| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 28.11.1991 (I R 147/90) BStBl. 1992 II S. 678

1. Übertragen die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG bei deren Gründung auf diese die Mitunternehmeranteile an einer anderen Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, so kann der Wert der übertragenen Geschäftsanteile in analoger Anwendung des Stuttgarter Verfahrens bewertet werden.

2. Sind die von den Kommanditisten erbrachten Pflichteinlagen durch den Preis bestimmt worden, der für die zu übertragenden Anteile mindestens zu erzielen war, so kann der Wert auch aus der vereinbarten und zum Bewertungsstichtag erbrachten Pflichteinlage abgeleitet werden.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 5, 6, § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a; BewG 1965 § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 2; VStR Abschn. 76 ff.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die aus der Fusion der X-GmbH & Co. OHG und der Y-KG hervorging. Bei der Gründung wurde die G-GmbH die persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ohne Kapitalbeteiligung. Kommanditisten wurden A, B, C, D und E. Das Kommanditkapital wurde auf 30 Mio. DM festgesetzt. Es setzte sich aus Kommanditeinlagen von A, B und C in Höhe von je 7,5 Mio. DM und von D und E in Höhe von je 3,75 Mio. DM zusammen. Die Kommanditisten hatten Sacheinlagen zu erbringen. Sie übertrugen ihre bisherigen Mitunternehmeranteile an der X-GmbH & Co. OHG und an der Y-KG auf die Klägerin. Das in den Übertragungsbilanzen der X-GmbH & Co. OHG und der Y-KG ausgewiesene Eigenkapital überstieg die vereinbarten Kommanditeinlagen. Die Differenz wurde von der Klägerin in Höhe von 6 Mio. DM als Strukturveränderungsrücklage und im übrigen als Gesellschafterdarlehensverbindlichkeit ausgewiesen.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ gegenüber der Klägerin zunächst einen Gesellschaftsteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung über 300.000 DM. Nach einer Außenprüfung erließ er am 3. Dezember 1987 einen geänderten Gesellschaftsteuerbescheid über 360.000 DM. Als Bemessungsgrundlage setzte er dabei das Kommanditkapital zuzüglich der gebildeten Strukturveränderungsrücklage in Höhe von 6 Mio. DM an.

Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie eine Bewertung der eingebrachten Personengesellschaftsanteile gemäß § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) analog begehrte, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es setzte die Gesellschaftsteuer auf 163.800 DM herab, weil es den Ertragshundertsatz bei der analogen Anwendung des Stuttgarter Verfahrens mit 0 v. H. ansetzte. Entsprechend errechnete es den Wert der Gegenleistung mit 45,5 v. H. von 36 Mio. DM (Kommanditkapital zuzüglich Strukturveränderungsrücklage). Einen Abschlag vom Vermögenswert nach Abschn. 77 Abs. 5 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) berücksichtigte es nicht.

Mit ihren vom FG zugelassenen Revisionen rügen die Klägerin und das FA die Verletzung des § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972), und zwar die Klägerin i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG und dem Abschn. 75 ff. VStR.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Münster vom 16. August 1990 X 6870/88 Kap den Gesellschaftsteuerbescheid vom 3. Dezember 1987 zu ändern, die Gesellschaftsteuer auf 103.736 DM herabzusetzen und die Revision des FA zurückzuweisen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG Münster vom 16. August 1990 X 6870/88 Kap aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Revision des FA ist dagegen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter Gesellschaftsrechten i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972 gelten auch Kommanditgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland als inländische Kapitalgesellschaften, wenn zu ihren persönlich haftenden Gesellschaftern eine der in § 5 Abs. 1 oder in den Nrn. 1 oder 2 KVStG 1972 bezeichneten Gesellschaften gehört. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 gelten als Gesellschaftsrechte einer inländischen GmbH & Co. KG deren Kommanditanteile. Sie sind gemäß § 6 Abs. 2 KVStG 1972 den Kommanditisten zuzurechnen.

