| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 6.12.1990 (IV R 129/89) BStBl. 1991 II S. 356

Bei der Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft durch Betriebsvermögensvergleich besteht auch dann keine Bindung an den der Einkommensteuerveranlagung für das Vorjahr zugrunde gelegten Gewinns des Wirtschaftsjahrs, wenn der Einkommensteuerbescheid des Vorjahrs bestandskräftig geworden ist.

EStG § 4, § 4a; AO 1977 § 157, § 180.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, erzielen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Gewinn wurde bis einschließlich des Wirtschaftsjahres 1980/81 nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, ab dem Wirtschaftsjahr 1981/82 nach einer entsprechenden Aufforderung durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG. Nach dem mit der Einkommensteuererklärung 1981 vorgelegten Jahresabschluß für das Wirtschaftsjahr 1981/82 (Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1981, Schlußbilanz zum 30. Juni 1982) ergab sich ein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 69.555 DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1981 erfaßte das FA die Hälfte des nach § 13a EStG ermittelten Gewinns des Wirtschaftsjahres 1980/81 und die Hälfte des für das Wirtschaftsjahr 1981/82 erklärten Gewinns, letzterer lediglich erhöht um einen nicht zum Abzug zugelassenen Betrag von 450 DM (Kürzung der Absetzungen für Abnutzung - AfA -). Der Einkommensteuerbescheid 1981 wurde bestandskräftig.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1982 erfaßte das FA - neben der Hälfte des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1982/83 - die Hälfte des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1981/82; dabei wurden die AfA-Kürzung und deren anteilige Auswirkung auf den Veranlagungszeitraum 1982 irrtümlich nicht berücksichtigt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1982 vom 21. März 1984 legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, daß der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 unzutreffend ermittelt sei; die Bilanz zum 30. Juni 1982 sei durch Änderung verschiedener Bilanzpositionen zu berichtigen; die Aufwendungen und die Erträge seien nicht vollständig erfaßt worden. Insgesamt ergebe sich ein Gewinn von 37.033,99 DM statt des um die AfA-Kürzung erhöhten erklärten Gewinns von 70.005,33 DM.

Auf den Einspruch erkannte das FA eine Bilanzberichtigung für die Bilanz des Wirtschaftsjahres 1982/83 an. Es ermittelte daraufhin den bei der Veranlagung 1982 anteilig zu erfassenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1982/83 neu und führte den so ermittelten niedrigeren Gewinn 1982/83 in die Veranlagung für das Streitjahr ein. Eine weitere Änderung lehnte das FA mit der Begründung ab, der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 habe bereits der bestandskräftig gewordenen Veranlagung für 1981 zugrunde gelegen.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, daß die Schlußbilanzwerte des Wirtschaftsjahres 1981/82 erst bei der Veranlagung des Kalenderjahres 1982 bindend festgestellt würden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. März 1960 IV 33/57 U (BFHE 70, 615, BStBl III 1960, 229) bewirke die rechtskräftige Veranlagung bei Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr keine Bindung an die zugrunde liegende Gewinnermittlung für die Veranlagung des folgenden Kalenderjahres. Das müsse, wie in der Literatur begründet worden sei (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 1983, Tz. 411), entgegen der Auffassung des BFH auch für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gelten.

