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  BFH-Beschluß vom 8.5.1992 (III B 138/92) BStBl. 1992 II S. 673

1. Eine Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 FGO (Anfechtungsklage ohne abgeschlossenes Vorverfahren) ist rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig, wenn sie zu einem Zeitpunkt erhoben wird, zu dem wegen eines vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahrens (hier Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages) weder die Rechtsbehelfsbehörde noch das FG eine Entscheidung in der Sache treffen können.

2. Eine rechtsmißbräuchlich erhobene Untätigkeitsklage kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen.

AO 1977 § 363; FGO §§ 46 Abs. 1, 74.

Sachverhalt

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1989) vom 10. August 1990. Der unter dem Datum des 21. August 1990 eingelegte Einspruch wurde u. a. damit begründet, daß der Grundfreibetrag zu niedrig sei. Außerdem richtete sich der Einspruch gegen die nach Auffassung des Klägers nicht ordnungsgemäße Adressierung des Steuerbescheides an den Kläger zu Händen des Prozeßbevollmächtigten.

Der Kläger bat in der Einspruchsschrift um die umgehende Übersendung einer klagefähigen Entscheidung. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 24. Juni 1991 erhob der Kläger Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 1991 wies das FG die Untätigkeitsklage des Klägers als unzulässig ab. Es vertrat die Auffassung, die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 46 FGO für eine Untätigkeitsklage seien nicht gegeben. Es liege nämlich ein ausreichender Grund dafür vor, daß das FA über den Einspruch noch nicht entschieden habe. Dieser ausreichende Grund liege darin, daß vor dem BVerfG wegen der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages auch für das Streitjahr Verfahren anhängig seien, von deren Ausgang die Entscheidung des Streitfalles abhänge. Wenn die Tatsache, daß eine Verfassungsbeschwerde anhängig sei, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die FG verpflichte, anhängige Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des BVerfG auszusetzen (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641), müsse dies erst recht für das FA gelten, das über einen Einspruch zu entscheiden habe. Dieser Grund für die Untätigkeit des FA sei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, dessen Wissen sich der Kläger zurechnen lassen müsse, auch bekannt gewesen. Er habe selbst in der Klageschrift auf die beim BVerfG anhängigen Musterverfahren hingewiesen und deshalb dann später die Aussetzung des Klageverfahrens beantragt. Unter diesen Umständen sei es reiner Formalismus, wenn man verlange, das FA hätte den Grund für die Untätigkeit noch ausdrücklich mitteilen müssen.

Das FG ließ die Revision nicht zu. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er stützt die Beschwerde u. a. auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht der Kläger allgemein in der Frage der Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen bei anhängigen Musterverfahren vor dem BVerfG. In diesem Zusammenhang müsse im Interesse der Allgemeinheit auch geklärt werden, ob das FA nicht wenigstens verpflichtet gewesen wäre, eine Vorläufigkeitserklärung des Steuerbescheides anzubieten, wenn es über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages nicht entscheiden wollte. Außerdem sei klärungsbedürftig, ob eine Untätigkeitsklage unzulässig sein könne, wenn das FA den Grund für seine Untätigkeit nicht förmlich mitgeteilt habe. Dabei sei zudem die Grundfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob eine Untätigkeitsklage unzulässig sei, wenn und solange ein ausreichender Grund für die Untätigkeit des FA vorliege (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 8. Dezember 1971 VIII B 7/67, BFHE 104, 191).

Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Die Sache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung. Die nach Auffassung des Klägers durch den Streitfall aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind zum Teil durch die Rechtsprechung des BFH geklärt und daher nicht klärungsbedürftig. Zum anderen Teil mögen sie zwar klärungsbedürftig sein. Sie sind in dem etwaigen späteren Revisionsverfahren aber nicht klärungsfähig. Der Streitfall weist nämlich derartige Besonderheiten auf, daß sich die vom Kläger aufgeworfenen klärungsbedürftigen Fragen überhaupt nicht stellen.

a) Im wesentlichen geklärt ist die Frage, welche Auswirkungen beim BVerfG anhängige Musterverfahren auf gleichgelagerte Rechtsbehelfs- und Klageverfahren haben. Der I. Senat des BFH hat entschieden, daß in Fällen, in denen wegen der gleichen Rechtsfrage beim BVerfG eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist, unter bestimmten Voraussetzungen eine Aussetzung des Klageverfahrens geboten ist (Beschluß in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641). Der erkennende Senat hat sich mit Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 (BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408) dieser Rechtsprechung angeschlossen und die Voraussetzungen für die Aussetzung des Klageverfahrens näher konkretisiert.