Zu diesen Tatbestandsmerkmalen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin durch den Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1984 als GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland gegründet wurde. Damit war sie eine inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972. Kommanditisten wurden die früheren Gesellschafter der X-GmbH & Co. OHG und der Y-KG. Sie erwarben in der Form von Kommanditanteilen Gesellschaftsrechte als Ersterwerber. Da sie ihre Pflichteinlagen in der Form der Einbringung ihrer Anteile an der X-GmbH & Co. OHG und an der Y-KG zum 31. Dezember 1984 erbrachten, wurde der Steuertatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 mit Ablauf dieses Tages verwirklicht.

2. Nach § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972 wird bei einem Erwerb von Gesellschaftsrechten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 die Gesellschaftsteuer vom Wert der Gegenleistung bemessen, wenn eine solche zu bewirken ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hatten die Kommanditisten der Klägerin für den Ersterwerb ihrer Kommanditanteile ihre Anteile an der X-GmbH & Co. OHG und an der Y-KG mit Ablauf des 31. Dezember 1984 auf die Klägerin zu übertragen. Deshalb ist die Übertragung der genannten Gesellschaftsanteile die Gegenleistung i. S. des § 8 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1972. Von ihrem Wert ist im Streitfall die Gesellschaftsteuer zu bemessen.

3. Weder das KVStG 1972 noch das BewG enthalten spezielle Vorschriften über die Bewertung von Anteilen an Personengesellschaften. Deshalb ist auf den allgemeinen Grundsatz des § 9 Abs. 1 BewG zurückzugreifen. Danach sind Anteile an Personengesellschaften mit ihrem gemeinen Wert zu bewerten. Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind außer acht zu lassen. Für die Anteile an Kapitalgesellschaften schreibt § 11 Abs. 2 BewG vor, daß der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen ist, wenn zeitnahe Anteilsverkäufe fehlen. Für Zwecke einer solchen Schätzung hat die Finanzverwaltung das sog. Stuttgarter Verfahren entwickelt (Abschn. 76 ff. VStR). Die Rechtsprechung hat dieses Verfahren stets als eine mit dem Gesetz in Einklang stehende Schätzung des gemeinen Wertes von Anteilen an Kapitalgesellschaften angesehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235; vom 14. November 1980 III R 81/79, BFHE 132, 479, BStBl II 1981, 351; vom 8. Mai 1985 II R 184/80, BFHE 144, 268, BStBl II 1985, 608; vom 28. März 1990 II R 108/85, BFHE 159, 568, BStBl II 1990, 493). Sie hat dem Stuttgarter Verfahren - wenn auch nur in modifizierter Anwendung - die grundsätzliche Eignung zugesprochen, bei der Schätzung des Wertes von Kommanditanteilen für Zwecke der Gesellschaftsteuer entsprechend angewendet zu werden (BFH-Urteil vom 2. März 1988 I R 396/83, BFHE 153, 145, BStBl II 1988, 620). Dieser Grundsatz gilt für die Bewertung anderer Anteile an Personengesellschaften entsprechend.

4. Auch wenn das Stuttgarter Verfahren auf eine mit dem Gesetz in Einklang stehende Schätzung des gemeinen Wertes von Anteilen an Kapital- oder Personengesellschaften gerichtet ist, so ist es in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht das einzige Verfahren, das zur Bestimmung des gemeinen Wertes des Anteils herangezogen werden kann. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung. Danach sollen z. B. nichtnotierte Vorzugsaktien, die nur zum Nennwert und nur an die Aktiengesellschaft zurückgegeben werden können, unabhängig vom Börsenkurs der Stammaktien zum Nennwert unter Berücksichtigung eines Zuschlages zu bewerten sein (vgl. Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 14. November 1963, Betriebs-Berater - BB - 1963, 1326; Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt, Verfügung vom 17. Oktober 1982 S 3259 A - 2 - St IV 51, S 3102 A - 6 - St IV 51, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Bewertungsgesetz, § 11 Nr. 40; Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1985 S 3263 - 54 V A 4, BB 1985, 2158). Bei dieser Wertermittlung wird also darauf abgestellt, was der Inhaber der "gebundenen Aktie" erhält oder erhalten würde. Dieser Grundsatz muß auch in anderen Fällen gelten.