Das Finanzgericht (FG) schloß sich der Auffassung an, eine Bindung an den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 in der Höhe, wie er bei der bestandskräftigen Veranlagung für 1981 für das zweite Halbjahr 1981 berücksichtigt worden sei, bestehe für die noch offene Veranlagung 1982 hinsichtlich des ersten Halbjahres nicht. In tatsächlicher Hinsicht ergab sich im Verlauf des Klageverfahrens, daß Kläger und FA übereinstimmend von einem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 in Höhe von 54.000 DM ausgingen. Das FG setzte daraufhin die Einkommensteuer für das Streitjahr nach einem Einkommen fest, in welches der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 mit der Hälfte von 54.000 DM (= 27.000 DM) einging.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA weiterhin geltend, der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs müsse auch gelten, wenn der durch Buchführung ermittelte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch das gesetzliche Aufteilungsgebot des § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG bereits teilweise (zeitanteilig) bei der Veranlagung eines Veranlagungszeitraums erfaßt worden sei und diese Veranlagung nach abgaberechtlichen Vorschriften nicht mehr berichtigt werden könne. Im Streitfall habe der durch Buchführung ermittelte Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 bereits der Veranlagung zur Einkommensteuer 1981 zugrunde gelegen. Diese Veranlagung sei bestandskräftig und könne nicht mehr geändert werden (Urteil des FG Köln vom 16. März 1988 11 K 74/85, nicht veröffentlicht - NV -).

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Bei Land- und Forstwirten ist der Gewinn bei der Ermittlung des Einkommens in der Weise zu berücksichtigen, daß er auf die Kalenderjahre, in denen das Wirtschaftsjahr beginnt und in denen es endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufgeteilt wird (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG). Das Wirtschaftsjahr der Kläger beginnt gemäß § 4a Abs. 1 Nr. 1 EStG am 1. Juli und endet nach dieser Vorschrift am 30. Juni. Demgemäß waren bei der Ermittlung des Einkommens im Streitjahr die Gewinne der Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83 je zur Hälfte anzusetzen.

2. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft gehört grundsätzlich zu den rechtlich unselbständigen Besteuerungsgrundlagen, die zusammen mit den anderen Besteuerungsgrundlagen in den Einkommensteuerbescheid eingehen und zur Festsetzung der Einkommensteuer durch Steuerbescheid führen (§ 157 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Unter den Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 werden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert festgestellt. Zu einer solchen Feststellung ist es im Streitfall nicht gekommen. Eine gesonderte Feststellung des Gewinns des vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres nur, weil dieser Gewinn für zwei Veranlagungszeiträume bedeutsam ist, ist weder in der AO 1977 noch sonst in den Steuergesetzen vorgesehen. Es bleibt deshalb auch insoweit bei der Regel des § 157 Abs. 2 AO 1977, so daß der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1982/83 unselbständige Besteuerungsgrundlage bei den Veranlagungen für 1981 und 1982, der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1982/83 unselbständige Besteuerungsgrundlage bei den Veranlagungen für die Veranlagungszeiträume 1982 und 1983 ist.

3. Die Besteuerungsgrundlagen sind für jeden Veranlagungszeitraum zu ermitteln. Eine Bindung an für einen früheren Veranlagungszeitraum ermittelte Besteuerungsgrundlagen besteht grundsätzlich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der für den früheren Veranlagungszeitraum ergangene Steuerbescheid bestandskräftig geworden ist. So hat der BFH entschieden, daß dann, wenn der Gewinn eines nichtbuchführenden Landwirts durch Schätzung ermittelt wird, bei der Veranlagung des zweiten Kalenderjahres keine Bindung an den Gewinn besteht, der für die bereits rechtskräftige Veranlagung des ersten Kalenderjahres ermittelt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 70, 615, BStBl III 1960, 229).