Danach ist eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO (oder ein stillschweigendes Ruhenlassen) geboten, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, bei den FG zahlreiche Parallelverfahren anhängig sind (Massenverfahren) und keiner der Beteiligten des Klageverfahrens ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung des FG über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.

Diese Entscheidung gilt nicht nur für Klageverfahren, sondern auch für Einspruchsverfahren (s. dort § 363 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Gleichstellung beider Verfahren ist darin begründet, daß eine unnötige Überschwemmung des BVerfG und auch des BFH mit einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren verhindert werden soll. Diese Erwägungen gelten in gleichem Maße für den Schutz der FG vor unnötigen Verfahren, wenn bei den FÄ Einsprüche in einer Vielzahl von Parallelfällen zu den beim BVerfG anhängigen Musterverfahren vorliegen. Einspruchsentscheidungen der FÄ in solchen Fällen würden nur bedeuten, daß diese Verfahren auf die FG verlagert würden, ohne daß dadurch Fortschritte in der Sache zu erzielen wären. Da die FG nämlich die Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den Musterprozessen aussetzen müßten, ist kein Grund ersichtlich, warum die Aussetzung nicht bereits in den Einspruchsverfahren erfolgen sollte.

Im Streitfall sind die in dem Beschluß des Senats vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 dargelegten Voraussetzungen für die Aussetzung (oder das formlose Ruhenlassen) des Einspruchsverfahrens gegeben. Die vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages für das Streitjahr (1989) war im Zeitpunkt der Klageerhebung schon in einem Parallelverfahren beim BVerfG anhängig. Das Niedersächsische FG hatte mit Vorlagebeschluß vom 15. Januar 1991 IX 427 und 437/90 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 260) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Grundfreibeträge 1986 und 1988 beim BVerfG eingeleitet. Außerdem war das Urteil des erkennenden Senats vom 8. Juni 1990 III R 14-16/90 (BFHE 161, 109, BStBl II 1990, 969), wonach die Grundfreibeträge für die Jahre 1986 bis 1988 verfassungsgemäß sind, durch Verfassungsbeschwerde angefochten worden. Der Grundfreibetrag für das Jahr 1988 stimmte mit demjenigen für das Streitjahr (1989) überein. Mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages für das Jahr 1988 steht also zugleich die Prüfung des Grundfreibetrages für das Jahr 1989 durch das BVerfG an.

Die Verfahren vor dem BVerfG erscheinen nicht als offensichtlich aussichtslos. Dies hat der erkennende Senat in seinem Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 näher dargelegt. Bei den FÄ waren auch eine Vielzahl von Einspruchsverfahren in gleichartigen Fällen (Massenverfahren) anhängig. Irgendwelche Gründe, die ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer Einspruchsentscheidung trotz der beim BVerfG anhängigen Musterverfahren begründen könnten, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.

Der Kläger hat die Untätigkeitsklage folglich zu einem Zeitpunkt erhoben, als das FA eine Einspruchsentscheidung nicht treffen durfte, sondern das Einspruchsverfahren aussetzen oder formlos ruhen lassen mußte. Deshalb hatte das FA einen zwingenden Grund für die Untätigkeit, der noch fortbesteht.

Der Senat kann jedoch entgegen der Auffassung des Klägers offenlassen, ob dieser zwingende Grund für die Untätigkeit des FA für sich allein die Untätigkeitsklage bereits unzulässig machte. Auf diese Frage kommt es nicht an.

