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  BFH-Urteil vom 7.2.1991 (V R 53/85) BStBl. 1991 II S. 737

Werklieferungen durch Herstellung eines schlüsselfertigen Ferienhauses seitens eines mit dem Grundstückseigentümer nicht identischen Unternehmers sind auch dann nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerfrei, wenn Gegenstand des grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgangs aus der Sicht des Erwerbers das mit dem Ferienhaus bebaute Grundstück ist.

UStG 1967/1973 § 4 Nr. 9 Buchst. a.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG ( EFG 1985, 418)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1971 und 1972 Inhaber eines ....Betriebes. Außerdem baute er Ferienhäuser in den Feriendörfern X und Y.

a) Feriendorf X

Frau A bevollmächtigte den Kläger, für sie vor dem Notar eine Teilungserklärung nach § 8 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) für ein ihr gehörendes unbebautes Grundstück abzugeben. Von dem Grundstück sollte ein Teilstück von .... qm in .... Miteigentumsanteile aufgeteilt und jeder Anteil mit dem Sondereigentum an einem noch zu errichtenden Ferienhaus verbunden werden. Der Kläger sollte die Bebauung mit einem Ferienhaus aufgrund eines mit dem Grundstückserwerber abzuschließenden Aufbauvertrages durchführen.

Am selben Tag schloß der Kläger mit dem Erwerber B einen notariell beurkundeten "Kaufvertrag und Aufbauvertrag". Hiernach verkaufte Frau A - vertreten durch den Kläger - einen aus der Teilungserklärung ersichtlichen Miteigentumsanteil an dem Grundstück mit der Anwartschaft auf Sondereigentum, das erst nach Erfüllung des Aufbauvertrages entstehen sollte. Für die Übertragung des Miteigentumsanteils verpflichtete sich der Käufer, an Frau A oder deren Erben eine Rente zu zahlen. Außerdem vereinbarte der Kläger mit dem Erwerber B, daß er, der Kläger, das aus einer Anlage zu dem Vertrag ersichtliche Bauwerk auf dem Grundstück erstellen und zu einem bestimmten Zeitpunkt schlüsselfertig übergeben werde. Dafür verpflichtete sich der Erwerber B, dem Kläger ein Entgelt zu entrichten. Mit anderen Erwerbern schloß der Kläger entsprechende Verträge.

b) Feriendorf Y

Die Gemeinde Y teilte ein ihr gehörendes Grundstück, um ein Feriendorf zu errichten. An dem durch Teilung entstandenen Grundstück begründete sie .... Miteigentumsanteile, jeweils verbunden mit dem Sondereigentum an einem Ferienhaus und veräußerte die Miteigentumsanteile an Erwerber. Der Kläger vereinbarte mit dem jeweiligen Erwerber eines Miteigentumsanteils in einem sog. Aufbauvertrag, für ihn ein Ferienhaus schlüsselfertig gegen Entgelt zu bauen.

Der Kläger behandelte die Erlöse aus der Errichtung der Ferienhäuser in den Umsatzsteuererklärungen für 1970 bis 1974 als Entgelte für steuerfreie Leistungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat dagegen die Auffassung, die Leistungen des Klägers seien nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973 steuerfrei und besteuerte sie in den angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1970 bis 1974.

Nach erfolglosem Vorverfahren gegen die bezeichneten Umsatzsteuerbescheide gab das Finanzgericht (FG) der Klage nur für die Streitjahre 1971 und 1972 statt. Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 418 veröffentlicht worden ist, führte aus, die sog. Ferienhausumsätze des Klägers seien nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerfrei, weil es sich um Umsätze handele, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fielen. Zur Begründung bezog sich das FG auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Grunderwerbsteuer, wonach mehrere Verträge auch dann ein einheitliches, auf den Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Vertragswerk bilden, wenn unterschiedliche Personen Vertragspartner des Erwerbers sind.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 und begehrt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Bauleistung, die der Kläger durch Herstellung von Ferienhäusern ausgeführt hat (Werklieferungen gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG 1967/1973), sei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerfrei.

