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  BFH-Beschluß vom 18.3.1992 (XI B 39/91) BStBl. 1992 II S. 624

Gegen Entscheidungen des Vorsitzenden im Aussetzungsverfahren ist nur die Anrufung des Gerichts, nicht aber die Beschwerde gegeben.

FGO § 69 Abs. 3 Satz 3, § 128 Abs. 1.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einkommensbesteuerung des Antragstellers und Beschwerdegegners (Antragsteller) für 1978 und 1980 darüber, ob durch die Veräußerung von fünf im Rahmen von Bauherrenmodellen errichteten Objekten die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels gegeben sind. Auf Antrag des Antragstellers wurde durch Beschluß des Vorsitzenden vom 27. März 1991 die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide insoweit ausgesetzt, als ihnen Gewinne aus gewerblichem Grundstückshandel in Höhe von 109.368 DM im Jahre 1978 und 34.894 DM im Jahre 1980 zugrunde liegen. Die Beschwerde wurde zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung der Urschrift heißt es außerdem: "Gegen die Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Für den Fall, daß die Anrufung des Gerichts unterbleibt, ist die Beschwerde gegeben." Die vom Finanzgericht (FG) dem Bundesfinanzhof (BFH) zugesandte Fotokopie des Beschlusses enthält demgegenüber eine Rechtsmittelbelehrung ausschließlich hinsichtlich der Beschwerde.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) hat form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt und beantragt die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses und die Zurückweisung des Aussetzungsantrages. Der Antragsteller beantragt Zurückweisung der Beschwerde.

Der Vorsitzende des FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann auch der Vorsitzende des Gerichts der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. § 128 Abs. 1 FGO bestimmt, daß gegen eine Entscheidung des Gerichtsvorsitzenden die Beschwerde an den BFH gegeben ist, soweit nicht in der FGO etwas anderes bestimmt ist. Für die Fälle einer Entscheidung des Vorsitzenden im Aussetzungsverfahren regelt § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO, daß gegen die Entscheidung des Vorsitzenden innerhalb von zwei Wochen die Entscheidung des Gerichts angerufen werden kann.

Der Senat ist der Auffassung, daß aufgrund dieser Sonderregelung eine Beschwerde gegen Entscheidungen des Vorsitzenden im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht zulässig ist. Ein Wahlrecht hinsichtlich des von ihm einzulegenden Rechtsmittels wird dem Beteiligten insoweit nicht eingeräumt. Vielmehr ist gegen Entscheidungen des Vorsitzenden nur die Anrufung des Gerichts möglich und eine Beschwerde, sofern sie zugelassen wird, erst gegen den vom Gericht gefaßten Beschluß gegeben. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO und dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck, nämlich die Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit auf diejenigen Fälle, in denen das Gericht in voller Senatsbesetzung eine Aussetzungsentscheidung getroffen hat. Diese Auffassung wird auch von der weit überwiegenden Meinung der Literatur vertreten (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Anm. 32 zu § 69 FGO; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Anm. 189 zu § 69; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Anm. 98 zu § 69 FGO; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Anm. 68 zu § 69).

Allerdings hat der II. Senat des BFH im Beschluß vom 21. Juni 1972 II B 44/71 (BFHE 112, 74) einen anderen Standpunkt eingenommen, dem Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann (Rechtsschutz in Steuersachen, Rz. 4488/14) entnehmen, daß in Fällen einer Aussetzungsentscheidung des Vorsitzenden ein Wahlrecht hinsichtlich des Rechtsmittels (Anrufung des Gerichts oder - bei Zulassung - Beschwerde) bestehe. Der Beschluß des II. Senats enthält die Feststellung, daß § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO der Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Vorsitzenden im Aussetzungsverfahren nicht entgegenstehe, darüber hinaus jedoch keine Begründung. Der II. Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, daß er an seiner in diesem Beschluß geäußerten Rechtsauffassung nicht festhalte.

Die Zulassung der Beschwerde durch den Vorsitzenden des zuständigen FG-Senats ist demnach unzutreffend. Gleiches gilt für die Rechtsmittelbelehrung, die die Beschwerde für den Fall als gegeben erklärt, daß die Anrufung des Gerichts unterbleibt oder aber entsprechend der dem BFH vorgelegten Fotokopie des Beschlusses generell die Beschwerde für zulässig erklärt. Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung hat nicht zur Folge, daß die Beschwerde deswegen in Abweichung von der gesetzlichen Regelung zulässig wird. Die Folgen der dem Gesetz nicht entsprechenden Belehrung erschöpfen sich in der Aufhebung der Rechtsmittelfrist im Rahmen von § 55 Abs. 2 FGO (Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Anm. 19, 19 a und 20 zu § 55 FGO; Ziemer/Birkholz, a. a. O., Anm. 28 zu § 55; Gräber, a. a. O., Anm. 27 zu § 55).