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  BFH-Urteil vom 24.4.1991 (XI R 9/84) BStBl. 1991 II S. 794

Verpflichtet sich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge der Übernehmer des Vermögens, den Übergeber in alten und kranken Tagen zu pflegen, so führt diese Verpflichtung als Versorgungsleistung bei ihm nicht zu Anschaffungskosten.

EStG §§ 21 Abs. 2, 21a, 7b.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Einfamilienhausgrundstücks, das er selbst nutzt. Er erhielt das Grundstück durch notariell beurkundeten Übertragungsvertrag vom 24. Juli 1981 von seinen Eltern übertragen. Als Gegenleistungen wurden Zahlungen von zusammen 54.000 DM an seine fünf Schwestern innerhalb von 10 Jahren vereinbart; er hatte an G 20.000 DM, an J 10.000 DM und an seine übrigen Schwestern jeweils 8.000 DM zu zahlen. Die an G und J zu zahlenden Beträge waren ab 1. Dezember 1984 bis zur Zahlung zu verzinsen, während die übrigen Beträge unverzinslich waren. Der Kläger bestellte außerdem seinen Eltern als Gesamtberechtigten ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an allen Räumen im Erdgeschoß und seiner Schwester J ein lebenslanges, bei Verheiratung endendes, unentgeltliches Wohnrecht an zwei Räumen im Obergeschoß. Er verpflichtete sich darüber hinaus, seine Eltern in alten und kranken Tagen zu pflegen. Des weiteren übernahm der Kläger alle Verpflichtungen seiner Eltern aus dem Kaufanwartschaftsvertrag vom 5. April 1979; hiervon standen noch 32.000 DM offen.

In seiner Einkommensteuererklärung 1981 setzte der Kläger erhöhte Absetzungen gemäß § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte diese nur zum Teil an. Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, er habe das Grundstück von seinen Eltern nicht unentgeltlich erworben. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage, mit der der Kläger begehrte, erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von den Anschaffungskosten des Gebäudes als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorzunehmen, mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 115 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, der Kläger habe das Grundstück trotz des Erwerbs im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge nicht unentgeltlich erworben. Er habe vielmehr Teile seines eigenen Vermögens zur Anschaffung eines Wirtschaftsguts aufgewendet, mit dem er in Zukunft Einkünfte erzielen wolle, mithin Anschaffungskosten gehabt. Dazu rechneten die Zahlungen an seine Schwestern, die, soweit sie unverzinslich seien, gemäß § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) abzuzinsen seien, von zusammen 44.049 DM (20.000 DM + 10.000 DM + 3 x 4.683 DM), außerdem die Übernahme der Restkaufpreisschuld von 32.000 DM sowie der kapitalisierte Wert der Pflegeverpflichtung gegenüber den Eltern von 15.000 DM. Nicht zu den Anschaffungskosten rechne der Wert der den Eltern und der Schwester J eingeräumten dinglichen Wohnrechte.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21, 21a, 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 7, § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Recht hat das FG zwar den Übertragungsvertrag als teilentgeltliches Rechtsgeschäft gewertet. Die Vorentscheidung ist aber aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die Pflegeverpflichtung als Entgelt beurteilt hat.

Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige, von einer Abstandszahlung an den Übertragenden und gegen die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Die zugesagten Leistungen und die übernommenen Verbindlichkeiten führen beim Übernehmer zu Anschaffungskosten. Dagegen stellen vom Vermögensübernehmer zugesagte Versorgungsleistungen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C.II.1. bis 3. Ebenso erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit ohne Anschaffungskosten, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C.II.1. Buchst. c der Gründe des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.

Legt man die vorgenannten Rechtsgrundsätze zugrunde, so stellen die Zahlungsverpflichtungen des Klägers gegenüber seinen Schwestern und die von den Eltern übernommene Restkaufpreisschuld für das Grundstück Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. Dies gilt - entgegen der Auffassung des FG - jedoch nicht für die Pflegeverpflichtung. Abgesehen davon, daß es sich dabei um eine bis zum Eintritt der Bedürftigkeit aufschiebend bedingte Last handelt, rechnet sie einkommensteuerrechtlich nicht zu den Gegenleistungen für die Übertragung des Vermögens. Die Pflegeverpflichtung ist eine Versorgungsleistung. Sie ist typischer Bestandteil eines Altenteils- oder Leibgedingsvertrags i.S. des Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - (vgl. Lüdtke-Handjery, Deutsche Notar-Zeitschrift 1985, 332, 348). Das Leibgedinge gehört einkommensteuerrechtlich von alters her zu den wiederkehrenden Bezügen beim Übergeber (§ 22 EStG) bzw. zu den Sonderausgaben beim Übernehmer (§ 10 EStG); der Gesetzgeber hat dadurch die Vermögensübergabe gegen Altenteilsleistungen aus dem Bereich der (teil-)entgeltlichen Rechtsgeschäfte ausgegrenzt (vgl. im einzelnen Beschluß des BFH vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, und Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C.II.1. Buchst. a und b). Dies gilt für die Pflegeverpflichtung - ebenso wie für andere Versorgungsleistungen (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 unter C.II.1.) - unabhängig davon, ob der Übergabevertrag sonst die Voraussetzungen eines Altenteils- oder Leibgedingsvertrags erfüllt. Entgegen der Auffassung des FG kann es zu keiner anderen Beurteilung führen, daß es sich bei der Pflegeverpflichtung um eine vom Übernehmer persönlich zu erbringende Leistung handelt. Bei der Zuordnung der Leibgedingsleistungen zu den §§ 22, 10 EStG wird auch nicht nach der Art der einzelnen Leistung unterschieden.

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für die Bemessung der Anschaffungskosten die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber seinen Schwestern, deren Fälligkeit über ein Jahr hinausgeschoben war und die unverzinslich waren, gemäß § 1 Abs. 1, § 12 Abs. 3 BewG mit ihrem Barwert im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601). Dies gilt aber auch für die bis 30. November 1984 zinslos gestundeten, erst danach zu verzinsenden Verbindlichkeiten gegenüber G und J. Sie sind gemäß § 12 Abs. 3 BewG ebenfalls abzuzinsen.

Rechtsfehlerfrei hat das FG auch die Werte der den Eltern und J eingeräumten dinglichen Wohnrechte nicht zum Entgelt gerechnet. Die Übergeber haben diese Rechte zurückbehalten und dadurch das übertragene Vermögen von vornherein gemindert.

Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Das FG hat dem Kläger die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG in voller Höhe gewährt. Sie stehen ihm jedoch in diesem Umfang nur dann zu, wenn er allein hinsichtlich des Einfamilienhauses den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob nicht auch die Eltern des Klägers hinsichtlich der von ihnen genutzten Räume im Erdgeschoß den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllen. Sollte ihnen ein Nutzungswert zuzurechnen sein, so kann der Kläger insoweit keine Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, m.w.H.). Voraussetzung für die Zurechnung eines Nutzungswerts bei den Eltern ist allerdings, daß sie eine Wohnung nutzen, d.h. einen Raum oder eine Zusammenfassung von Räumen, die die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht. Eine Wohnung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn eine Küche oder Kochgelegenheit vorhanden ist. Wird die Mitbenutzung von Räumen gestattet, so wird keine Wohnung überlassen (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77, und vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Die beiden von J genutzten Räume erfüllen danach nicht den Wohnungsbegriff.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.