So gesehen kann der Wert auch aus einer zu dem Bewertungsstichtag vereinbarten und erbrachten Pflichteinlage abgeleitet werden, wenn nur die Höhe der Pflichteinlage durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Anteile an der Personengesellschaft mindestens zu erzielen ist. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, entscheidet sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalles unter Heranziehung objektiver Maßstäbe.

Der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis für Anteile an Personengesellschaften wird durch das Vermögen und die Ertragsaussichten der Gesellschaft bestimmt, deren Anteile zu bewerten sind. Es können deshalb nur solche Pflichteinlagen zur Ermittlung des gemeinen Werts nicht herangezogen werden, für deren Bemessung die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter von entscheidender Bedeutung waren bzw. die durch Faktoren beeinflußt wurden, die mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben. Davon kann jedoch im Streitfall für die auf den 1. Januar 1985 vereinbarten und erbrachten Pflichteinlagen nicht ausgegangen werden.

Sacheinlagen, die von dem Gesellschafter in das Vermögen einer Personengesellschaft übertragen werden, können in deren Handelsbilanz höchstens mit ihrem Zeitwert angesetzt werden (vgl. Sarx, in: Beck'scher Bilanzkommentar, 2. Aufl., § 247 des Handelsgesetzbuches - HGB - Rdnr. 198). Dabei entspricht der Zeitwert dem Wert i. S. des § 155 Abs. 2 des Aktiengesetzes - AktG - a. F. In der Steuerbilanz der Personengesellschaft müssen Sacheinlagen mit dem Teilwert bewertet werden (BFH-Urteile vom 4. Oktober 1966 I 1/64, BFHE 87, 31, BStBl III 1966, 690; vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; Groh, Finanz-Rundschau - FR - 1990, 528). Dabei sind sowohl der Zeitwert als auch der Teilwert objektive Werte (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1990 I R 116/86, BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342). Sie können zwar über dem gemeinen Wert liegen. Jedoch bilden die Anschaffungskosten der Gesellschaft die Bewertungsobergrenze. Die Anschaffungskosten sind gleich dem gemeinen Wert der durch die Pflichteinlage getilgten Einlageforderung (vgl. Groh, Der Betrieb - DB - 1988, 514, 522). Dieser entspricht wiederum dem gemeinen Wert des eingelegten Wirtschaftsgutes.

So gesehen ist es für die Entscheidung über den Streitfall von Bedeutung, daß die Klägerin zum 1. Januar 1985 eine Eröffnungsbilanz aufstellte, die sowohl als Handels- als auch als Steuerbilanz diente. In der Eröffnungsbilanz wurde keine ausstehende Pflichteinlageforderung der Klägerin gegenüber ihren Kommanditisten angesetzt. Das Eigenkapital war durch die erbrachten Sacheinlagen in Höhe der Pflichteinlage belegt. Auf der Passivseite der Eröffnungsbilanz war eine Strukturveränderungsrücklage in Höhe von 6 Mio. DM angesetzt. Dann aber ist davon auszugehen, daß die Einlageforderung der Klägerin in Höhe von 30 Mio. DM zum 1. Januar 1985 untergegangen war. Dies war nur möglich, wenn der gemeine Wert der Summe der einzubringenden Anteile an der X-GmbH & Co. OHG und an der Y-KG mindestens 36 Mio. DM betrug.

5. Die Einwendungen der Klägerin stehen dieser Ermittlung des gemeinen Wertes nicht entgegen. Selbst wenn der innere Wert der eingebrachten Anteile (Markenrechte) ein anderer gewesen sein sollte als der, den das Unternehmen nach der Fusion hatte, so ist speziell für Zwecke der Gesellschaftsteuer zu berücksichtigen, daß diese den Wert einer Kapitalzufuhr besteuern soll, den die Leistung für die Gesellschaft hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1989 I R 25/85, BFHE 158, 471, BStBl II 1990, 225). So gesehen kann zwischen dem gemeinen Wert der übertragenen Anteile und dem Wert der eingebrachten Wirtschaftsgüter lt. Eröffnungsbilanz kein Unterschied bestehen.

6. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat zutreffend dem Gesellschaftsteuerbescheid vom 3. Dezember 1987 den Betrag von 36 Mio. DM als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Deshalb war die Klage der Klägerin abzuweisen. Ihre Revision war als unbegründet zurückzuweisen.