| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 27.6.1990 (II R 179/87) BStBl. 1990 II S. 878

1. Die Verpflichtung einer Bank zur Leistung eines Bonus, der am Ende der Laufzeit eines Sparvertrags als zusätzliche Verzinsung für das angesparte Kapital gutgeschrieben wird, ist als Schuld i.S. des § 103 BewG in Höhe der jeweils zum Stichtag noch nicht erfüllten Zinsschuld abziehbar.

2. Die Zinsschuld ist nach der Zinsstaffelmethode zu ermitteln.

BewG § 103 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bietet ihren Kunden nach dem Wegfall der staatlichen Prämien für Prämiensparverträge sog. Erfolgssparverträge und die Anlage vermögenswirksamer Leistungen mit Zuschlag - VL-Verträge - an. Das Sparguthaben wird meistens mit dem Zins für Sparguthaben mit gesetzlicher Kündigungsfrist (Spareckzins) verzinst. Der Kunde erhält nach einer Ansparzeit und einer Wartezeit zusätzlich einen Bonus in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes seiner monatlichen Sparraten. Eine Kündigung während der Laufzeit des Vertrages ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Spareinlage ist nach Ablauf der Vertragszeit verfügbar, wenn der Kunde fristgerecht gekündigt hat. Der Bonus bzw. die Prämie wird am Ende der Vertragslaufzeit gutgeschrieben. In Sonderfällen kann der Kunde vorzeitig, aber ohne Prämie über das angesparte Guthaben verfügen. Dasselbe gilt im Todesfall für die Erben des Kunden. Bei den VL-Verträgen kann der Kunde oder sein Erbe in Sonderfällen (Todesfall, völlige Erwerbsunfähigkeit, Eheschließung, Arbeitslosigkeit) auch vorzeitig über das angesparte Guthaben einschließlich der bis dahin angefallenen Prämie verfügen.

Die Klägerin behandelte in der Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1983 die Bonusverpflichtungen für die zum Feststellungszeitpunkt bestehenden Verträge als Betriebsschuld, die sie nach der Hilfstafel 1 zu § 12 des Bewertungsgesetzes (BewG) entsprechend der restlichen Laufzeit der Verträge abzinste. Das beklagte Finanzamt (FA) übernahm diesen Wertansatz. Nach einer Betriebsprüfung verminderte das FA im geänderten Einheitswertbescheid den Rückstellungsbetrag. Es betrachtete die Prämie bzw. den Bonus als Zins und verteilte ihn auf die Laufzeit der Sparverträge.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 12, 103 Abs. 1 BewG). Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 103 Abs. 1 BewG werden zur Ermittlung des Einheitswertes eines gewerblichen Betriebes die Schulden vom Rohvermögen abgezogen, die mit der Gesamtheit oder mit Teilen des gewerblichen Betriebes in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Eine Schuld ist nur abzugsfähig, wenn sie am Feststellungszeitpunkt rechtlich entstanden und noch nicht erloschen war und wenn der Schuldner ernstlich damit rechnen muß, daß der Gläubiger die Erfüllung verlangen wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. April 1975 III R 93/72, BFHE 116, 43, 47 ff., BStBl II 1975, 657; und Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 103 BewG Anm. 13). Das FG hat die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung des Bonus bzw. der Prämie am Ende der Laufzeit der Sparverträge als eine selbständige von den Sparverträgen losgelöste Schuld angesehen. Tatsächlich handelt es sich aber bei dieser Verpflichtung um eine zusätzliche Verzinsung der Kapitalanlage, die der Kunde der Klägerin bei ihr anspart und unterhält (vgl. Heußner, Betriebs-Berater - BB - 1988, 2417). Bonus und Prämie sind deshalb zur Hauptschuld der Klägerin aus den Sparverträgen mit ihren Kunden akzessorisch und können ebenso wie eine Verpflichtung zur laufenden Verzinsung eines Darlehens nicht als selbständige Schuld behandelt werden.

Eine abzugsfähige Schuld kann sich auch aufgrund eines schwebenden Dauerschuldverhältnisses ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 11/87, BFHE 159, 218, BStBl II 1990, 150 m.w.N.). Voraussetzung dafür ist, daß der wertmäßige Ausgleich zwischen Anspruch und Verbindlichkeit bei der einzelnen Vertragspartei deshalb nicht (mehr) gegeben ist, weil ihr Anspruch z.T. schon erfüllt ist, ohne daß sie bis zum Stichtag auch schon ihre Leistung in einem entsprechenden Umfang erbracht hätte (vgl. Rössler/Troll, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl., § 103 BewG Anm. 62). Deshalb kann ein bei Auszahlung eines Kredits einbehaltenes Disagio, das als laufzeitabhängiger Zins zu beurteilen ist, vom Kreditgeber als Schuld i.S. des § 103 BewG abgezogen werden, soweit das Disagio durch die bisherige Kapitalnutzung noch nicht "verbraucht" ist (BFH-Urteil vom 8. November 1989 II R 29/86, BFHE 159, 210, BStBl II 1990, 207). Ebenso sind die am Ende der Laufzeit der Sparverträge der Kunden der Klägerin gutzuschreibenden Sondervergütungen in jedem Jahr der Überlassung des angesparten Kapitals noch nicht erfüllte Zinsschulden der Bank aus dem Dauerschuldverhältnis.

2. Die Klägerin hat in ihren Bonus- und VL-Verträgen einen Grundzins und eine nach Ablauf der Vertragsdauer zu entrichtende weitere Leistung (Bonus) in Höhe von 14 v.H. des angesparten Kapitals vereinbart. Dieser Bonus ist zusätzlicher Zins; die Verpflichtung zur Leistung entsteht sukzessive mit der Überlassung des Kapitals durch den Anleger. Die Zahlung der Boni bei Vertragsende ist somit ein Ausgleich für die zu niedrige Grundverzinsung während der Ansparzeit (vgl. Heußner, a.a.O.). Daher stehen sich Leistung und Gegenleistung bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem dem Sparer der Bonus gutgeschrieben wird, nicht gleichwertig gegenüber. Der vom Kunden nach Maßgabe der eingezahlten Sparraten erworbenen aber noch nicht erfüllten Zinsforderung für die Vergangenheit steht eine Schuld der Bank gegenüber, die sie von ihrem Rohvermögen abziehen kann. Die Zinsschuld ist nach der Zinsstaffelmethode zu ermitteln. Dies gilt für beide vom FG dargestellten Vertragstypen, da abgesehen von einer erleichterten Rücktrittsmöglichkeit die Verträge mit Prämienzusagen und die Verträge mit Bonuszusage wirtschaftlich dasselbe bezwecken, nämlich eine für eine mittelfristige Anlage zu niedrige Grundverzinsung durch eine am Ende der Laufzeit gutgeschriebene Vergütung auf das Niveau einer Zinsebene für längerfristige Anlagen zu heben. Der Wegfall der Sondervergütung bei vorzeitiger Auflösung des Sparvertrages beim sog. Bonussparen ist im Hinblick auf § 7 BewG nicht beachtlich.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den Feststellungen des FG ist nicht zu ersehen, wie sich die strittigen Beträge für die Zinsschuld der Klägerin errechnen. Außerdem ist unklar, ob der Berechnung der Schuld die erbrachten Sparleistungen oder das aufgrund der Sparverträge vereinbarte Sparvolumen zugrundegelegt worden ist. Das FG hat die zum Feststellungszeitpunkt eingezahlten Sparleistungen nach beiden Vertragstypen zu ermitteln und daraus nach der Zinsstaffelmethode die abzugsfähige Zinsschuld festzustellen.