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1967/1973 fallenden Umsätzen sind steuerfrei (§ 4 Satz 1 am Anfang UStG 1967/1973): Die Umsätze, die unter das GrEStG fallen (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973). Zu den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973 fallenden Umsätzen gehören Lieferungen oder sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Erhebungsgebiet gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Besteuerungsgegenstand (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967/1973) ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich die ausgeführte einzelne Leistung des Unternehmers (vgl. BFH-Beschluß vom 30. Oktober 1986 V B 44/86, BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145; BFH-Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227). Sie wird bestimmt durch die Art ihrer Ausführung (Lieferung oder sonstige Leistung), den Gegenstand, auf den die Ausführung gerichtet ist (z.B. Lieferung eines Grundstücks), durch die Beteiligten (Leistender, Leistungsempfänger) und durch ihre Entgeltlichkeit (im Sinne einer Entgeltserwartung, - vgl. zu letzterem BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 - nicht aber durch den Umfang der Bemessungsgrundlage). Als Umsatz wird immer nur die einzelne Leistung des Unternehmers beurteilt, die er an den Leistungsempfänger ausführt. Unabhängig davon durch andere Personen ausgeführte Leistungen werden in die Beurteilung des von dem Unternehmer bewirkten Umsatzes nicht einbezogen. Eine "Bündelung" ist umsatzsteuerrechtlich nur von Leistungen desselben Unternehmers und nur nach den Grundsätzen der Einheitlichkeit der Leistung und von Haupt- und Nebenleistung zulässig. Der auf diese Weise bestimmte Umsatz des Unternehmers begrenzt zugleich den Regelungsbereich des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 (vgl. dazu auch Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1986, 109).

Nur für diesen Regelungsbereich wirkt § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973. Steuerfrei ist danach ein Umsatz, wenn er "unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt", d.h. im Regelfall, wenn das ihm zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nach § 1 GrEStG steuerbar ist. Soweit der maßgebliche Erwerbsvorgang i.S. von § 1 GrEStG in gegenständlicher oder personeller Hinsicht über das Umsatzgeschäft hinausreicht, wird dadurch der Regelungsbereich der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 nicht erweitert. Ein Umsatz, der nach den vorstehenden Ausführungen für sich betrachtet von § 1 GrEStG nicht erfaßt wird, ist demzufolge nicht deshalb nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerfrei, weil auf Grund der neuen Rechtsprechung des BFH zum Grunderwerbsteuerrecht die bezeichnete Verpflichtung wegen eines engen sachlichen Zusammenhangs mit anderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen anderer Personen aus der Sicht des Erwerbers Teil eines einheitlichen (grunderwerbsteuerrechtlichen) Erwerbsvorgangs ist (vgl. zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs beim Zusammenwirken mehrerer Personen BFH-Urteil vom 20. Dezember 1989 II R 8/87, BFHE 159, 368, BStBl II 1990, 443; BFH-Beschluß vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333 jeweils m.w.N.). Aus diesen Gründen weicht der erkennende Senat nicht von der Rechtsprechung des für die Grunderwerbsteuer zuständigen II. Senats des BFH ab.

2. Die von dem Kläger ausgeführten Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 UStG 1967/1973) sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerfrei, weil dieser Umsatz nicht unter das GrEStG fällt. Der Kläger hat die Werklieferungen unabhängig von einer Grundstückslieferung und unabhängig von der Übertragung von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück ausgeführt. Sie waren somit nicht Teil eines von ihm bewirkten Umsatzes durch Lieferung eines bebauten Grundstücks. Die selbständige Verpflichtung zur Ausführung von Bauleistungen ist nicht nach § 1 GrEStG steuerbar. Ein nicht vom Grunderwerbsteuertatbestand umfaßter Vorgang kann aber nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967/1973 steuerbefreit sein.

Davon ist der Senat bereits in dem Beschluß in BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145 m.w.N. ausgegangen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsprechung bestehen nicht (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Januar 1988 1 BvR 391/87, UR 1988, 280).

3. Ein Grund, die Sache - wie vom Kläger angeregt - dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung nach Art. 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorzulegen, besteht nicht. In den Streitjahren 1971 und 1972 waren die Bestimmungen der Zweiten Richtlinie des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - 2. Richtlinie - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1967, 1303) maßgebend, die zu der angesprochenen Frage der Steuerbefreiung bei Grundstücksumsätzen keine Regelung enthalten (Art. 10 der 2. Richtlinie).

4. Die Vorentscheidung, die den vorstehenden Grundsätzen nicht entspricht, war aufzuheben. Die Klage war abzuweisen, weil die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre rechtmäßig sind. Gegen die Höhe der von dem FA berücksichtigten Vorsteuerbeträge sind keine Einwendungen erhoben worden.