b) Entscheidend ist, daß nicht nur das FA an einer Einspruchsentscheidung gehindert war. Auch das FG konnte zum Zeitpunkt der Klageerhebung keine Entscheidung über die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Grundfreibetrages treffen. Denn das FG hätte nach dem Beschluß des erkennenden Senats vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 das Klageverfahren ebenso wie das FA das Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den anhängigen Musterverfahren aussetzen oder formlos ruhen lassen müssen, wenn die Untätigkeitsklage zulässig gewesen wäre. Der Kläger kann deshalb die von ihm begehrte Sachentscheidung über einen höheren Grundfreibetrag mit seiner Untätigkeitsklage nicht weiter als im Einspruchsverfahren vorantreiben. Eine solche Untätigkeitsklage widerspricht dem Zweck des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Nach dieser Bestimmung ist eine Untätigkeitsklage zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage ist entgegen ihrer mißverständlichen Bezeichnung als Untätigkeitsklage nicht darauf gerichtet, die Untätigkeit der Behörde im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zu beenden (vgl. Gräber/von Groll, a. a. O., § 46 Rdnr. 2, m. w. N.). Es soll vielmehr bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung ein Erfolg in der Sache durch das Gericht ermöglicht werden, wenn die Finanzbehörde das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren unangemessen verzögert. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn eine Untätigkeitsklage eingereicht wird, obwohl das FG - ebenso wie das FA - verfahrensrechtlich nicht in der Lage ist, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Eine solche zweckwidrige Klageerhebung muß als mißbräuchlich und daher als unzulässig angesehen werden, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 46 FGO im einzelnen vorliegen oder nicht.

c) Allerdings konnte der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung die Entscheidung des erkennenden Senats vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91 über die gebotene Verfahrensaussetzung bei anhängigen Musterverfahren vor dem BVerfG noch nicht kennen. Auch die Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641 kannte er möglicherweise noch nicht. Das ändert aber nichts an der Mißbräuchlichkeit seiner Klageerhebung.

Zum einen hat der Kläger selbst die Aussetzung des Klageverfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages beantragt. Er hat damit selbst zum Ausdruck gebracht, daß die Klageerhebung nicht dazu dienen sollte, im Klageverfahren eine frühere Sachentscheidung als im Einspruchsverfahren zu erreichen.

Zum anderen liegt der Mißbrauch auch darin, daß weder das Klageverfahren noch das Einspruchsverfahren vor der Entscheidung des BVerfG in den Musterverfahren in der Sache Erfolg haben konnten. Selbst wenn nämlich das FG eine Entscheidung in der Sache hätte treffen können, hätte diese nur in einem weiteren Vorlagebeschluß an das BVerfG oder in einer Klageabweisung hinsichtlich des Grundfreibetrages bestehen können. Bei einer Klageabweisung wäre der Kläger zu einer Anrufung des BFH und bei Erfolglosigkeit dort zu einer Verfassungsbeschwerde gezwungen gewesen, wenn er sein Klagebegehren aufrechterhalten wollte. Er hätte nur ein zusätzliches Kostenrisiko gehabt. In der Sache wäre dadurch für ihn nichts gewonnen worden, da sein Steuerrechtsstreit weiterhin bis zur Entscheidung des BVerfG über die bereits dort anhängigen Musterverfahren in der Schwebe geblieben wäre. Die Erhebung der Untätigkeitsklage erscheint daher im Hinblick auf den Zweck des § 46 FGO, bei Verzögerung durch das FA bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung einen Erfolg in der Sache zu ermöglichen, als sinnlos.

Dem Kläger ging es auch nicht darum, über das Klageverfahren und eine eventuelle Vorlage des FG nach Art. 100 des Grundgesetzes (GG) oder über eine - nach Anrufung des BFH - sich anschließende Verfassungsbeschwerde neue Gesichtspunkte gegenüber den beim BVerfG anhängigen Musterverfahren an das BVerfG heranzutragen. Er hat seine Klage im wesentlichen nur mit den bereits beim BVerfG anhängigen Verfahren begründet. Würden die FG in solchen Fällen bei Vorliegen einer Vielzahl von Parallelfällen eigene Entscheidungen treffen, würde dies nur bedeuten, daß die gleiche Rechtsfrage in einer Vielzahl von konkreten Normenkontrollverfahren oder Verfassungsbeschwerden immer wieder an das BVerfG herangetragen würde.

