dem Betriebsinhaber - wie der Streitfall zeigt -, ohne Schwierigkeiten für einen geordneten Betriebsablauf zu sorgen. Auf den vom FG festgestellten Umstand, daß die mit allen notwendigen Einrichtungen, Geräten und Betriebsmitteln sowie einem Büro- und Arbeitsraum ausgestattete Hofstelle den Ausgangs- und Mittelpunkt der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung der Kläger bildet, kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats für die Einordnung des Wohngebäudes als ein dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dauernd zu dienen bestimmtes Wirtschaftsgut nicht entscheidend an. Nach der Struktur des viehlos wirtschaftenden Betriebs der Kläger, die eine unmittelbare räumliche Beziehung der Wohnung zu den Betriebsflächen und zur Hofstelle nicht gebot, war es zwar - worauf das FG hinweist - nicht erforderlich, daß die Kläger gerade auf dem streitigen Grundstück wohnten; doch spricht diese Überlegung, die auch für zahlreiche andere land- und forstwirtschaftliche Wohngebäude zutrifft, nicht gegen die Zuordnung des Wohngebäudes der Kläger zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Entscheidend ist allein, ob das den Klägern als Wohnung dienende Gebäude im Zusammenhang mit einer Nutzung steht, die der wirtschaftlichen Einheit das Gepräge der Landwirtschaft gibt und deshalb in den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einzubeziehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1978 III R 112/76, BFHE 125, 459, 463, BStBl II 1978, 642, 644). Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Fall.

3. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der ertragsteuerlichen Rechtsprechung des BFH. Der IV. Senat hat in seinem Urteil vom 17. Januar 1980 IV R 33/76 (BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323) betont, daß entsprechend dem BewG bei einem Land- und Forstwirt auch einkommensteuerrechtlich die Zugehörigkeit des Nutzungswerts seiner Wohnung zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und des zugehörigen Wohnhauses zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen voraussetzt, daß Wohnung und Wohngebäude dazu bestimmt sind, dauernd dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen und deshalb mit dem Betrieb eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist nach Auffassung des IV. Senats der Fall, wenn die Bewirtschaftung des betreffenden Betriebs es erforderlich macht, "daß der Betriebsinhaber ständig beim Betrieb wohnt, um die laufende Versorgung und Überwachung des Betriebes, insbesondere des Viehbestandes, durch seine Anwesenheit und seine Arbeitsbereitschaft sicherzustellen". Dies bedeutet jedoch entgegen der Auffassung des FG nicht, daß sich die Wohnung des Betriebsinhabers bei einem viehlos wirtschaftenden Betrieb in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wirtschaftsgebäuden befinden muß. Nach dem Urteil des III. Senats in BFHE 140, 295, BStBl II 1984, 292, dem sich der erkennende Senat anschließt, ist es grundsätzlich nicht erforderlich, daß sich das Wohngebäude auf dem Hauptgrundstück eines mehrere Betriebsgrundstücke umfassenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs befindet; entscheidend ist, daß die Lage der Wohnung es dem Betriebsleiter ermöglicht, soweit erforderlich im Betrieb anwesend zu sein und in den Betriebsablauf einzugreifen. Diese Voraussetzung war im Streitfall - wie oben dargelegt - erfüllt.