4. Im Urteil in BFHE 70, 615, BStBl III 1960, 229 hat der BFH allerdings - ohne daß es darauf für die Entscheidung des Streitfalls angekommen wäre - sinngemäß weiter ausgeführt, es bestehe Bindung an den der Veranlagung des ersten Kalenderjahres zugrunde gelegten Gewinn, wenn der Gewinn aufgrund eines Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermittelt worden sei. Denn der Bilanzenzusammenhang im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG erzeuge für die Gewinnermittlung jeweils auch eine Bindung an die Schlußbilanz des vorhergehenden Wirtschaftsjahres, wenn die auf ihr fußende Veranlagung rechtskräftig geworden sei. An dieser beiläufig geäußerten Rechtsauffassung hält der Senat nicht fest. Der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs, der sich jetzt auch aus § 252 Abs. 1 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) ergibt, besagt, daß die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Wirtschaftsjahres mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Wirtschaftsjahres übereinstimmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 1988 IV R 19/87, BFHE 153, 26, BStBl II 1988, 825). Im Streitfall geht es indes nicht um die Bedeutung der Wertansätze in einer Schlußbilanz für die Eröffnungsbilanz und damit die Gewinnermittlung des folgenden Wirtschaftsjahres, sondern darum, daß der Bilanzgewinn eines und desselben Wirtschaftsjahres für die beiden Veranlagungszeiträume, für die dieser Gewinn nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG von Bedeutung ist, in unterschiedlicher Höhe ermittelt wird. Trotz der unterschiedlichen Ermittlung des Gewinns bleibt der Bilanzenzusammenhang gewahrt. Denn für die Gewinnermittlung des nun folgenden Wirtschaftsjahres, im Streitjahr des Wirtschaftsjahres 1983/84, sind die Wertansätze der Bilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (hier des Wirtschaftsjahres 1982/83) zugrunde zu legen. Dabei kommt es nicht auf einen früher ermittelten, sondern auf den zuletzt ermittelten und der letzten Veranlagung (im Streitjahr der Veranlagung 1982) zugrunde gelegten Gewinn an. Allerdings führt das möglicherweise dazu, daß einzelne Geschäftsvorfälle sich nicht vollständig auswirken. Wird z.B. bei der Ermittlung des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1982/83 bei der Veranlagung 1983 wegen (erstmaliger) Berücksichtigung einer gewinnmindernden Rückstellung ein Gewinn zugrunde gelegt, der um 10.000 DM niedriger als der bei der bestandskräftigen Veranlagung 1982 berücksichtigte Gewinn des Wirtschaftsjahres 1982/83 ist, so führt dies dazu, daß bei der Veranlagung 1983, nicht aber bei der Veranlagung 1982 ein um 5.000 DM niedrigerer (halber) Gewinn des Wirtschaftsjahres 1982/83 erfaßt wird. Andererseits ist aber wegen des Bilanzenzusammenhangs zwischen den beiden Wirtschaftsjahren 1982/83 und 1983/84 für die Schlußbilanz zum 30. Juni 1983 und die Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1983 einheitlich von einem Rückstellungsbetrag von 10.000 DM auszugehen. Das hat zur Folge, daß die spätere Inanspruchnahme aus der Rückstellung bis zur Höhe des passivierten Betrags nicht zu einer Gewinnminderung im Wirtschaftsjahr 1983/84 (oder einem folgenden Wirtschaftsjahr) führt. Soweit die Erkenntnisse, die zum Ansatz eines geänderten Gewinns des Wirtschaftsjahres im zweiten Kalenderjahr führen, nicht gleichzeitig dazu führen, daß der Steuerbescheid des Vorjahres nach den Vorschriften der AO 1977 geändert werden kann, z.B. weil die Umstände, die zur Ermittlung eines höheren Gewinns des Wirtschaftsjahres geführt haben, gleichzeitig in bezug auf die Vorjahresveranlagung neue Tatsachen im Sinne des § 173 AO 1977 sind, muß dieses Ergebnis hingenommen werden.

Unerheblich ist deshalb auch, ob der Ansatz eines höheren (halben) Gewinns bei der Veranlagung des zweiten Kalenderjahres zu einer Änderung der Veranlagung des ersten Kalenderjahres gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 führen kann (vgl. Leingärtner/Zaisch, a.a.O.); das FG hat die Möglichkeit einer solchen Änderung im Verfahren betreffend Einkommensteuer 1981 rechtskräftig verneint (Urteil vom 16. März 1988 11 K 74/85).

Danach erweist sich die Revision des FA als unbegründet. Über die Höhe des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1982/83 besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.