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  BFH-Urteil vom 20.2.1990 (VII R 172/84) BStBl. 1990 II S. 760

1. Die Auslegung der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG richtet sich allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen.

2. Ein tierisches oder pflanzliches Düngemittel, das mit auch nur geringfügigen Mengen anderer Stoffe (z.B. Gips) vermischt worden ist, fiel nicht unter die Nr. 38 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1967.

UStG 1967 Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1984, 525)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) mischte aus verschiedenen Komponenten ein Düngemittel, das er in der eigenen Pilzzucht verwendete, aber auch an andere Pilzzüchter verkaufte. Mit Bescheid vom 21. April 1975 änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den ursprünglichen vorläufigen Umsatzsteuerbescheid 1972; er unterwarf dabei die Lieferungen des Düngemittels an andere Pilzzüchter dem Steuersatz von 11 v.H. mit der Begründung, die Ware falle nicht unter Nr. 38 der Anlage 1 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - UStG 1967 -, weil der Kläger durch die Beimischung von Gips und Kalk das Dunggemisch im Sinne der genannten Bestimmung chemisch bearbeitet habe.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1984, 525).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist zulassungsfrei gegeben, da es sich bei der Vorentscheidung um ein Urteil in Zolltarifsachen handelt (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. auch Beschluß des Senats vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546).

Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 38 der Anlage 1 UStG 1967 i.d.F. des Finanzanpassungsgesetzes (FAnpG) vom 30. August 1971 unterliegen "natürliche tierische und pflanzliche Düngemittel (ausgenommen Guano), auch untereinander gemischt, jedoch nicht chemisch bearbeitet (aus Nr. 31.01 des Zolltarifs)" dem ermäßigten Steuersatz. Diese Vorschrift verweist auf den Zolltarif. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob damit das Gesetz - im Sinne einer gleitenden oder dynamischen Verweisung - an den jeweils geltenden Zolltarif anknüpft - dann wäre im Streitfall der Gemeinsame Zolltarif (GZT) 1972 maßgebend - oder ob sich die Verweisung auf den bei Inkrafttreten des UStG 1967 geltenden Deutschen Zolltarif (DZT) 1966 bezieht (vgl. auch Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90, 91). Denn jedenfalls stimmt der Wortlaut der jeweiligen Tarifnr. 31.01 der beiden Tarife überein ("Guano und andere natürliche tierische oder pflanzliche Düngemittel, auch untereinander gemischt, jedoch nicht chemisch bearbeitet").

Die ausdrückliche Verweisung der Anlage auf den Zolltarif hat wesentliche Bedeutung für die Auslegung. Sie macht deutlich, daß es bei der Auslegung der einzelnen Regelungen der Anlage allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe ankommt. Damit scheidet eine Auslegung aus, die sich an den normkonzipierenden Grundsätzen des Gesetzgebers des UStG orientiert, die für die Aufstellung des Katalogs der Anlage maßgebend waren. Nicht gewünschte Konsequenzen des strengen Zolltarifrechts muß der Gesetzgeber erforderlichenfalls durch Einfügung einer ausdrücklichen Ausnahme in die betreffenden Bestimmungen der Anlage vermeiden.

Nach ihrem Wortlaut umfaßt die Tarifnr. 31.01 - außer dem Guano, das aber nach Nr. 38 der Anlage 1 UStG 1967 hier keine Rolle spielt - nur natürliche tierische oder pflanzliche Düngemittel. Diese können zwar "untereinander" gemischt sein. Nach dem Wortlaut der Tarifnr. 31.01 ist aber eindeutig, daß sie eine Ware nicht umfaßt, der andere Stoffe, die nicht natürliche Düngemittel sind, zugemischt worden sind. Eine solche Ware liegt aber hier nach den Feststellungen des FG vor. Dem Düngemittelgemisch ist Gips zugemischt worden, der selbst kein natürliches Düngemittel ist, sondern ein nichtdüngender anorganischer Stoff (vgl. z.B. Vorschrift 1 Buchst. c zu Kap. 31 GZT). Auf die streitbefangene Ware ist daher der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden.

Zu Unrecht bezieht sich das FG für seine andere Auffassung auf ATV 3 b. Diese Bestimmung findet nur Anwendung, wenn zwei oder mehrere Tarifnummern in Betracht kommen, d.h. die Waren von diesen erfaßt werden. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die streitbefangene Ware wird, wie sich aus den Ausführungen im Vorabsatz ergibt, durch die Tarifnr. 31.01 gerade nicht erfaßt.

Der Auffassung des Senats kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dem Düngemittelgemisch sei Gips nur in geringen Mengen (15 kg pro Tonne) beigemischt worden und durch diese Beigabe sei kein Düngemittel anderer Verkehrsgängigkeit entstanden. Die Verkehrsgängigkeit ist kein Kriterium, das bei der Auslegung der - wie ausgeführt allein maßgebenden - zolltariflichen Bestimmungen herangezogen werden kann. Grundsätzlich kommt es auch nicht auf die Menge eines beigemischten Stoffes an, wenn eine Tarifnummer auf Waren ohne einen Anteil dieses Stoffes abgestellt ist. Allenfalls könnten handelsübliche Verunreinigungen aus anderen Stoffen unbeachtet gelassen werden (Urteil des Senats vom 12. Mai 1987 VII R 110/84, BFHE 150, 230, 232; vgl. auch Urteil des Senats vom 26. Juli 1983 VII R 18/82, BFHE 139, 106, 108). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um eine gewollte Beimischung von Gips, die trotz ihrer geringen Menge die Ware von einer Tarifierung nach Tarifnr. 31.01 GZT oder DZT ausschließt.