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  BFH-Urteil vom 7.12.1990 (III R 171/86) BStBl. 1991 II S. 377

Die fristgerechte Lieferung eines Wirtschaftsgutes i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 setzt voraus, daß das Wirtschaftsgut tatsächlich in den Machtbereich des Investors gelangt. Ein durch den Hersteller bereitgestelltes Fahrzeug ist daher vor Ablauf der Frist vom Investor abzuholen.

InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 Satz 4.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der ein Fuhrunternehmen betreibt, bestellte am 28. Dezember 1982 bei der Niederlassung der Firma Z-AG in Berlin einen Sattelschlepper mit Fahrerhaus aus dem Herstellerwerk A. Das Fahrzeug war zum 21. Dezember 1983 fertiggestellt und stand abholbereit in A. Der Kläger bezahlte den Kaufpreis für das Fahrzeug am 27. Dezember 1983 und schloß eine Kraftfahrzeugversicherung mit Vertragsbeginn vom gleichen Tage ab. Am 4. Januar 1984 holte er den Sattelschlepper in A ab.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Investitionszulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) für die Anschaffungskosten des Fahrzeugs zu gewähren. Zur Begründung führte das FA aus, das Fahrzeug sei erst nach Ablauf des Begünstigungszeitraums geliefert worden.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, das Fahrzeug sei rechtzeitig geliefert worden, denn die Beteiligten hätten das Anschaffungsgeschäft noch im Streitjahr 1983 wirtschaftlich abgewickelt.

Dagegen richtet sich die auf Beschwerde vom FG zugelassene Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, die angefochtene Entscheidung des FG werde dem Zweck des § 4b InvZulG 1982 gerecht, denn der Produzent habe das Wirtschaftsgut fristgerecht hergestellt und damit seine Kapazitäten ausgenutzt sowie Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen. Mit der Kaufpreiszahlung und dem Empfang des Abholpapiers habe er, der Kläger, das wirtschaftliche Eigentum an dem Fahrzeug erworben und habe frei darüber verfügen können.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 InvZulG 1982 ist die Anschaffung oder Herstellung neuer abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann zulagebegünstigt, wenn diese Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. Januar 1983 bestellt worden sind. Weitere Voraussetzung ist, daß die Wirtschaftsgüter vor dem 1. Januar 1984 geliefert oder fertiggestellt oder die nachträglichen Herstellungsarbeiten beendet worden sind (§ 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982). Nach der zu § 4b InvZulG 1975 ergangenen Entscheidung des Senats vom 2. September 1988 III R 53/84 (BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009) ist für den zulagenrechtlichen Begriff "geliefert" auf das Ende des Anschaffungsvorgangs abzustellen. Ein Wirtschaftsgut ist danach geliefert, wenn der Investor in der Lage ist, es in seinem Betrieb einzusetzen. Entscheidend für diese Auslegung war der mit der Einführung des § 4b InvZulG 1975 verfolgte gesetzespolitische Zweck einer Anregung der Investitionstätigkeit der Wirtschaft in zweifacher Weise. Einmal sollten durch die Vergabe von Aufträgen an fremde Unternehmen die dortigen Kapazitäten besser ausgelastet werden. Zum anderen sollte durch die Investitionen eine vermehrte Wirtschaftstätigkeit im eigenen Betrieb in Gang kommen und auf diese Weise beschäftigungsfördernd wirken (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juli 1988 III R 44/84, BFHE 154, 301, BStBl II 1988, 903, und in BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009). Für die Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1982 (sog. Beschäftigungszulage) gilt dies in gleicher Weise (vgl. BTDrucks 9/1488 S. 10).

2. Für den Streitfall folgt daraus, daß das Fahrzeug erst nach Ablauf der in § 4b Abs. 2 Satz 4 InvZulG 1982 bestimmten Frist, im Zeitpunkt der Abholung durch den Kläger, geliefert wurde. Anders als für die ertragsteuerlich bedeutsame Frage nach dem Zeitpunkt der Gewinnrealisierung beim Verkäufer einer beweglichen Sache (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 27. Februar 1986 IV R 52/83, BFHE 146, 383, BStBl II 1986, 552) ist für den investitionszulagenrechtlichen Begriff der Lieferung nicht allein entscheidend, daß der Verkäufer den Kaufvertrag wirtschaftlich erfüllt hat. Allein maßgeblich kann daher auch nicht der Zeitpunkt des Gefahrübergangs gemäß § 446 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches sein. Der Begriff der Lieferung erfordert vielmehr einen Realakt, damit objektiv erkennbar wird, daß nunmehr dem Käufer anstelle des Verkäufers die Verfügungsmöglichkeit über die Sache zusteht und die beabsichtigten wirtschaftsfördernden Impulse fristgerecht auch vom Betrieb des Investors ausgehen können.