d) Die Mißbräuchlichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage zeigt sich schließlich besonders deutlich darin, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den in der Entscheidung des Vorsitzenden des FG vom 1. Oktober 1991 (über die Abhaltung der mündlichen Verhandlung) getroffenen Feststellungen bis dahin mehr als 1.000 vergleichbare Untätigkeitsklagen für von ihm vertretene Mandanten eingereicht hatte. Nach Auskunft des Präsidenten des FG vom 12. Februar 1992 sind es mittlerweile 1.252 Untätigkeitsklagen geworden. Wenn man dieses Verhalten des Prozeßbevollmächtigten des Klägers weiterdenkt bis zu der Vorstellung, daß sich alle steuerlichen Berater so verhielten, wäre eine derartige Überschwemmung der FG mit Klagen zu befürchten, daß die Funktionsfähigkeit der FG (insbesondere der Geschäftsstellen) schwer beeinträchtigt würde. Diese Beeinträchtigung würde erfolgen, ohne daß sich für die betroffenen Steuerpflichtigen irgendein Fortschritt in der Sache ergeben würde. Das mißbräuchliche Verhalten seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Kläger zurechnen lassen.

e) Entgegen der Auffassung des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten konnte die Entstehung von Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit gemäß § 236 AO 1977 allein die Klageerhebung nicht rechtfertigen. Prozeßzinsen sind eine Folge der berechtigten Inanspruchnahme eines Gerichts. Ihre Entstehung kann daher nicht Selbstzweck einer Klageerhebung sein und die sinnlose Inanspruchnahme eines Gerichts ermöglichen.

Im übrigen werden ab Veranlagungszeitraum 1989, also für das Streitjahr, Steuererstattungsansprüche des Klägers, die ihm aufgrund einer etwaigen Erhöhung des Grundfreibetrages zustehen könnten, ohnehin gemäß § 233 a AO 1977 verzinst. Die Untätigkeitsklage ist zu einem Zeitpunkt erhoben worden, als der etwaige Zinslauf schon begonnen hatte. Die Entstehung von Prozeßzinsen konnte folglich nicht das Motiv für die Klageerhebung sein. Für den Senat ist daher keinerlei Vorteil ersichtlich, den der Kläger selbst von der Klageerhebung haben könnte.

f) Eine Rechtfertigung und damit die Zulässigkeit des Klageverfahrens läßt sich ferner nicht daraus herleiten, daß der Kläger zusätzlich zur Höhe des Grundfreibetrages die Adressierung des angegriffenen Steuerbescheides zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten gerügt hatte und hierüber im Einspruchsverfahren ebenfalls noch nicht entschieden worden war. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats führt die Adressierung des Steuerbescheides an den Kläger zu Händen des Prozeßbevollmächtigten nicht zur Ungewißheit oder Unbestimmtheit des Empfängers (Urteil vom 9. August 1991 III R 169/90, nicht veröffentlicht - n. v. -). Die Rüge der ungenauen Adressierung des Steuerbescheides war also nicht berechtigt, so daß es für die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides allein auf die Frage des Grundfreibetrages ankam, die bis zur Entscheidung des BVerfG über die anhängigen Musterverfahren weder vom FA im Einspruchsverfahren noch vom FG im Klageverfahren entschieden werden konnte.

g) Unzutreffend ist schließlich die Auffassung des Klägers, die Untätigkeitsklage sei berechtigt, weil das FA im Einspruchsverfahren zumindest eine Vorläufigkeitserklärung des Steuerbescheides hinsichtlich des Grundfreibetrages hätte anbieten müssen. Der erkennende Senat hat zwar mit Urteil vom 7. Februar 1992 III R 61/91, BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592 entschieden, daß die FÄ unter bestimmten Voraussetzungen durch die FG zur Vorläufigkeitserklärung von Steuerbescheiden hinsichtlich beim BVerfG anhängiger Streitigkeiten über die Verfassungsmäßigkeit anzuwendender Gesetze verpflichtet werden können. Eine solche Verpflichtung durch die FG setzt aber immer voraus, daß der Steuerpflichtige vorher beim FA erfolglos einen Antrag auf die Vorläufigkeitserklärung gestellt hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

h) Da die Untätigkeitsklage mißbräuchlich erhoben worden ist, konnte für das FG auch keine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO in Betracht kommen, um ein Hineinwachsen der Klage in die Zulässigkeit zu ermöglichen. Eine mißbräuchlich erhobene Klage kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen. Der Senat braucht daher nicht zu klären, ob ansonsten bei einer unzulässigen Untätigkeitsklage eine solche Pflicht zur Verfahrensaussetzung besteht.